idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
16.05.2006 17:13

Schnelle Quallen

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Professor Thomas Holstein von der Heidelberger Ruprecht-Karls-Universität gelang es erstmals, die Geschwindigkeit zu ermitteln, mit der Quallen ihre Nesselfäden abschießen - Mini-Kollagene in den Nesselzellen halten extremem Druck stand

    Quallen - für Badende sind sie nicht nur unangenehm, sondern stellen manchmal durchaus eine Gefahr dar. Für Wissenschaftler dagegen sind sie spannende Forschungsobjekte und das nicht nur wegen ihrer Gifte, die teilweise, wie im Fall der Würfelqualle, selbst Menschen töten können. Die zu den Nesseltieren (Cnidaria) gehörenden Quallen sowie die Polypen, die nur eine andere Geschlechtsform des gleichen Tieres darstellen, schleudern den so genannten Nesselschlauch nämlich mit ungeheuer großer Geschwindigkeit aus den Nesselkapseln ihrem Beutetier oder Angreifer entgegen. Dabei gelingt es beispielsweise den im Süßwasser lebenden Polypen der Arten Hydra magnipapillata und Hydra oligactis sogar die Panzer winzig kleiner Krebse zu durchschlagen.

    Professor Thomas Holstein, Direktor des Instituts für Zoologie der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, konnte schon vor einigen Jahren nachweisen, dass die Entladung einer der schnellsten Prozesse im Tierreich ist.

    "Bisher konnten maximal 40 000 Bilder pro Sekunde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen werden", erläutert Thomas Holstein. Damit war es nicht möglich, den Vorgang des Herausschleuderns der Stilette detailliert in Bildern festzuhalten und so aufgrund der Bildfolge auf die Geschwindigkeit dieses Ereignisses zu schließen.

    Jetzt ist es dem Heidelberger Wissenschaftler aber gelungen, die Geschwindigkeit, mit der die tödlichen Geschosse der Süßwasserpolypen abgefeuert werden zu ermitteln (Current Biology, Vol. 16, No9, 316-318). Durch die von der Firma Hamamatsu Photonics Deutschland, die auch am Heidelberger Nikon Imaging Center beteiligt ist, zur Verfügung gestellten Hochgeschwindigkeitskamera, die ansonsten im Bereich der Ballistik zum Einsatz kommt, wurden derartige Aufnahmen möglich. Schließlich bringt es diese Spezialkamera auf mehr als 1,4 Millionen Bilder pro Sekunde.

    "Das Abschießen des Nesselfadens erfolgt innerhalb von 700 Nanosekunden", erklärt der Biologe Holstein. Daraus ergibt sich eine Beschleunigung der Nesselfäden von mehr als dem Fünfmillionenfachen der Erdanziehung. Diese Beschleunigung ist notwendig, damit die geringe Masse von nur wenigen Nanogramm so beim Aufprall den Panzer der Beute durchschlagen kann. Die Kräfte, die dabei entstehen, sind vergleichbar mit denen einer Gewehrkugel.

    Um diese ungeheure Kraft zu entwickeln, ist innerhalb der Nesselkapseln ein sehr hoher Druck vorhanden, der den der Erdatmosphäre um etwa das 150fache übersteigt. Das System ist somit vergleichbar einer vorgespannten Feder. Eine normale Zellwand würde diesem Druck nicht standhalten, deshalb besteht die Nesselkapsel aus speziellen Proteinen, den so genannten Mini-Kollagenen. Kollagene gelten als besonders reißfest. Den Molekularbiologen Holstein interessiert natürlich nun die Struktur der Mini-Kollagene, die derartigen Kräften widerstehen. Könnten sich doch aus diesen besonders reißfesten Molekülen auch biotechnologische Anwendungen ergeben.

    Aber auch aus der Sicht der Grundlagenforschung sind die Mini-Kollagene von größtem Interesse. Bisher ist bekannt, dass Kollagene in der Evolution erstmals in tierischen Zellen auftraten. Doch wäre es auch möglich, dass Mini-Kollagene mit ihrer speziellen Struktur evolutionsgeschichtlich schon früher entwickelt wurden, denn manche Einzeller weisen den Nesselkapseln ähnliche Strukturen auf.
    Stefan Zeeh

    Rückfragen bitte an:
    Prof. Dr. Thomas W. Holstein
    Molekulare Evolution und Genomik
    Institut für Zoologie der Universität Heidelberg
    Im Neuenheimer Feld 230
    69120 Heidelberg
    Tel 06221 545679 Fax 54 5678
    holstein@uni-hd.de

    Allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de
    http://www.uni-heidelberg.de/presse

    Irene Thewalt
    Tel. 06221 542311, Fax 542317
    presse@rektorat.uni-heidelberg.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).