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29.10.1999 11:50

Der Augenoperationssimulator "EyeSi" macht angehende Augenchirurgen fit für den Schnitt

Achim Fischer Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    Lehrstuhl für Informatik V der Universität Mannheim entwickelt Augenoperationssimulator zum Training angehender Augenchirurgen / Interdisziplinäre Kooperation / Testlauf in Mannheimer und Heidelberger Augenklinik bereits zu Beginn des nächsten Jahres geplant

    Mit dem Verlust des Augenlichtes verliert der Mensch einen Großteil seiner Wahrnehmungsfähigkeit, denn etwa 60 Prozent aller Umweltinformationen werden über den Sehsinn aufgenommen. Eine Augenoperation stellt den operierenden Arzt deshalb vor eine große Herausforderung. Eine falsche Bewegung und der Patient kann erblinden. Das Ausbildungsverfahren ist nicht nur sehr zeitaufwendig, sondern auch nervenaufreibend: Aufgrund der geringen Größe des Auges arbeitet der Arzt an der äußersten Grenze der Genauigkeit, mit der sich die menschliche Hand bewegen lässt. Und eine versehentliche Berührung der Netzhaut hat fatale Folgen.

    Am Mannheimer Lehrstuhl für Informatik V von Prof. Dr. Reinhard Männer wird seit 1996 an der Entwicklung eines Systems zur Simulation chirurgischer Augenoperationen gearbeitet, um die für den Eingriff notwendige Koordination von Handbewegung und stereoskopischem Sichtbild besser trainieren zu können. Unter der Leitung von Diplomphysiker Markus Schill hat das "EyeSi"-Team eine computerbasierte Ausbildungs- und Trainingsstation entwickelt, mit deren Hilfe intraokulare Eingriffe in Echtzeit geübt werden können. Das Simulationsprogramm ist auf zweierlei Anwendungsmöglichkeiten zugeschnitten: das allgemeine Geschicklichkeitstraining und die individuelle Operationsvorbereitung. Wie in einem Computerspiel hat der auszubildende Arzt einen Übungsparcours zu bewältigen. So trainiert er die freihändige Durchführung bestimmter Bewegungsabläufe, wobei er aber keinen Joystick, sondern die Originalinstrumente in den Händen hält. Auch individuelle chirurgische Eingriffe mit konkreten Patientendaten sollen am Simulationsapparat "durchgespielt" werden können.
    Simuliert wird unter anderem ein bestimmter chirurgischer Eingriff: die "Vitrektomie", d.h. die operative Entfernung des "Glaskörpers". Hierbei wird die gallertartige Masse im Augeninneren mit einem speziellen Schneidsauger, dem "Vitrektor", gelöst, zerkleinert und abgesaugt. Dieser mikrochirurgische Eingriff wird notwendig, wenn sich zum Beispiel im Alterungsprozess die Kollagenfasern des Glaskörpers auflösen oder dieser sich eintrübt. Aber auch Netzhautablösungen, bestimmte Formen von Augenblutungen (wie z. B. die diabetische Retinopathie) oder einige entzündliche Erkrankungen gelten als mögliche Indikation. Bei der virtuellen Vitrektomie führt der angehende Augenchirurg den Eingriff mit den Originalinstrumenten an einem beweglich gelagerten Augenmodell aus, wobei ihm durch den Computer über eine 3D-Monitorbrille - die auf der CeBIT'99 vorgestellte LDI-D100 von SONY - suggeriert wird, ein menschliches Auge vor sich zu haben.

    Neben den Mannheimer Informatikern sind auch Ärzte und Ingenieure an der Projektentwicklung beteiligt. Insgesamt vier verschiedene Projektpartner kooperieren hier miteinander: die Universität Mannheim, die Fachhochschule für Technik und Gestaltung, die Mannheimer und Heidelberger Augenklinik sowie die Firma EM-Gerätebau der Mannheimer DELTA-Gruppe.

    Mit dem Beginn der Testphase im nächsten Jahr muss sich der Augenoperationssimulator in der fachärztlichen Ausbildungspraxis bewähren. Beim Ausbildungstraining in der Mannheimer und der Heidelberger Augenklinik wird der angehende Augenchirurg dann die beiden Operationsinstrumente - den kaum Millimeter dicken Vitrektor sowie die ebenso dünne Stablampe - durch die beiden kleinen Löcher in das Modellauge einführen. Durch die 3-D-Monitorbrille sieht er das gewohnte Operationsszenario. Doch sowohl das Auge, in dem der Eingriff durchgeführt wird, als auch die chirurgischen Geräte sind virtuell. Das grafische Augenmodell wurde auf der Grundlage anatomischer Daten mit realen Fotografien von Netzhaut und Iris entwickelt. Die Darstellung der Computergrafik wirkt daher sehr authentisch. Die Operationsinstrumente erzeugen im Augeninneren sogar einen virtuellen Schatten. Mit Hilfe dieses Schattens, den der Vitrektor an die Augeninnenwand projiziert, kann der operierende Arzt die Distanz des Schneidsaugers zur Netzhaut abschätzen. Ein kleines Rot-Grün-Feld am Bildrand si-gnalisiert ihm zusätzlich, wann er die Netzhaut berührt. Leuchtet das Rotfeld, besteht akute Verletzungsgefahr. Einem realem Patient droht hier ein irreversibler Netzhautschaden. Das Modellauge hingegen nimmt dem Lehrling kaum etwas übel.

