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11.04.2006 10:16

Der Bologna-Prozess und Osteuropa

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    30 Universitätsrektoren aus der Russischen Föderation besuchten gestern die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Die Realisierung der in der gemeinsamen Erklärung der europäischen Bildungsminister 1999 in Bologna formulierten Ziele zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes und die praktische Umsetzung des danach benannten Bologna-Prozesses beschäftigt nicht nur westeuropäische Universitäten, sondern zunehmend auch mittel- und osteuropäische Hochschulen. Kaum ein Vertreter dieser Hochschulen, der die Ruperto Carola besucht, unterlässt es, dieses hochaktuelle Thema auf seine Gesprächsagenda zu setzen.

    So war der Bologna-Prozess das zentrale Thema des Besuchs des Präsidenten der ukrainischen Nationaluniversität "Kyiv-Mohyla-Akademie" Prof. Dr. Viatcheslav Brioukhovetsky, der Mitte März im Rahmen einer DAAD-Informationsreise in Heidelberg weilte und kurze Zeit später übrigens in das Kiewer Stadtparlament gewählt wurde. Ähnlich interessiert an der Umsetzung des Bologna-Prozesses durch die Universität Heidelberg zeigte sich eine Gruppe kroatischer Hochschuladministratoren und Fachkoordinatoren, die sich im Rahmen eines TEMPUS-Projektes vom 22. bis 26. März 2006 an der Ruperto Carola aufhielten und die sich vor allem für die vielfältigen Probleme bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses und für deren Bewältigung und Überwindung durch die Universität Heidelberg interessierten.

    Am Vormittag des 10. April 2006 war nun eine Delegation aus der Russischen Föderation zu Gast in Heidelberg, geleitet von der Prorektorin Prof. Dr. Elena Didenko des in Moskau ansässigen Staatlichen Instituts für Entwicklung der Zusatzfachbildung der Föderalen Agentur für Ausbildung. Die über 30 Rektoren und Prorektoren russischer Hochschulen aus allen sieben Föderationskreisen, von Zentralrussland bis Fernost, von Smolensk bis Petropawlowsk-Kamtschatski, wurden durch den Prorektor für internationale Beziehungen der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Angelos Chaniotis, im Senatssaal der Alten Universität begrüßt und willkommen geheißen. Nach dem Austausch von Gastgeschenken und der persönlichen Vorstellung der einzelnen Mitglieder der Besuchergruppe durch Prorektorin Didenko begann der fachliche Teil der Veranstaltung.

    Prorektor Chaniotis konzentrierte sich in seinem Beitrag, dem er eine kurze Präsentation der Ruperto Carola als einer "forschungsintensiven Volluniversität" voranstellte, in erster Linie auf die Schwierigkeiten mit der Implementierung der vom Bologna-Prozess gemachten Vorgaben. Diese Herangehensweise wurde ihm von den russischen Gästen auch ausdrücklich gedankt, da, wie ein Rektor aus Sibirien zu bedenken gab, nur qua Fokussierung auf Probleme Ideen zu ihrer Lösung und Überwindung zu gewinnen seien.

    Prorektor Chaniotis benannte dann verschiedene neuralgische Punkte bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses, wie zum Beispiel: das Problem der Vereinheitlichung nicht nur der Abschlüsse und Diplome (B.A., M.A.), sondern vor allem der Lehrinhalte und Lernmodule; das Problem der Integration eines Auslandssemesters oder gar Auslandsjahres in ein auf lediglich drei Jahre konzipiertes Bachelor-Curriculum; das Problem der Integration von Fremdsprachenerwerb in den dreijährigen Bachelor-Studiengang, insbesondere bei Sprachen wie Chinesisch oder Japanisch; das Problem der Kompatibilität von Bachelor- und Masterstudiengängen, nicht nur im nationalen, sondern auch im europäischen Rahmen; das Problem der Akkreditierung der neu geschaffenen Studiengänge, das ja auch einen enormen Kostenfaktor beinhalte; das Problem der Äquivalierung der neuen Abschlüsse durch außereuropäische, insbesondere durch nordamerikanische Universitäten; das Problem der Bewertung der neuen Abschlüsse durch den nationalen und internationalen Arbeitsmarkt.

    An die Ausführungen von Prorektor Chaniotis schloss sich eine lebhafte Diskussion an, die vor allem auf die Frage der Funktion und Finanzierung der Akkreditierungsagenturen in Deutschland abzielte, aber auch das Spektrum der von Prorektor Chaniotis angesprochenen Fragen um den Aspekt des E-Learning ergänzte: Heidelberg führt zusammen mit den Universitäten Stuttgart und St. Petersburg ein E-Learning-Projekt im Bereich "American Studies" durch; außerdem ist die Universität Heidelberg im Rahmen der LERU (League of European Research Universities) an einer Kommission beteiligt, die sich mit der Entwicklung von universitärem E-Learning befasst.

    Nach diesem ersten allgemeinen Teil ging der Bologna-Beauftragte der Universität Heidelberg, Ulrich Battige, auf spezielle Detailfragen ein, indem er einzelne Begriffe wie Module, Leistungspunktesystem, Transcript, Diploma Supplement erläuterte und vor allem das Akkreditierungssystem und die Tätigkeit der EVALAG (Evaluationsagentur Baden-Württemberg) differenziert beschrieb.

    Zum Abschluss der Diskussionsveranstaltung beantwortete Dr. Markus Fischer noch Fragen zur Anzahl der Studierenden aus der Russischen Föderation in Heidelberg (derzeit 257 Studierende: 5. Platz in der zahlenmäßigen Rangliste nach China, Bulgarien, Türkei und Polen), zur Universitätspartnerschaft zwischen der Ruperto Carola und der Staatlichen Universität St. Petersburg sowie zu weiteren Kooperationen der Universität Heidelberg mit Hochschulen der Russischen Föderation.

    Ein Besuch der Alten Aula und des Studentenkarzers beendete das Besuchsprogramm der russischen Gäste, die unter anderem wissen wollten, ob neben Studenten einst auch Professoren in diesem Universitätsgefängnis inhaftiert gewesen seien. Vielleicht diejenigen Professoren, die vor lauter Akkreditierungsreisen und "Evaluationstourismus" nicht mehr ihren Pflichten in Forschung und Lehre nachkämen? Aber im Karzer wird ja seit längerem niemand mehr gefangen gehalten, auch nicht aufgrund des Bologna-Prozesses.

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Markus Fischer
    Zentrale Universitätsverwaltung
    fischer@zuv.uni-heidelberg.de

    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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