Die Grüne Gentechnik bietet für die Entwicklungsländer große Chancen. Ein internationaler Workshop der Akademienunion erarbeitete eine unabhängige Stellungnahme
Nicht ideologische Grundhaltungen, sondern ausschließlich wissenschaftlich überprüfte Fakten sollten die Diskussion um die Grüne Gentechnik bestimmen. Mit dieser Forderung endete am 27. Mai 2006 in Berlin ein internationaler Workshop, zu dem die Akademienunion im Auftrag des "InterAcademy Panel" (IAP) eingeladen hatte. Es wurde ein unabhängiges Statement zur Bedeutung gentechnisch veränderter Nahrungsmittelpflanzen für die Entwicklungsländer erarbeitet. Falls die 92 dem IAP weltweit angehörenden Wissenschaftsakademien die Stellungnahme unterschreiben, wird sie offiziell als Stellungnahme der internationalen Wissenschaft auf der Generalversammlung des IAP im Dezember dieses Jahres in Kairo verkündet.
Die Delegierten aus China, Ägypten, Indien, den USA und Europa haben sich in ihrem Entwurf auf folgende Hauptpunkte geeinigt:
1. Lebensmittel aus geprüften, gentechnisch veränderten Kulturpflanzen sind sicher für Mensch und Tier.
2. Sie sind keine Gefahr für die Umwelt.
3. Nicht nur große Unternehmen, sondern vor allem kleine Bauern profitieren von den gentechnisch veränderten Kulturpflanzen. Die Technologie trägt dazu bei, dass die Armut der Kleinbauern in Entwicklungsländern abgemildert wird.
4. Landwirtschaft mit gentechnisch veränderten Pflanzen und ökologische Landwirtschaft bilden keine unüberbrückbaren Gegensätze.
5. Gentechnisch veränderte Kulturpflanzen können einen wesentlichen Beitrag zu einer quantitativ und qualitativ besseren Versorgung mit Lebensmitteln leisten.
6. Bauern und Konsumenten in aller Welt sollten frei wählen können, ob sie gentechnisch veränderte Kulturpflanzen anbauen bzw. konsumieren möchten.
Angesichts der Fülle von Studien und guten Erfahrungen mit gentechnisch veränderten Kulturpflanzen fordern die Delegierten Regierungen und Nichtregierungsorganisationen dazu auf, ihre Kampagnen gegen die Grüne Gentechnik einzustellen. Transgene Pflanzen seien nicht per se gut oder schlecht, ihr Nutzen müsse von Fall zu Fall erwogen werden. "Es wäre viel gewonnen, wenn Bürger und Politiker bei jeder Behauptung zur Grünen Gentechnik nach wissenschaftlich fundierten Beweisen fragen würden", sagte Prof. Dr. Klaus Ammann, Prof. emerit. für Systematische Botanik und Geobotanik an der Universität Bern. "Die meisten Mythen, die Umweltorganisationen verbreiten, sind seit Jahren widerlegt."
Prof. Dr. Hans Walter Heldt, der Vorsitzende der Kommission Grüne Gentechnik der Akademienunion, wies darauf hin, dass es unverantwortlich sei, wie sehr die skeptische Haltung der Europäer auf die Entwicklungsländer zurückstrahle: "Europa ist ein Vorbild. Und aus Angst, ihre Produkte nicht nach Europa verkaufen zu können, schrecken viele Bauern und Regierungen vor der neuen Technologie zurück." Dabei biete die Grüne Gentechnik gerade für die Entwicklungsländer große Chancen: Es würden unter anderem Sorten entwickelt, die weniger anfällig gegen Dürren sind und auf salzhaltigem Boden gedeihen. So könnten künftig auch Flächen genutzt werden, die bisher für die Landwirtschaft nicht zu gebrauchen sind. Lokale Arten könnten so verändert werden, dass sie mehr Nährstoffe und Vitamine enthielten und so der Mangelernährung entgegen wirkten.