    "EyeSi" verbindet die Welt der programmierten Illusion mit der greifbaren Wirklichkeit. Die Schnittstelle zwischen virtueller und "wirklicher" Realität bildet ein optisches Ortungssystem, das mit Hilfe vernetzter Kameras die 3-D-Koordinaten der beweglichen Objekte erfasst. Die computergrafische Darstellung der simulierten Operation wird auf der Grundlage dieser Daten am PC erzeugt und als räumlicher Eindruck über die stereoskopische Monitorbrille an den Operateur weitergeben. Die Ansteuerung der Kameras bei diesem optischen "3D-Trackingsystem" wurde am Institut für Digitale Signalverarbeitung der FH Mannheim (Prof. Dr. Bernhard Wirnitzer; Dipl. Ing. Jochen Hammann) entwickelt. Bei diesem Lokalisationsverfahren sind sowohl die Operationsinstrumente als auch das Augeninnere mit LED-Markern ausgestattet, die Lichtsignale mit einer bestimmten Frequenz aus-senden. Die Positionserfassung - das "tracken" - erfolgt optisch über "intelligente" CCD-Kameras. Diese Industriekameras sind mit leistungsfähigen digitalen Signalprozessoren ausgestattet, die wie die Nervenzellen im Auge bereits vor Ort mit der Informationsverarbeitung beginnen, Fehler korrigieren und Bilddaten komprimieren. Mit dem Einsatz der von der Firma EM-Gerätebau (Projektleitung: Thomas Pfleger) konstruierten hochauflösenden, digitalen Zeilenkameras wird eine weitgehend verzögerungsfreie Synchro-nisation von Handbewegung und Computerbild ermöglicht. Die Latenzzeit kann dann so gering gehalten werden, dass kein noch so feines Händezittern unentdeckt bleibt.

    Außer der allgemeinen intraokularen Navigation der Operationsinstrumente können am Simulator auch spezielle Operationsschritte ausgeführt werden, etwa die Entfernung von krankhaftem Gewebe. Die Simulation natürlicher, inhomogener Gewebestrukturen am Computer ist jedoch schwer. Exakte, physikalische Modelle sind für den Rechner zu aufwendig, um eine Simulation in Echtzeit zu ermöglichen. Die Mannheimer Informatiker behelfen sich deshalb mit deskriptiven Algorithmen. So kann mit Hilfe der eingesetzten "Masse-Feder"- und "Kettenhemd"-Modelle die Ausdehnungs-fähigkeit und das Widerstandsvermögen von Geweben annäherungsweise ermittelt werden. Der in Zusammenarbeit mit dem MERL (Mitsubishi Electric Research Laboratory, Boston, USA) entwickelte "ChainMail-Algorithmus" nimmt sich hierbei das Verhalten eines idealtypischen Kettenhemdes zum Vorbild.
    Die Illusion ist schon so perfekt, dass aus dem Forschungsprojekt mittlerweile eine vom Land Baden-Württemberg geförderte Unternehmensgründung hervorgegangen ist. Marc Hennen, der den unternehmerischen Teil des Projektes betreut, ist optimistisch, dass "EyeSi" mit Teststellungen in den Unikliniken von Heidelberg und Mannheim den Prototypenstatus bald überwindet. Dann kann eigentlich nichts mehr ins Auge gehen.

    Andrea Weber

    Als medizinische Berater sind im "EyeSi"-Team tätig: Prof. Dr. Dr. H.-J. Bender (Institut für Anaesthesiologie und operative Intensivmedizin, Mann-heim), PD Dr. M. Knorz und Dr. B. Jendriza (Augenklinik Mannheim) so-wie PD Dr. R. Burk und Dr. A. Scheuerle (Augenklinik Heidelberg).

    Kontakt: Lehrstuhl für Informatik V der Universität Mannheim (Prof. Dr. Reinhard Männer) Tel.: 0621 / 181 - 2636 // Fax: 0621 / 181 - 2634
    e-mail: eyesi@vrmed.de, hennen@ti.uni-mannheim.de

    "EyeSi" im Internet:
    http://www.vrmed.de, http://www-mp.informatik.uni-mannheim.de/groups/vipa


    Weitere Informationen:

    http://www.vrmed.de,
    http://www-mp.informatik.uni-mannheim.de/groups/vipa


    Bilder

    Der Augenoperationssimulator "EyeSi"
    Der Augenoperationssimulator "EyeSi"

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    Virtuell erzeugtes Bild der Netzhaut
    Virtuell erzeugtes Bild der Netzhaut

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Maschinenbau, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Der Augenoperationssimulator "EyeSi"


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