FSU-Mediendienst
Editorisches Grossprojekt des Jenaer Kirchenhistorikers Markschies: Apokryphen: ,Die Bibel neben der Bibel"
Jena (18.08.97). An einer ,Bibel neben der Bibel" arbeitet der Jenaer Kirchenhistoriker Christoph Markschies. Nun ist der alerte, gerade 35 Jahre alte Theologie-Professor weiss Gott kein Ketzer oder Haeretiker, sondern er ist als Wissenschaftler einem spannenden Kapitel aus der Entstehungsgeschichte unserer ,kanonischen Bibel' auf der Spur. Zwar enthaelt das ,Buch der Buecher", so wie es im Regal eines jeden gutchristlichen Haushalts steht, im Neuen Testament vier Evangelien, eine Apostelgeschichte und Apokalypse sowie 21 Apostelbriefe; daneben aber gab und gibt es bis heute eine Vielzahl neutestamentlicher sogenannter apokrypher Texte, die keine Aufnahme in das Standardkompendium der Christenheit gefunden haben. Die Edition solcher Apokryphen setzt Markschies fort und stuetzt sich dabei auf die Textausgaben seiner beruehmten Vorgaenger Edgar Hennecke (1865-1951) und Wilhelm Schneemelcher (*1914) sowie auf den Nachlass des Kirchenhistorikers Ernst von Dobschuetz (1870-1936).
Die antike mehrheitskirchliche Christenheit hatte kaum ein Interesse, die apokryphen Schriften zu sammeln. Erst im Jahre 1703 veroeffentlichte ein Hamburger Philologe eine erste Zusammenstellung dieser Texte. Die bis heute verbreitetste Sammlung der ,neutestamentlichen Apokryphen" aber stammt von Edgar Hennecke, einem niedersaechsischen Landpastor und Harnack-Schueler. Sie enthaelt knappe Einleitungen, Literaturhinweise und deutsche UEbersetzungen und sollte - ganz im Stil des 19. Jahrhunderts - die landlaeufig unbekannten Quellen einem breiteren Publikum erschliessen. Durch seine Sammlung, die erstmals 1904 erschien, entstand gleichsam ein neues ,Neues Testament" neben dem kirchlich normierten Konvolut, quasi eine Bibel neben der Bibel. Nach dem Kriege uebertrug er dem spaeteren Bonner Kirchenhistoriker Wilhelm Schneemelcher das Werk. Dieser integrierte in die bewaehrte Sammlung die verschiedenen Evangelien, Apostelakten, -briefe und Apokalypsen, die seit 1924 durch die aufregenden aegyptischen Textfunde - etwa im oberaegyptischen Nag Hammadi - bekannt geworden waren. Er brachte den ,Hennecke" bis 1997 in insgesamt vier Auflagen heraus und uebertrug nun seinerseits 1996 das Werk an Christoph Markschies.
Der Jenaer Kirchenhistoriker muss bei seiner Neuausgabe die juengst erheblich veraenderte Forschungslage beruecksichtigen, die Einleitungen und UEbersetzungen gruendlich revidieren und die Kommentierung an vielen Stellen neu fassen. Wichtig sind auch neue Erkenntnisse ueber den Prozess der neutestamentlichen Kanonisierung sowie ueber Gestalt, Groesse und soziologisches wie theologisches Profil der Gruppen, die apokryphe Literatur produzierten. Daneben bearbeitet und ediert Markschies auch den Nachlass des ehemals in Halle lehrenden Neutestamentlers Ernst von Dobschuetz, den ihm die Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften anvertraut hat.
Dobschuetz plante fuer das Berliner Kirchenvaetercorpus ,Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte" eine wissenschaftliche Urtextausgabe der neutestamentlichen Apokryphen. Sein Nachlass enthaelt sorgfaeltige Handschrifteninventare und bis heute brauchbare Ausgabenfragmente. Diese Materialien werden in den naechsten Jahren soweit als moeglich veroeffentlicht und damit sowohl der naechsten Neuausgabe des ,Hennecke-Schneemelcher" wie auch als Vervollstaendigung dem Berliner Kirchenvaetercorpus zugute kommen.
Kontakt: Prof. Dr. Christoph Markschies Tel.: 03641/632055/6
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft
überregional
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Deutsch
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