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20.04.2006 10:31

Die "Körpersprache" von Biomolekülen

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Die VolkswagenStiftung bewilligt rund 3,3 Millionen Euro für acht Vorhaben in ihrer Förderinitiative zu molekularen Konformationen.

    Woher weiß eine Zelle, dass sie sich teilen soll? Wie erhält ein Enzym die Botschaft, ein bestimmtes Gen zu aktivieren? In welcher Weise werden Signale aus der Umwelt ins Zellinnere weitergeleitet? Schalter im Miniformat sorgen dafür, dass alle diese Prozesse nach Plan ablaufen. Dabei verständigen sich die Biomoleküle, meistens Proteine, in einer besonderen Sprache: Über Änderungen ihrer Form - auch Konformation genannt - leiten sie Signale weiter oder blockieren eine Reaktion. Die geringfügigste Änderung ihrer räumlichen Struktur kann dabei verheerende Fehlschaltungen zur Folge haben. Wird beispielsweise ein Proteinschalter, der das Signal für Zellteilung gibt, in seiner Stellung "An" festgehalten, werden sich die Zellen unkontrolliert teilen und es entsteht Krebs. Diesen grundlegenden und faszinierenden molekularen Prozessen in den Schaltmolekülen der Zellen widmet sich die VolkswagenStiftung in ihrer Förderinitiative "Zusammenspiel von molekularen Konformationen und biologischer Funktion", die 1998 ins Leben gerufen wurde. Für acht Vorhaben in dieser Initiative bewilligt die Stiftung jetzt rund 3,3 Millionen Euro:

    1.) 429.000 Euro für das Vorhaben "Information transmission pathways in an allosteric protein" von Professor Dr. Wolfgang Hillen und Professor Dr. Yves Muller vom Institut für Biologie der Universität Erlangen-Nürnberg und Professor Dr. Peter Gmeiner vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie, ebenfalls Universität Erlangen-Nürnberg;

    2.) 787.700 Euro für das Vorhaben "TGF-beta signalling biosensors" von Dr. Marcos González-Gaintán vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, Professor Dr. James Smith vom Wellcome Trust/Cancer Research UK Gurdon Institute, University of Cambridge, und Dr. Carsten Schultz, Gene Expression Unit am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg;

    3.) 375.800 Euro für das Vorhaben "Substrate Control of the active conformation of the respiratory complex I" von Professor Dr. Thorsten Friedrich und Professor Dr. Bernhard Breit vom Institut für Organische Chemie und Biochemie der Universität Freiburg sowie Professorin Dr. Petra Hellwig von der Faculté de Chimie, Université Louis Pasteur, Strasbourg.

    Nähere Informationen zu diesen Vorhaben finden Sie im Folgenden - außerdem im Anschluss eine Übersicht der weiteren bewilligten Projekte

    Zu 1: Interne Kommunikation von Proteinen
    Wie erfährt die rechte Hälfte, was die linke gerade tut? Viele Proteine besitzen mindestens zwei räumlich voneinander getrennte Bindestellen, an denen Substrate oder andere Moleküle andocken können. Bei diesen "allosterischen" Proteinen wird in der Regel die Aktivität der einen Bindestelle vom Zustand der anderen gesteuert. Bindet also ein so genanntes Effektormolekül an der einen Seite, wird diese Information über Änderung der räumlichen Form an die andere Bindestelle weitergegeben. Das Resultat ist auch dort eine Konformationsänderung, die nun eine weitere Aktivität zulässt oder stoppen kann. Zwar hat man heute mit Kristallstrukturen bereits eine Reihe von Proteinen mit Substraten und Effektoren dreidimensional sichtbar machen können - doch Regeln für die Mechanik und Energetik proteininterner Kommunikation gibt es bisher nicht.

    Hier setzen die Wissenschaftler aus Erlangen-Nürnberg mit ihrem Projekt an: Am Beispiel des Tet-Repressors wollen sie die Informationsweitergabe analysieren und allgemein gültige Prinzipien herausfinden. Tetrazyklin ist als Antibiotikum bekannt, das die bakterielle Proteinsynthese hemmt. Es fungiert beim Tet-Repressor als Effektormolekül, reguliert über Bindung an den Repressor die Genexpression. Der Tet-Repressor ist strukturell sehr gut untersucht und bietet sich als Modell an. Die Wissenschaftler haben bereits Varianten des Rezeptors mit veränderter Allosterie sowie ein Peptid isoliert, das den Rezeptor durch eine andere Strukturänderung induziert als Tetrazyklin. Auch neuartige Tetrazyklinderivate werden getestet, um den Kontaktketten zwischen den Bindestellen auf die Spur zu kommen. Die Kombination von Molekulargenetik, Synthesechemie und strukturellen Methoden erhöht die Chancen, zu allgemein gültigen Prinzipien zu kommen.

