Ost- und westdeutsche Mentalitäten:
Kontraste oder Parallelen?
Studie zur kulturellen und politischen
Identitätsbildung ostdeutscher Generationen
Seit der deutschen Vereinigung stellt sich die Frage, ob, wie und wann eine Integration der neuen, gesamtdeutschen Gesellschaft möglich ist. Dominieren zwischen ost- und westdeutschen Mentalitäten Unterschiede oder Ähnlichkeiten, Kontraste oder Parallelen? Bei Vergleichen der beiden Landesteile, die die Chancen und Hemmnisse einer bisher zweifellos nicht erreichten "inneren Einigung" abwägen, werden in bisher vorliegenden Untersuchungen für die neuen Bundesländer entweder Eigenständigkeiten in der Entwicklung von Normen und Einstellungen oder weitgehende Übereinstimmungen zwischen Ost und West, aber auch Verzögerungen im Osten bis hin zu einem unterbliebenen Wertewandel in der Zeit der DDR konstatiert.
Eine soeben erschienene Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), Berlin, zeigt, daß jede dieser Einschätzungen als isoliertes Ergebnis gleichermaßen zutreffend wie verfehlt und begrenzt ist. Vier ostdeutsche Generationen der Geburtsjahre vom Ende der 30er bis zum Beginn der 70er Jahre zeigen deutliche Parallelen zu den entsprechenden westdeutschen. Aber jede dieser ostdeutschen Generationen wird durch staatliche Repression, Dominanz alter Eliten - der Weimarer Generation - und kulturelle Isolation gebrochen und in die Statik der DDR gezwungen. Die spiegelbildlichen Ansätze der Mentalitätsentwicklung konnten sich nicht zu breiten Bewegungen ausweiten, so daß aus parallelen Einstellungen und Motiven in Ost und West gegensätzliche Generationsformen entstanden.
Durch das sozialistische Ziel einer "anderen Moderne", die zwar technische Entwicklungen und ökonomische Produktivität wie im Westen erreichen sollte, westliche Individualisierung, kulturelle und soziale Konflikte oder Spannungen aber auszuschließen suchte, bleibt in den neuen Bundesländern generationsübergreifend ein Gesellschafts- und Menschenbild bestehen, das die Vorstellungen von Politik und Kultur zutiefst prägt: Die Vorstellung einer Wesenhaftigkeit, eines wahren inneren Kerns oder Wesens, das den Einzelnen genau wie eine Gesellschaft oder Nation aus tiefstem Inneren bestimmt. Als Kultur gilt eben dieses innere Wesen und seine Entfaltung und Vervollkommnung. Jede ostdeutsche Generation, so sehr sie der entsprechenden des Westens ähnlich sein mag, mündet doch wieder in dieses tradierte Identitätsmuster ein, das im Westen durch den Wertewandel aufgelöst ist, aus dem jede ostdeutsche Generation aber auch ihr kulturelles Überlegenheitsgefühl gegenüber dem "oberflächlichen Westen" ableitet. Weniger materielle Ungleichheiten oder Fehler des Vereinigungsprozesses, sondern eher diese Kultur-, Gesellschafts- und Persönlichkeitsbilder verhindern bisher, daß die Ostdeutschen sich im vereinten Deutschland heimisch fühlen.
Weitere Informationen:
Dr. Albrecht Göschel
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E-Mail: goeschel@difu.de
Pressestelle:
Sybille Wenke-Thiem
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http://www.difu.de
Straße des 17. Juni 112, D-10623 Berlin
Der Text ist frei zum Abdruck - Belegexemplar erbeten.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Psychologie, Recht, Religion
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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