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03.11.1999 11:45

Warum die Tumorzelle keinen Selbstmord begeht

Brigitte Stahl-Busse Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Urologen der Bonner Universität erhalten Nitze-Preis für die Erforschung der Wechselwirkung von Krebszellen und Immunsystem

    Das Immunsystem des Körpers hat die Aufgabe als eine Art Polizei durch den Körper zu treiben, um eindringende Keime und entartete Zellen aufzuspüren und zu vernichten. Bereits seit einiger Zeit weiß man, daß Tumorzellen manchmal nicht vom Immunsystem eliminiert werden können. Warum dies nicht funktioniert, konnte nun eine Gruppe von Urologen der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit den Universitätskliniken in Lübeck und Ulm experimentell nachweisen. Sie entdeckten darüber hinaus, daß nicht nur das Immunsystem den Krebszellen keinen Schaden zufügen kann, sondern daß Tumorzellen ihrerseits aktiv die Immunzellen angreifen. Für diese grundlagenwissenschaftliche Arbeit ist den jungen Medizinern am 25. September in Wiesbaden der mit 20.000 DM dotierte Maximilian-Nitze-Preis verliehen worden. Es handelt sich dabei um die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die die Deutsche Gesellschaft für Urologie für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der experimentellen und klinischen Urologie vergibt.

    Normalerweise ist das Leben einer jeden Zelle begrenzt. Je nach ihrer Funktion stirbt sie irgendwann früher oder später ab. Damit dieses Zellsterben geordnet verläuft und nicht plötzlich Defekte und Funktionsverluste in Zellverbänden entstehen, löst ein bestimmter Mechanismus den geordneten Zelltod, die sogenannte Apoptose, aus. Bei einem der hierzu bekannten Mechanismen dockt eine Immunzelle mit einer Art Schlüssel an dem dafür vorgesehenen Schloß der anderen Zelle an. Von dort wird das Signal zum Absterben an den Zellkern weitergeleitet. Als Schloß fungiert das Zelloberflächenprotein "Fas", der passende Schlüssel der Immunzelle wird "Fas-Ligand" oder kurz "FasL" genannt. Bei Tumorzellen - die Urologen untersuchten den Mechanismus anhand von Harnblasenkarzinom-Zellinien - funktionierte dieser Mechanismus nicht.

    Die Urologen fanden nun heraus, daß im Laufe der zunehmenden Entartung der Krebszellen, die man gängigerweise in vier Gradierungen unterteilt, dieser Fas/FasL- Mechanismus immer weniger funktioniert. Einerseits können Veränderungen, Mutationen, im Fas-Rezeptor auftreten, andererseits kann es vorkommen, daß der Fas-Rezeptor in geringerem Maße ausgebildet wird. Oft spaltet auch die Krebszelle das Fas ab. Die Immunzellen treffen dann auf gelöstes Fas, binden dieses, aber bleiben zwangsweise wirkungslos. Bei stark entarteten KrebszelIen ist die Signalübertragung vom Fas zum Zellkern blockiert. Die Botschaft zum Zelltod kommt also nicht mehr im Kern an. Im letzten Stadium schließlich bildet die Tumorzelle selbst einen FasL aus, mit dem sie an das Fas der Immunzelle andockt und so ihrerseits dort den Mechanismus zur Apoptose auslöst. All diese Mechanismen wurden von den Wissenschaftlern mit teils sehr aufwendigen molekularbiologischen Verfahren experimentell nachgewiesen. Insbesondere die blockierte Signalübertragung sowie die daraus resultierende Resistenz gegenüber den Angriffen des Immunsystems sowie gegenüber einer Chemotherapie sind Gegenstand der aktuellen Forschung. Die Bonner Mediziner erhoffen sich deshalb Erfolg einerseits von einem Stoff, der in die Signalübertragung eingreift (Carboxyamidotriazole kurz CAI) und andererseits von "Flavopiridol", einem Stoff, der die Zellzyklusregulation beeinflußt. Im Reagenzglas und später auch im Versuch an Ratten, konnte gezeigt werden, daß damit der Tumor weitestgehend zurückgedrängt werden konnte. Beide Stoffe erhielten die deutschen Mediziner von den amerikanischen Kollegen des National Cancer Institute zu Testzwecken, wo man empirisch ähnliche Ansätze verfolgt. Die Bedeutung der Wechselwirkung von Immun- und Tumorzellen über das Fas/FasL-System beim Harnblasenkarzinom sowie die Beeinflussung der Signalübertragung konnte jedoch erstmals von der deutschen Wissenschaftlergruppe nachgewiesen werden.

    Ansprechpartner: Dr. med. Frank Perabo, Tel.: (0228) 287 51 68. e-mail: perabo@mailer.meb.uni-bonn.de


    Weitere Informationen:

    http://www.meb.uni-bonn.de/urologie/index.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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