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03.05.2006 13:15

Junge Deutsche und junge Polen: Persönliche Kontakte bauen Brücken und fördern Entspannung

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Nachbar Deutschland in Polen beliebt - Buchveröffentlichung und Workshop in Mainz und Warschau

    (Mainz, 3. Mai 2006, lei) Zwei Jahren nach dem EU-Beitritt Polens ist es wohl noch zu früh, eine Bilanz zu ziehen, aber es ist unbestritten, dass sich die Beziehungen zwischen Polen und Deutschen immer mehr entspannen und dass sie immer mehr neue Impulse erfahren. "Wir sehen gerade bei jungen Menschen, dass sie unvoreingenommen aufeinander zugehen und dass persönliche Kontakte am besten helfen, Barrieren zwischen den Kulturen abzubauen", sagte Dr. Bernadette Jonda vom Institut für Soziologie der Johannes Gutenberg-Universität bei einem Treffen polnischer und deutscher Wissenschaftler in Mainz. Anlass der Zusammenkunft ist die deutsche Veröffentlichung des Buches "Junge Deutsche und junge Polen. Eine Chance für gute Nachbarschaft", eine Publikation, die das Institut für Soziologie zusammen mit der Partneruniversität in Warschau im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres 2005/2006 erstellt hat. "Das Institut für Soziologie an unserer Universität blickt auf eine langjährige Zusammenarbeit mit polnischen Soziologen zurück. Internationaler wissenschaftlicher Austausch ist gerade in den Sozialwissenschaften vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Wandlungen in der Welt wichtig. Wenn im Mittelpunkt des gemeinsamen Forschungsinteresses junge Menschen stehen, ist dies besonders bedeutend" erklärte der Mainzer Soziologe Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Hradil.

    Das Deutsch-Polnische Jahr 2005/2006 ist eine Initiative der Regierungen Deutschlands und Polens mit dem Ziel, die wechselseitigen Beziehungen weiter zu vertiefen, Wissen über die Kulturen beider Länder zu vermitteln und Vorurteile abzubauen. "Wir konnten uns mit der Buchveröffentlichung, aber auch mit persönlichen Begegnungen am Deutsch-Polnischen Jahr beteiligen und über unsere bisherigen Studien hinaus einen Eindruck von den sich entwickelnden Beziehungen der beiden Länder gewinnen", sagte Jonda am Mittwoch, dem polnischen Nationalfeiertag zum Gedenken an die Verabschiedung der Verfassung im Jahr 1791. Eine Gruppe von Wissenschaftlern und Studierenden aus Mainz war im April dieses Jahres nach Warschau zu einem Workshop über "Junge Polen und junge Deutsche - endlich aus dem Schatten der Vergangenheit?" gereist - und kehrten begeistert zurück. Positive persönliche Erfahrungen in privaten Beziehungen zwischen Deutschen und Polen decken sich mit den Ergebnisse neuer Meinungsumfragen, die zeigen, dass die polnische Gesellschaft grundsätzlich nach guten Beziehungen zu Deutschen und zu Deutschland strebt - so etwa eine Umfrage vom Instytut Spraw Publicznych in Warschau, mit der sich die angehenden Mainzer Soziologen in Warschau vertraut machen konnten.

    Dem Anliegen, Wissen über den jeweils Anderen zu vermitteln, dient auch die deutschsprachige Veröffentlichung von "Junge Deutsche und junge Polen." Die Publikation will die deutschsprachigen Leser mit den Ergebnissen einer Studie "Junge Polen und junge Deutsche im neuen Europa" vertraut machen. Die Forschungsarbeiten dazu wurden von einem Team polnischer und deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Jahren 2001 bis 2003 durchgeführt, also noch vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union. Untersucht wurden Meinungen und Einstellungen von Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren zu wichtigen Lebensbereichen wie Familie, Schule, Freizeit, Wirtschaft, Politik und Kirche. Eine der zentralen Aussagen ist, dass insbesondere für die befragten polnischen, aber auch für die deutschen Jugendlichen die Familie einen hohen Stellenwert besitzt.

