In Deutschland sind etwa 800.000 Patienten wegen einer krankhaft erhöhten Blutgerinnung auf eine teils lebenslange Therapie mit blutverdünnenden Medikamenten angewiesen. Am häufigsten verschreiben Ärzte so genannte Cumarine, dazu zählt beispielsweise das bekannte Marcumar. Die benötigte Menge ist jedoch von Patient zu Patient verschieden; eine falsche Dosis kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Mediziner der Universität Bonn haben nun herausgefunden, warum Cumarine so unterschiedlich wirken: Ein Gen, das bei der Blutgerinnung eine wesentliche Rolle spielt, kann demnach in verschiedenen Varianten vorkommen, von denen manche auf die Gerinnungshemmer stärker ansprechen als andere. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse heute auf der Frühjahrstagung der Deutschen Kardiologischen Gesellschaft (DGK) in Mannheim präsentiert.
Eine erhöhte Blutgerinnung kann sehr gefährlich werden: Blutklumpen, so genannte "Thromben", können Gefäße in Hirn oder Herz verstopfen; Folge sind Herzinfarkt oder Schlaganfall. Cumarine unterdrücken die Bildung der Gerinnungsfaktoren II, VII, IX und X und verbessern so die Fließfähigkeit des Blutes. Ein schwerwiegender Nachteil dieser ansonsten hochwirksamen Medikamentgruppe ist die schwierige Dosiseinstellung, da die Patienten individuell sehr unterschiedliche Cumarinmengen benötigen. Bislang tasteten sich die Mediziner für jeden Patienten daher schrittweise von einer durchschnittlichen Anfangsdosis an die für ihn passende Menge heran. Eine zu kleine Anfangsdosis kann dabei zu einem erneuten Infarkt, eine zu hohe Dosis dagegen zu schweren Blutungen führen, die bei etwa 1.000 Patienten jährlich sogar tödlich enden.
Verschiedene Befunde weisen drauf hin, dass die individuelle genetische Ausstattung eine Schlüsselrolle bei der Cumarin-Empfindlichkeit spielt. Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Johannes Oldenburg vom Universitätklinikum Bonn konnte kürzlich aufklären, an welchem Punkt der Blutgerinnung die Cumarine eingreifen: Sie inaktivieren ein kleines Molekül namens VKORC1, das bei der Gerinnung eine zentrale Rolle spielt. Damit wird das Blut fließfähiger.
Die Bonner Mediziner fanden nun heraus, dass das Gen, das für den Bauplan des VKORC1 verantwortlich ist, in verschiedenen Varianten vorkommt. Durch eine genetische Analyse von Patienten, die entweder sehr empfindlich oder besonders unempfindlich auf Cumarine angesprochen hatten, konnten sie eindeutige Zusammenhänge mit den gefundenen Genvarianten nachweisen. Die neuen Befunde können auch erklären, warum fast alle Asiaten auf niedrige Cumarindosen reagieren, während bei Afrikanern überwiegend hohe Dosen notwendig sind. In Mitteleuropa spricht etwa die halbe Bevölkerung auf niedrige Dosen an.
"Durch eine Analyse der Genvarianten können nun bereits im Vorfeld einer Behandlung mit Gerinnungshemmern Patienten mit niedrigem oder hohem Cumarinbedarf identifiziert werden", erklärt Professor Oldenburg. "Dadurch sinkt das Risiko für eine lebensgefährliche Blutung oder einen erneuten Infarkt oder Thrombose."
Kontakt:
Professor Dr. Johannes Oldenburg
Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin
des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-5175
E-Mail: johannes.oldenburg@ukb.uni-bonn.de
herz.kreislauf-netz@med.uni-heidelberg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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