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26.10.1999 22:00

Fortschritt in der Tumorimmunologie

Dr. Manfred Leber Pressestelle der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes

    An den Universitätskliniken in Homburg hat die klinische Erprobung eines von Professor Dr. Michael Pfreundschuh entwickelten Impfstoffes begonnen, der bei vielen Patienten mit Brust-, Darm-, Magen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs eingesetzt werden kann. Da die Therapieergebnisse bei vielen hartnäckigen Tumoren nach Operation, Strahlen- und Chemotherapie im letzten Jahrzehnt kaum noch verbessert werden konnten, werden in die Immuntherapie große Hoffnungen gesetzt.

    Die internationale ,,Scientific Community" blickt nach Homburg, wo an den Universitätskliniken unter der Leitung des Tumorimmunologen Prof. Dr. Michael Pfreundschuh mit klinischen Studien einer solchen Immuntherapie begonnen wurde. Getestet wird dabei die Wirksamkeit einer Entwicklung, die auf der Grundlage des Antigens HOM-MEL-40 erfolgte, das Pfreundschuh an der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes in Homburg vor 4 Jahren entdeckt hat.

    Unter Antigenen versteht man Strukturen, gegen die das Abwehrsystem mit einer Immunantwort reagiert, d. h. Antikörper bildet und spezifische Killerzellen entwickelt. Antigene oder Teile davon können als Impfstoff verwendet werden, um die Immunantwort spezifisch gegen dieses Antigen bzw. Organismen oder Zellen, die dieses Antigen besitzen, zu verstärken. In der laufenden Pilotstudie, in die 30 Patienten aufgenommen werden sollen, soll nun geprüft werden, ob eine solche Vakzine (Impfstoff), die aus einem Tumorantigen hergestellt wird, in Patienten die spezifische Immunantwort gegen ihren Tumor verstärken kann. Dahinter steht die Hoffnung, dass eine solche spezifisch gegen Tumorzellen gerichtete Immunantwort des Patienten den Tumor zerstört, ohne dabei normales Gewebe zu schädigen, d. h. also ohne Nebenwirkungen hervorzurufen.

    Vor den grundlegenden Arbeiten des Homburger Forschers und Klinikdirektors war man in der wissenschaftlichen Welt davon ausgegangen, dass nur das maligne Melanom (schwarzer Hautkrebs), evtl. auch noch das Nierenkarzinom im Patienten eine Immunreaktion auslöst, und nur vom bösartigen Melanom waren Strukturen bekannt, die vom menschlichen Immunsystem spezifisch erkannt werden. Insgesamt war beim Menschen nur ein halbes Dutzend solcher Tumorantigene molekular definiert, und alle diese Antigene waren ausschließlich beim Melanom entdeckt worden. Mittlerweile sind mit der von Pfreundschuh entwickelten SEREX-Methode über 1000 (!) solcher Strukturen entdeckt und molekular charakterisiert worden. Es konnte gezeigt werden, dass die meisten, wahrscheinlich sogar alle menschlichen Tumoren Strukturen haben, die das Immunsystem des Patienten erkennen kann. Als Zeichen dafür, dass die jeweiligen Antigene in Homburg entdeckt wurden, beginnt die offizielle Bezeichnung dieser menschlichen Tumorantigene mit "HOM-"; so steht z. B. HOM-MEL-40 für das 40. Antigen, das bei einem Melanom in Homburg entdeckt wurde.

    Eines der klinisch besonders interessanten Antigene ist eben dieses HOM-MEL-40, da es bei einer ganzen Reihe von Krebserkrankungen vorkommt, u.a. beim Brustkrebs, bei bösartigen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes und vielen Tumoren anderen Ursprungs, z. B. Lymphknotenkrebs und bestimmten Hirntumoren. Allerdings muss zunächst jeder Patient, bevor er in die Vakzinierungsstudie aufgenommen werden kann, darauf hin untersucht werden, ob sein Tumor HOM-MEL-40 bildet, denn nur dann erscheint eine Vakzinierung sinnvoll. Ob ein Tumor HOM-MEL-40 bildet, ist abhängig von der Art des Tumors und wird bei 10 bis 60% einer jeweiligen Tumorart beobachtet. Als weitere Einschränkung für die Aufnahme in die Studie kommt noch hinzu, dass nur Patienten mit einem bestimmten Immuntyp für die in Homburg stattfindende Immuntherapie infrage kommen, da nicht das gesamte Antigenmolekül zur Immunisierung verwendet wird, sondern nur ein kleines Peptidfragment davon. Diese aus nur 9 Aminosäuren bestehenden Peptide sind wesentlich preiswerter herzustellen als das gesamte Antigen, haben jedoch den Nachteil, dass sie für jeden Immuntyp individuell "geschneidert" werden müssen. Das in der Homburger Studie zum Einsatz kommende Peptid wurde für den in Deutschland häufigsten Immuntyp hergestellt, nämlich für das Gewebsmerkmal HLA-A2, das ca. 40% unserer Bevölkerung haben.

    Hohe Auszeichnungen
    Für seine außerordentlichen Verdienste auf dem Gebiet der Tumorimmunologie hat Professor Pfreundschuh zahlreiche hohe Anerkennungen erfahren: Als erster Deutscher und zweiter Europäer hat er im vergangenen Jahr den mit 300 000 Dollar dotierten Forschungspreis des Cancer Research Instituts in New York erhalten. In diesem Jahr wurde er zu einem von 20 Gründungsmitgliedern der Academy of Cancer Immunology berufen. Auf dem internationalen Lymphomkongress, der im Juni 1999 in Lugano stattfand, wurde Pfreundschuh zum Leiter der bisher größten internationalen Therapiestudie für aggressive Lymphome gewählt. Ziel dieser Studie ist es zu prüfen, ob die Kombination einer klassischen Chemotherapie mit einer Immuntherapie die Heilungsraten bei aggressivem Lymphknotenkrebs im Vergleich zu einer einfachen Chemotherapie zu verbessern vermag. In diese Studie sollen innerhalb von zwei Jahren 1000 Patienten aus 13 Ländern aufgenommen werden, um diese wichtige klinische Fragestellung - auch beim aggressiven Lymphknotenkrebs ist seit 20 Jahren keine wesentliche Verbesserung der Therapie mehr erreicht worden - möglichst bald beantworten zu können.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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