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23.03.2006 10:54

Lübecks Wirtschaftsleben im Mittelalter

Susanne Schuck Presse, Kommunikation und Marketing
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Habilitation an der Kieler Universität macht Quelle zugänglich

    Einblick in das Lübecker Kaufmannsleben des ausgehenden Mittelalters liefert eine Habilitation an der Kieler Universität, die das sogenannte "Lübecker Niederstadtbuch" auswertet.

    Dr. Harm von Seggern erschloss drei Bände aus dem Lübecker "Niederstadtbuch". Sie betreffen die Jahre 1478 bis 1495 und beinhalten etwa 8000 Rechtsgeschäfte. "Wie im Archiv eines Notars lassen sich Schuld- und Handelsvorgänge der Lübecker Kaufmannschaft detailliert über 18 Jahre nachvollziehen. Wir erfahren, wer bei wem Waren gekauft hat, wer Geld verlieh, wer als Vormund eingesetzt wurde", beschreibt der Wissenschaftler den Inhalt seiner Quelle.

    Auch die Herkunft der Lübecker Kaufleute lässt sich erkennen. So gebe es unerwartet viele Kaufleute, die aus Süddeutschland, etwa Frankfurt/Main und Nürnberg, nach Lübeck eingewandert seien, um sich dort als Handelstreibende niederzulassen, berichtet der Historiker von der Christian-Albrechts-Universität. Die Kaufleute aus dem Süden lieferten vor allem Metall und Waffen, Wein und oberitalienisches Tuch in den Norden. "Erstaunlich schnell integrierten sich diese ursprünglich fremden Kaufleute in die ortsansässige Oberschicht", hat von Seggern beobachtet. "Sie heirateten gut situierte Lübeckerinnen und übernahmen Bürgschaften, alles Anzeichen dafür, dass sie sich ein hohes Ansehen erwarben."

    Das ausgehende 15. Jahrhundert ist eine für die Hansestadt Lübeck überaus bedeutsame Zeit, da Danzig zu dieser Zeit zunehmend an Gewicht gewann und Lübecks Ausnahmestellung als Handelszentrum im Ostseeraum dem Ende zuging.

    Die Aufarbeitung der drei Bände macht einen kleinen Teil dieser äußerst wichtigen Primärquelle zur Hansegeschichte erstmals zugänglich. Nun kann die Forschung nach speziellen Fragestellungen oder Personennamen eine Auswertung vornehmen.

    Unterstützung fand von Seggern im Archiv der Hansestadt Lübeck. Dessen kommissarischer Leiter, Dr. Rolf Hammel-Kiesow, ist glücklich über diese Arbeit. Schließlich umfasst das "Niederstadtbuch" insgesamt 384 Bände und reicht vom späten 13. bis ins frühe 19. Jahrhundert. Ein unermesslicher Schatz für Wirtschaftsgeschichtler! "Der Kieler Historiker hat den Wert der Quelle für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erkannt. Wir werden nun in den nächsten Jahren weitere Neuigkeiten aus dem Leben unserer Hansestadt erfahren können."

    Der Name der Quelle leitet sich davon ab, dass das Buch beim Rat der Stadt Lübeck in der Kanzlei zu ebener Erde geführt wurde. Im 1. Stock hielt man die Grundstücksgeschäfte fest und führte das Kataster im sogenannten "Oberstadtbuch".

    Die Studie trägt den Titel "Das Lübecker Niederstadtbuch gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Seine rechtliche Funktion und wirtschaftsgeschichtliche Bedeutung". Die Arbeit wird voraussichtlich im Jahr 2007 veröffentlicht.

    Zwei Fotos zum Thema stehen zum Download bereit unter:

    Foto 1 (ganze Seite):
    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2006/2006-027-1.jpg
    Bildunterschrift: Das Niederstadtbuch hielt Rechtsgeschäfte fest, hier eine Seite aus der Urschrift
    Foto: AHL

    Foto 2 (einzelner Absatz):
    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2006/2006-027-2.jpg
    Bildunterschrift:
    Niederstadtbuch (Detail), Archiv der Hansestadt Lübeck, Urschrift 1481 Elisabeth - 1489 Divisio Apostolorum, S. 23.
    Foto: AHL

    Der Wortlaut des Absatzes, aus dem Niederdeutschen übertragen:

    Die Testamentsvollstrecker des verstorbenen Herrn Alf Greverode, zu Lebzeiten Ratsherr der Stadt Lübeck, bekannten vor diesem Buch [dem Niederstadtbuch], dass Everd Kapelle Gesellschafter des Herrn Alf gewesen war und mit ihm eine Widerlegung eingegangen war. Er (Everd Kapelle) sei von ihnen bezüglich der Handelsgeschäfte im Einvernehmen geschieden, schuldet ihnen und ihren Rechtsnachfolgern jedoch noch 300 Lübecker Mark, die er ihnen zu zwei Terminen, wie er, Everd Kapelle, selbst sagte, zurückzahlen wolle, worüber sie sich auch geeinigt hätten, nämlich die erste Hälfte zum kommenden Johannis-Tag [24. Juni 1482] und die andere Hälfte zu Weihnachten über das Jahr [25. Dez. 1483], und zwar alles ohne Verzögerung. Zeugen sind der ehrbare Hans Castorp und Hoveman, grundbesitzende Bürger Lübecks. Verhandelt am Vortag des Tages der Geburt des Herrn [24. Dez. 1481]

    Kontakt:
    Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
    Historisches Seminar
    Privatdozent Dr. Harm von Seggern
    Tel. 0431/880-2302
    Email: hvonseggern@email.uni-kiel.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2006/2006-027-1.jpg
    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2006/2006-027-2.jpg


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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