Auch die Sorten, die heute schon verkauft werden, lohnten sich trotz des höheren Preises für die Bauern, da sie höhere Erträge erzielten und durch Resistenzen gegen Bakterien, Viren und Pilze bis zu 70 Prozent weniger Gifte auf ihren Feldern versprühen müssen. Dass von den 8,5 Millionen Bauern, die in 21 Ländern weltweit die Grüne Gentechnik nutzen, etwa 90 Prozent aus der Dritten Welt stammten, sei der beste Beweis dafür. Die chinesischen Teilnehmer bekräftigten dies mit einem Bericht aus ihrem Land: Baumwolle werde in China vor allem durch Kleinbauern mit einem durchschnittlichen Landbesitz von 0,4 Hektar angebaut. 70 Prozent von ihnen sei inzwischen auf genetisch veränderte Insekten-resistente Baumwolle umgestiegen, wodurch sie ihr Einkommem erheblich verbessern konnten.
Ammann widersprach vehement der Annahme, dass nur die großen westlichen Firmen in den Entwicklungsländern an den gentechnisch veränderten Pflanzen verdienten. 85 Prozent der gentechnischen Anwendungen in der Dritten Welt würden aus öffentlichen Mitteln finanziert, der Anteil der großen multinationalen Konzerne betrage nur ein Prozent. In den großen Projekten, die im Moment beginnen, habe die Industrie nur ein kleines Anrecht, Technologie einzubringen - und das auch nur ohne das Festschreiben von Lizenzgebühren für die kleinen Bauern.
Der Workshop in Berlin ist Teil der IAP-Initiative, den Nutzen gentechnisch veränderter Pflanzen einzuschätzen. Die Akademienunion engagiert sich bereits seit längerem im Auftrag des IAP für eine wissenschaftlich unabhängige und sachlich fundierte Beratung der Bevölkerung zu Fragen der Grünen Gentechnik. Sie hat deshalb 2004 ein Memorandum zur Sicherheit gentechnisch veränderter Lebensmittel veröffentlicht, das in mehrtausendfacher Auflage verteilt wurde und immer noch stark nachgefragt wird. Es ist auf den Webseiten der Akademienunion zu finden unter:
http://www.akademienunion.de/_files/memorandum_gentechnik/memorandum_gruene_gentechnik.pdf
Außerdem erstellte Prof. Dr. Hans Walter Heldt, der Vorsitzende der Kommissi-on Grüne Gentechnik der Akademienunion, eine Literatursammlung zu gen-technisch veränderten Pflanzen, die aus rund 240 Publikationen besteht und ein ausgezeichnetes Nachschlagewerk darstellt. Sie ist abrufbar unter:
http://www.akademienunion.de/publikationen/literatursammlung_gentechnik/
Ausgewählte Schriften, die die obigen Statements untermauern, sind in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften und Verlagen mit Peer-Review-Verfahren publiziert worden:
Cohen, J.I. (2005): Poorer nations turn to publicly developed GM crops. In: Na-ture Biotechnology, 23, 1, S. 27-33.
<www.botanischergarten.ch/PublicSector-Danforth-20050304/Cohen-Naturebiotech-2005.pdf >
Ammann, K. (2005): Effects of biotechnology on biodiversity: herbicide-tolerant and insect-resistant GM crops. In: Trends in Biotechnology, 23, 8, S. 388-394.
http://www.botanischergarten.ch/TIBTECH/Ammann-TIBTECH-Biodiversity-2005.pdf
Chrispeels, M.J. (2000): Biotechnology and the poor. In: Plant Physiology, 124, 1, S. 3-6.
Hucho, W., Brockhoff, K., van den Daele, W., Köchy, K., Reich, J., Rheinberger, H., Müller-Röber, B., Sperling, K., Wobus, A., Boysen, M., & Kölsch, M. (2005): Gentechnologiebericht, Analyse einer Hochtechnologie in Deutschland. Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, München. ISBN: 3-8274-1675-2, S. 580.
