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23.05.2006 18:06

Gedächtnis und Literatur im Realsozialismus

Christel Lauterbach Presse, Kommunikation und Marketing
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Tagung der Germanistik mit Ausstellung, Podiumsdiskussion und Autorenlesungen vom 29. bis 31. Mai 2006 in Gießen

    Das Institut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen veranstaltet vom 29. bis 31. Mai 2006 eine Tagung zum Thema "Gedächtnis und Literatur in den ,geschlossenen Gesellschaften' des Real-Sozialismus zwischen 1945 und 1989". Die Tagung, die im Anschluss an den Weltkongress des P.E.N. in Berlin stattfindet, wird ergänzt durch Lesungen und Gespräche mit Eleonora Hummel, Mainat Kourbanova, Werner Söllner und Andrzej Zawada. Außerdem wird eine Ausstellung von Harald Hauswald in Verbindung mit Lutz Rathenow unter dem Titel "Gewendet" gezeigt, und es findet eine Podiumsdiskussion zum Thema statt. Veranstalter sind Prof. Dr. Carsten Gansel, Prof. Dr. Wolfgang Gast, Werner Liersch vom Präsidium des P.E.N.-Zentrums Deutschland, und Dr. Pavel Zimniak, Universität Zielona Gora/Institut für Germanistik.

    Ausgehend von der kulturwissenschaftlichen Unterscheidung in kommunikatives, kulturelles und kollektives Gedächtnis befasst sich die Tagung mit der Frage, auf welche Weise das "Gedächtnis der Literatur" in der SBZ/DDR und in den anderen Ländern des so genannten 'Real-Sozialismus' funktioniert hat. Es geht mithin um Besonderheiten der Ausprägung des kulturellen Gedächtnisses in totalitären bzw. autoritären politischen Systemen und darum zu zeigen, wie über das Zusammenspiel von narrativen, ikonischen und rituellen Formen das kulturelle Gedächtnis in den sich als "Diktatur des Proletariats" verstehenden Gesellschaften geformt wurde.

    Der Umgang mit dem Gründungsmythos Antifaschismus, dem Lagerdiskurs, dem Kriegserlebnis, dem Holocaust oder der Flucht und Vertreibung gibt exemplarisch Auskunft darüber, wie ein spezifisches kulturelles Gedächtnis in den Ländern des Real-Sozialismus ausgeformt wurde und mit welcher Absicht welche Gründungsmythen über narrative, ikonische wie rituelle Formen in das kulturelle Gedächtnis 'transportiert' wurden.

    Die Eröffnung der Ausstellung "Gewendet" mit Bildern von Harald Hauswald in Verbindung mit Lutz Rathenow findet am Montag, den 29. Mai 2006, um 19.00 Uhr in der Fachbibliothek Germanistik statt. Der Fotograf Harald Hauswald hat mit seiner Kamera Orte und Momente vor und nach dem Mauerfall eingefangen. Gemeinsam mit dem Berliner Autor Lutz Rathenow veröffentlichte er kürzlich den Bildband "Gewendet" (2006), der feinsinnig deutsche Geschichte in Texten und Fotos dokumentiert. Im Anschluss findet ab 19.30 Uhr eine Podiumsdiskussion mit Harald Hauswald, Lutz Rathenow, Joachim Walther und Andrzej Zawada u.a. im Ausstellungsraum der UB, Philosophikum I (Otto-Behaghel-Straße 8) statt.

    Autorenlesungen mit Eleonora Hummel, Mainat Kourbanova, Werner Söllner und Andrzej Zawada stehen am Dienstag, den 30. Mai 2006, ab 19 Uhr auf dem Programm.

    Eleonora Hummel, geboren in Kasachstan, siedelte 1982 in die DDR über und lebt heute in Dresden. Nach der Schulzeit in der DDR ließ sie sich zunächst zur Physiklaborantin ausbilden. In erster Linie aus der entdeckten Freude an Sprachen erwuchs der Wunsch, sich zur Fremdsprachensekretärin für Englisch und Spanisch weiterzubilden. Seit Mitte der 90-er Jahre tritt Eleonora Hummel mit Prosabeiträgen und literarischen Artikeln in unterschiedlichen Zeitschriften verstärkt an die Öffentlichkeit. In den Jahren 2000 bis 2004 erarbeitete sie ihr erstes Romanmanuskript. Im Frühjahr 2005 wurde es unter dem Titel "Die Fische von Berlin" (Steidl Verlag/Göttingen) veröffentlicht und 2006 mit dem Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis der Robert Bosch Stiftung ausgezeichnet.

