Kombilöhne schaffen kaum zusätzliche Beschäftigung für gering Qualifizierte. Stattdessen würde eine flächendeckende und unbefristete Einführung die öffentlichen Haushalte massiv belasten - bis hin zu Zusatzausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe. Damit wirken sich breit angelegte Kombilohnmodelle eher kontraproduktiv auf Gesamtnachfrage, Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt aus. Das zeigt eine gemeinsame Analyse des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Für ihre Untersuchung, die am heutigen Mittwoch im neuen IMK Report erscheint, analysierten Expertinnen und Experten der beiden Institute die bekanntesten Kombilohnmodelle, die in Deutschland, Frankreich und den USA praktisch erprobt wurden oder in letzter Zeit von Wissenschaftlern vorgeschlagen worden sind. Dazu zählen unter anderem das "Mainzer Modell" und das "Hamburger Modell", das Kombilohn-Konzept des Münchner Ifo-Instituts oder die von Magdeburger Ökonomen propagierte "Magdeburger Alternative".
"Insgesamt fallen die Netto-Beschäftigungseffekte eher bescheiden aus. Mitnahme- und Verdrängungseffekte schmälern die Beschäftigungswirksamkeit", resümieren die Forscher. So weisen die in Deutschland bereits praktizierten Modelle eine relativ geringe Reichweite (maximal etwas über 15000 Geförderte) und oft hohe Abbruchquoten auf. Durch den Ifo-Vorschlag, der drastische Kürzungen bei Lohnersatzleistungen zur Voraussetzungen für ein Kombilohnmodell machen will, "würde die ohnehin schon schwache Binnennachfrage noch weiter gedrückt", warnen die Experten von IMK und WSI. Angesichts eines permanent wachsenden Niedriglohnsektors sei ohnehin kein Mangel an niedrig bezahlten Stellen für gering Qualifizierte zu erkennen.
Die "Magdeburger Alternative" weist nach der IMK/WSI-Analyse wiederum so schwerwiegende methodische Probleme auf, dass die positiven Prognosen über 1,8 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze und einen fiskalischen Nettogewinn nicht nachvollziehbar sind. Allein schon bei der Berücksichtigung von Mitnahmeeffekten ergeben sich ganz andere Ergebnisse: Die öffentliche Hand müsste Zusatzkosten von 10,5 Milliarden Euro tragen. Dabei entstünden maximal 550 000 zusätzliche Stellen, wobei die negativen Effekte der Gegenfinanzierung noch nicht eingerechnet sind. "Das beschäftigungspolitische und fiskalische Wunder löst sich in Luft auf", konstatieren die Forscher.
Für überlegenswert halten die Wissenschaftler das von den Grünen vorgeschlagene Progressivmodell, das Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen - ähnlich wie ein Konzept des Deutschen Gewerkschaftsbundes - teilweise von Sozialbeiträgen entlastet. Neben einem begrenzten positiven Beschäftigungseffekt könnten derartige Regelungen Geringverdiener vor Armut schützen.
Generell sollten Kombilohnmodelle aber stets gezielt auf bestimmte Problemgruppen am Arbeitsmarkt beschränkt sowie mit Qualifizierungsmaßnahmen kombiniert werden, empfehlen die Wissenschaftler. Zudem zeige der Blick ins Ausland, dass die Frage nach Kombilöhnen nicht von der Frage nach Mindestlöhnen getrennt werden sollte: "Nur wenn Lohnuntergrenzen bestehen, kann vermieden werden, dass Kombilöhne die Abwärtsspirale bei den Löhnen verstärken."
http://www.boeckler.de/cps/rde/xchg/hbs/hs.xsl/320_73794.html - PM mit Ansprechpartnern
http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_08_2006.pdf - Der IMK Report Nr. 8 als pdf
http://www.boeckler.de/pdf/impuls_2006_06_4-5.pdf - Weitere Informationen und Grafiken im Böckler Impuls 6/2006
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
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