<www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/gentechnologiebericht/bilder/Kurzfassung/download >
Ihre Ansprechpartner
Prof. emerit. Dr. Hans Walter Heldt,
Vorsitzender der Kommission Grüne Gentechnik der Union der deutschen Aka-demien der Wissenschaften und Delegierter im IAP,
Tel.: 0551 / 22 463, E-Mail: HansWalterHeldt@aol.com
Prof. emerit. Dr. Klaus Ammann,
Prof. für Systematische Botanik und Geobotanik an der Universität Bern; Mitarbeiter in der Africa Harvest Biotech Foundation International http://supersorghum.org; Kommission Grüne Gentechnik der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, Delegierter im IAP
Tel.: 0041 / 794 29 7062 E-Mail: klaus.ammann@ips.unibe.ch
Myriam Hönig,
Öffentlichkeitsarbeit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, Tel.: 030 / 325 98 7370, E-Mail: hoenig@akademienunion-berlin.de
An dem internationalen Workshop zur Grünen Gentechnik nahmen teil:
Dr. Ismail abdelHamid, Egypt Biotechnology Information Center (EBIC),
Agricultural Genetic Engineering Research Institute (AGERI), Agricultural Research Center (ARC); Kairo / Ägypten
Prof. Dr. Klaus Ammann, Prof. emerit. für Systematische Botanik und Geobotanik an der Universität Bern; Mitarbeiter in der Africa Harvest Biotech Foundation International; Kommission Grüne Gentechnik der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften; Bern / Schweiz
Prof. Dr. Maarten Chrispeels, Center for Molecular Agriculture, Division of Biological Sciences , University of California San Diego; San Diego / USA
Prof. Dr. Gerhard Gottschalk, Präsident der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften; Institut für Mikrobiologie und Genetik, Universität Göttingen; Göttingen / Deutschland
Prof. Dr. Hans Walter Heldt, Kommission Grüne Gentechnik der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften der Universität Göttingen; Göttingen / Deutschland
Prof. Dr. Klaus-Dieter Jany, Leiter des Molekularbiologischen Zentrums an der Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Karlsruhe; Kommission Grüne Gentechnik der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften; Karlsruhe / Deutschland
Prof. Dr. Vivian Moses, Kings College, Division of Life Sciences; London / UK
Prof. Dr. Georges Pelletier, Génétique et Amélioration des Plantes INRA Ver-sailles; Cedex / Frankreich
Prof. Dr. Yufa Peng, Chinese Academy of Agricultural Sciences,
Institute of Plant Protection, Biosafety Research Centre; Peking / China
Prof. Dr. Zhen Zhu, Institute of Genetics and Developmental Biology, Deputy Director, General of Bureau of Life Sciences & Biotechnology; Peking / China
Das Statement entstand außerdem unter Mitarbeit von:
Prof. Dr. Kameswara Rao, Foundation for Biotechnology Awareness and Edu-cation, Basavanagudi; Bangalore / Indien
Prof. Dr. Jocelyn Webster, Executive Director of AfricaBio (Nonprofit organisati-on serving as a forum for discussion on biotechnical issues in Africa); Irene / Südafrika
Das InterAcademy Panel (IAP) ist ein weltweites Netzwerk von 92 Wissenschaftsakademien. Es wurde 1993 mit dem Ziel gegründet, die Bürger und Politiker in den Heimatländern der Akademien zu aktuellen Fragestellungen mit globaler Relevanz wissenschaftlich zu beraten. Es hat bisher unter anderem Stellungnahmen zur wachsenden Weltbevölkerung (1994), zur nachhaltigen Entwicklung (2000), zur Zugänglichkeit wissenschaftlicher Informationen (2003) und zur Biosicherheit (2005) herausgegeben. Der Sitz des IAP-Sekretariats ist im italienischen Triest.
Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von sieben Wissenschaftsakademien, die sich zur Umsetzung gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen haben. Unter dem Dach der Union sind mehr als 1600 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedenster Fachrichtungen vereint, die zu den national und international herausragenden Vertretern ihrer Disziplinen gehören. Die Union koordiniert das "Akademienprogramm", das eines der größten und bedeutendsten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland darstellt. So ist die Union zuständig für die Koordinierung und Durchführung gemeinsamer Forschungsvorhaben ihrer Mitgliedsakademien. Sie empfiehlt die Bildung von Schwerpunkten für verwandte Projekte, fördert die Kommunikation zwischen den Akademien und betreibt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sie kommuniziert mit Wissenschaftsorganisationen des In- und Auslandes und entsendet Vertreter in nationale und internationale Wissenschaftsorganisationen. Eine organisierte Zusammenarbeit der deutschsprachigen Akademien der Wissenschaften gibt es bereits seit über 100 Jahren. Sie geht zurück auf das soge-nannte "Kartell", das 1893 in Leipzig für die Betreuung von über 30 gemeinsamen Akademie-Forschungsvorhaben gegründet wurde.
http://www.akademienunion.de
http://www.akademienunion.de/_files/memorandum_gentechnik/memorandum_gruene_gent...
http://www.akademienunion.de/publikationen/literatursammlung_gentechnik/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Informationstechnik, Tier / Land / Forst
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen, Wissenschaftspolitik
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).