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    Kontakte zu Projekt 1

    Universität Erlangen-Nürnberg

    Institut für Biologie
    Lehrstuhl für Mikrobiologie
    Prof. Dr. Wolfgang Hillen
    Telefon: 09131 852 8081
    E-Mail: whillen@biologie.uni-erlangen.de

    Institut für Biologie
    Lehrstuhl für Biotechnik
    Prof. Dr. Yves Muller
    Telefon: 09131 852 3081
    E-Mail: ymuller@biologie.uni-erlangen.de

    Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie
    Prof. Dr. Peter Gmeiner
    Telefon: 09131 852 2584
    E-Mail: gmeiner@pharmazie.uni-erlangen.de
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    Zu 2: Biosensoren machen Signalketten sichtbar
    Nicht einzelne Signale, sondern komplexe Signalkaskaden sorgen dafür, dass sich ein Embryo entwickeln kann. Wichtige Signale geben dabei die Wachstumsfaktoren der Transforming Growth Factor beta-Familie, kurz TGF-?. Sie werden bereits intensiv erforscht, denn wenn ihre Signalfunktion im Zellwachstum außer Kontrolle gerät, können Krebs und andere Krankheiten entstehen.

    Während die molekularen Aspekte der Signalkette und die konformationellen Änderungen einzelner Komponenten schon recht gut bekannt sind, weiß man wenig über die zeitliche und räumliche Dynamik der Prozesse. Hierfür interessiert sich das Team aus Dresden, Heidelberg und Cambridge: Die Forscher wollen Biosensoren für verschiedene Komponenten der Signalkette "bauen" und damit die Etappen der Signalweiterleitung in Echtzeit verfolgen. Biosensoren sind Messfühler, die mit biologischen Komponenten ausgestattet sind. Ihr Einsatz macht es möglich, Protein-Protein-Wechselwirkungen in der lebenden Zelle auch quantitativ zu bestimmen. Ziel der Forscher ist es vor allem, TGF-Signale sowohl während der Embyonalentwicklung als auch für bestimmte Krankheiten zu messen.
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    Kontakte zu Projekt 2

    Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden
    Dr. Marcos González-Gaitán
    Telefon:0351 2102539
    E-Mail: gonzalez@mpi-cbg.de

    University of Cambridge
    Prof. Dr. James Smith
    Telefon: 00441 223334133
    E-Mail: j.bate@gurdon.cam.ac.uk

    Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie,
    Heidelberg
    Dr. Carsten Schultz
    Telefon: 06221 387 210
    E-Mail: carsten.schultz@EMBL-Heidelberg.de
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    Zu 3: Energiegewinn durch räumliche Bewegungen
    Auch bei der Energiegewinnung von Zellen spielen Konformationsänderungen von Molekülen und Molekülkomplexen die entscheidende Rolle. In der Atmungskette - dem entscheidenden Prozess im Energiestoffwechsel - wird ATP bereitgestellt, die universelle Energiewährung, die alles antreibt. Der erste Komplex der Zellatmung ist die NADH:Ubichinon-Oxidoreduktase, ein Enzym, das eine wichtige Schaltstelle darstellt: Es überträgt Elektronen vom Elektronencarrier NADH auf Ubichinon und nutzt die dabei freiwerdende Energie, um Protonen von der Innenseite der Membran nach außen zu transportieren. Auf diese Weise entsteht ein Membranpotenzial, das zum Aufbau des Energieträgers ATP, aber auch für Transportvorgänge und andere energieabhängige Vorgänge genutzt werden kann.

    Der Mechanismus dieses wichtigen Enzymkomplexes am Beginn der Atmungskette ist noch weitgehend unverstanden. Klar ist, dass die Bindung von NADH, nicht jedoch von NADPH - der phosphorylierten Form - große räumliche Bewegungen auslöst und das Molekül für Ubichinon öffnet. Die Wissenschaftler aus Freiburg und Strasbourg wollen in dem von der VolkswagenStiftung geförderten Vorhaben untersuchen, welche Konformationsänderungen abgewandelte NADH-Derivate zur Folge haben. Die Untersuchungen an der NADH:Ubichinon-Oxidoreduktase sind auch für die Medizin relevant, denn eine Fehlfunktion dieses Komplexes ist mit neurodegenerativen Krankheiten wie dem Parkinson-Syndrom verknüpft.