    Mainat Kourbanova wurde 1974 in Grosny geboren. Bevor sie für diverse russische Massenmedien zu berichten begann, absolvierte sie ein Studium an der Fakultät für Journalistik an der Technischen Staatlichen Universität. Mit Beginn des zweiten Tschetschenien-Krieges arbeitete sie als Korrespondentin der Moskauer Zeitung "Nowaja Gazeta" und für die Radiostation "Swoboda" und dokumentierte die Gewalt und Zerstörung in der Krisenregion. Ihre journalistischen Darstellungen und Reportagen waren unter dem Pseudonym Mainat Abdulajewa in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" abgedruckt. Im Jahre 2003 war Mainat Kourbanova für den Andrej-Sacharov-Preis "Journalistik der Tat" vorgeschlagen. Aufgrund mehrerer Morddrohungen gegen sie und ihr Kind musste sie Russland verlassen. Seit November 2004 ist Mainat Kourbanova Stipendiatin des "Writers in Exile"-Programms, dessen Initiativen vom deutschen Ministerium für Kultur und Medien gefördert werden.

    Werner Söllner gehört zu den deutsch-rumänischen Intellektuellen, die Anfang der 1980-er Jahre in Konflikt mit dem rumänischen Regime unter Nicolae Ceausescu gerieten. 1951 in Horia (Rumänien) geboren, studierte er bis 1975 Physik, Germanistik und Anglistik in Klausenburg. Nach einer zwischenzeitlichen Lehrertätigkeit arbeitete er als Lektor bei einem rumänischen Kinderbuchverlag und war Leiter des Bukarester Poesie-Clubs der u.a. auch Lesungen mit deutschen Literaten organisierte. 1982 siedelte Werner Söllner ins Rhein-Main-Gebiet über und arbeitet seitdem als freischaffender Autor und Übersetzer. Erstmalig 1988 war er Mitveranstalter der Werkstattgespräche mit den Autoren des "Jungen Literaturforums Hessen". Neben seiner Tätigkeit als Herausgeber veröffentlicht Werner Söllner eigene Prosaschriften und Gedichte in nationalen und internationalen Anthologien und Zeitschriften. 1988 erschien sein Gedichtband "Kopfland. Passagen" (Suhrkamp). Daneben liegen von ihm (Ammann Verlag, Zürich) "Der Schlaf des Trommlers" (1992) und "Freundschaft der Dichter. Ein Lesebuch des Künstlerhauses Edenkoben" (1997) vor.

    Andrzej Zawada, geboren 1948, ist seit 1966 wohnhaft in Wroclaw (Breslau), wo er an der dortigen Universität von 1966 bis 1971 Polonistik studierte. 1979 reichte er seine Promotion ein; 1989 folgte die Habilitation. Andrzej Zawada ist seit 1992 Professor an der Universität Wroclaw. Er publiziert Literaturkritiken und Essays und übersetzt aus dem Englischen, Finnischen und Schwedischen. Gastprofessuren führten ihn u.a. an die Abo Akademie (Finnland), Turun Yliopisto (Finnland) und die Rijksuniversität Groningen (Holland). Derzeit hält er Vorlesungen u.a. in Stockholm und Uppsala. Andrzej Zawada liest in polnischer und deutscher Sprache aus seinem Buch "Bres?aw".

    Termine:

    Tagung "Gedächtnis und Literatur in den 'geschlossenen Gesellschaften' des Real-Sozialismus zwischen 1945 und 1989" vom 29. Mai bis 31. Mai 2006 im Gästehaus der Justus-Liebig-Universität Gießen (Rathenaustraße 24 A);
    Ausstellung "Gewendet" (Harald Hauswald / Lutz Rathenow) ab Montag, den 29. Mai 2006 um 19 Uhr in der Fachbibliothek Germanistik (Philosophikum I, Otto-Behaghel-Straße 10, Haus B), Öffnungszeiten: Mo-Do 8.30-17.30 Uhr, Fr 8.30-15.30 Uhr;
    Podiumsdiskussion mit Harald Hauswald, Lutz Rathenow, Joachim Walther und Andrzej Zawada u.a. ab 19.30 Uhr im Ausstellungsraum der UB, Philosophikum I, Otto-Behaghel-Straße 8;
    Autorenlesungen mit Eleonora Hummel, Mainat Kourbanova, Werner Söllner und Andrzej Zawada am Dienstag, den 30. Mai 2006, ab 19 Uhr
    o im Philosophikum I, Hörsaal 2
    o im Philosophikum I, Haus B, Raum 128 (1. Stock) und Raum 210 (2. Stock)
    o im Ausstellungsraum der UB, Philosophikum I, Otto-Behaghel-Straße 8.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Carsten Gansel
    Institut für Germanistik und P.E.N.
    Otto-Behaghel-Straße 10, 35394 Gießen
    Telefon: 0641 99-29145
    E-Mail: Carsten.Gansel@germanistik.uni-giessen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.zmi.uni-giessen.de/home/index.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kunst / Design, Musik / Theater, Politik, Recht, Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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