    Aufgrund der verschiedenen politischen Systeme in der Vergangenheit sowie kultureller Differenzen zeichnen sich hingegen im Bereich der Einstellungen zur Politik deutliche Unterschiede zwischen westdeutschen, ostdeutschen und polnischen Jugendlichen ab - hinterfragt man die Haltungen zur Demokratie, zu Patriotismus und zum Vertrauen in politische Institutionen. "Es stimmt, dass es mit der Einstellung der jungen Leute zur Demokratie gewisse Probleme gibt: in den östlichen Bundesländern Deutschlands wird die Demokratie nicht angemessen gewürdigt, in Polen nicht genügend praktiziert", erklärte Prof. Dr. Miroslawa Grabowska von der Universität Warschau zu den Ergebnissen.

    Dieser Befund spiegelt sich in gewisser Weise auch in den Erhebungen zum gesellschaftlichen Engagement der Jugendlichen wider. Demnach gehören in Westdeutschland 63 Prozent der Befragten mindestens einer Organisation der Zivilgesellschaft (z.B. Sport- und Freizeitvereine, Jugendorganisationen) an, in Ostdeutschland waren es 56 Prozent. "Dagegen zeigen nur 37 Prozent der polnischen Jugendlichen ein bürgerschaftliches Engagement", sagte Dr. Tadeusz Szawiel aus Warschau.

    Im Hinblick auf das Verhältnis der beiden Länder und seiner jungen Bewohner erhielten die Erhebungen auch Fragen zu gegenseitigen Sympathien und Antipathien. "Die Verteilung der nationalen Sympathien der jungen Polen belegt, dass die deutschen Nachbarn beliebter sind als die Nachbarn im Osten und Süden", kommentierte Prof. Dr. Krzysztof Kosela von der Partneruniversität in Warschau. Jedoch weist die Bereitschaft in der polnischen Gesellschaft, auf historische Ereignisse und Erfahrungen zurückzugreifen, darauf hin, dass dies eine spezifische Sympathie ist, die abgesichert werden muss. Glücklicherweise sind es nicht mehr Grenzbefestigungsanlagen, die trennen, sondern das noch verbreitete Gefühl der Fremdheit. Dabei mag nach Auffassung von Kosela die festgestellte Verschiedenartigkeit z.B. in den religiösen Einstellungen die Jugendlichen aus dem jeweils anderen Land befremden. "Dies kann aber auch deren Neugierde wecken", so der Soziologe.

    Für die Zukunft und die weitere Entwicklung guter nachbarschaftlicher Beziehungen fragte die Studie, was denn den Aufbau guter Nachbarschaft zwischen Deutschen und Polen begünstige. "Um eine nicht nur symbolische, sondern verbindliche Nachbarschaft zu schaffen, muss man etwas über den europäischen Nachbarn wissen, man muss über gegenseitige positive Gefühle und wechselseitiges Vertrauen verfügen", erläuterte Dr. Krystyna Ewa Siellawa-Kolbowska. Um solche Voraussetzungen zu schaffen, sei der deutsch-polnische Jugendaustausch besonders geeignet. Eine Befragung von über 500 Jugendlichen, die an Jugendaustauschmaßnahmen im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jugendwerks teilgenommen hatten, stimmt nach Auffassung von Siellawa-Kolbowska optimistisch. Unter den Befragten sind beispielsweise die Sympathien zu den Deutschen weiter verbreitet als bei den restlichen polnischen Jugendlichen, die deutsch-polnischen Beziehungen werden positiver wahrgenommen und es liegt ein fundierteres Wissen über Wirtschaft, Kultur und Geschichte Deutschlands vor. Die Teilnahme am deutsch-polnischen Jugendaustausch wurde als die wichtigste Informationsquelle über Deutschland und die Deutschen gewertet. Fast die Hälfte der Teilnehmer hat feste Kontakte zu deutschen Gleichaltrigen geknüpft. "Solche persönlichen Verbindungen legen die Grundlage für ein weiteres Zusammenwachsen der beiden Staaten", sagte Siellawa-Kolbowska.

    Am 4. Mai 2006 sind die polnischen Wissenschaftler zu Gast in Germersheim, wo sie im Rahmen der rheinland-pfälzischen Europawoche an einem Workshop mit den Studierenden im Fachbereich Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaft teilnehmen werden: eine weitere Gelegenheit, die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit jungen Menschen zu diskutieren, ein weiterer Baustein für ein konstruktives Miteinander von Deutschen und Polen in einem gemeinsamen Europa.

    Kontakt und Informationen:
    Dr. Bernadette Jonda
    Institut für Soziologie
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Tel. 06131 39-24027 oder 39-22692
    Fax 06131 39-23726
    E-Mail: jonda@mail.uni-mainz.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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