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    Kontakte zu Projekt 3:

    Universität Freiburg
    Institut für Organische Chemie und Biochemie
    Prof. Dr. Thorsten Friedrich
    Telefon: 0761 203 6060
    E-Mail: tfriedri@uni-freiburg.de

    Prof. Dr. Bernhard Breit
    Telefon: 0761 203 6051
    E-Mail:bernhard.breit@orgmail.chemie.uni-freiburg.de

    Université Louis Pasteur, Strasbourg
    Prof. Dr. Petra Hellwig
    E-Mail: hellwig@chimie.u-strasbg.fr
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    Bewilligt wurden in der Initiative "Zusammenspiel von molekularen Konformationen und biologischer Funktion" auch folgende fünf Vorhaben:

    4.) 461.800 Euro für das Vorhaben "Synthetic selectivity filters for porin-like ion channels" von Professor Dr. Ulrich Koert, Professor Lars-Oliver Essen und Dr. Henning Mootz vom Fachbereich Chemie der Universität Marburg;

    Kontakt zu Projekt 4:
    Universität Marburg
    Fachbereich Chemie
    Professor Dr. Ulrich Koert
    Telefon: 06421 2826970
    E-Mail: koert@chemie.uni-marburg.de
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    5.) 79.400 Euro für das Vorhaben "Conformation-activity relationship of the archazolids: Development of a novel class of highly potent V-ATPase inhibitors" von Dr. Dirk Menche von der Abteilung Medizinische Chemie der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig (GBF) und Dr. Teresa Carlomgno vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen;

    Kontakt zu Projekt 5:
    GBF Braunschweig
    Abteilung Med. Chemie
    Dr. Dirk Menche
    Telefon: 0531 6181346
    E-Mail: dirk.menche@gbf.de
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    6.) 359.000 Euro für das Vorhaben "Elucidation of the conformational dynamics of the spliceosome using small molecule inhibitors" von Professor Dr. Reinhard Lührmann und Privatdozent Dr. Markus Wahl von der Abteilung Zelluläre Biochemie am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen und Professor Dr. Herbert Waldmann vom Fachbereich Chemie, Chemische Biologie, Universität Dortmund;

    Kontakt zu Projekt 6:
    Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
    Abt. Zelluläre Biochemie
    Prof. Dr. Reinhard Lührmann
    Telefon: 0551 2011405
    E-Mail: reinhard.luehrmann@mpi-bpc.mpg.de
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    7.) 398.800 Euro für die Fortsetzung des Vorhabens "Pleckstring domains: from allosteric regulation of protein function towards novel tools for monitoring intracellular reactions" von Dr. Carsten Schultz und Dr. Michael Sattler, beide EMBL - Europäisches Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg, und Professor Dr. Mathias Gautel, Cardiovascular Division der GKT School of Medicine, King's College, London;

    Kontakt zu Projekt 7:
    EMBL, Heidelberg
    Dr. Michael Sattler
    Telefon: 06221 387552
    E-Mail: sattler@embl-heidelberg.de
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    8.) 393.100 Euro für die Fortsetzung des Vorhabens "Modulation of the slow conformational dynamics in Ras and Ras-related proteins by drugs: development of an new type of specific Ras-inhibitor" von Professor Dr. Hans-Robert Kalbitzer vom Institut für Biophysik und physikalische Biochemie sowie Professor Dr. Burkhard König vom Institut für Organische Chemie, beide Universität Regensburg, und Professor Dr. Christian Herrmann von der Fakultät für Chemie, Physikalische Chemie, Universität Bochum.

    Kontakt zu Projekt 8:
    Universität Regensburg
    Institut für Biophysik und physikalische Biochemie
    Prof. Dr. Hans-Robert Kalbitzer
    Telefon: 0941 9432595
    E-Mail: hans-robert.kalbitzer@biologie.uni-regensburg.de
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    Die Förderinitiative "Zusammenspiel von molekularen Konformationen und biologischer Funktion" wird in diesem Jahr eingestellt. Sie hat dazu beigetragen, das Gebiet der Chemischen Biologie in Forschung und Lehre in der deutschen wie europäischen Forschungslandschaft zu verankern. Über die gesamte bisherige Laufzeit wurden - einschließlich der jetzigen Vorhaben - 125 Bewilligungen ausgesprochen, für die rund 23 Millionen Euro bereit gestellt wurden. Mit Stichtag 15. September 2006 können die letzten Anträge eingereicht werden.

    Kontakt
    VolkswagenStiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Christian Jung
    Telefon: 0511 8381380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Kontakt
    Förderinitiative der VolkswagenStiftung
    Dr. Matthias Nöllenburg
    Telefon: 0511 8381 290
    E-Mail: noellenburg@volkswagenstiftung.de

    Der Text der Presseinformation steht im Internet zur Verfügung unter
    http://www.volkswagenstiftung.de/service/presse.html?datum=20060420


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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