idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
01.12.1999 10:33

Streifzug durch die Geschichte der Medizin

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Rund 60 Teilnehmer hörten beim XIX. Würzburger medizinhistorischen Kolloquium ein Vortragsprogramm, das sich im wesentlichen auf Mittelalter und Neuzeit konzentrierte. Die Tagung, die am 30. Oktober in den Würzburger Barockhäusern stattfand, wurde veranstaltet von der Würzburger medizinhistorischen Gesellschaft in Verbindung mit dem Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg.

    Michael Sachs (Frankfurt/Main) befasste sich in seinem Vortrag mit einem der größten deutschen Chirurgen, Ernst von Bergmann (1836-1907), der 1878 ans Juliusspital nach Würzburg kam und vier Jahre später einem Ruf an die Chirurgische Universitätsklinik Berlin folgte. Der durch seine Teilnahme an zahlreichen Feldzügen erfahrene (Kriegs-)Chirurg beschritt unter anderem neue Operationsfelder, wie das der Hirnchirurgie, und verwendete neue Operations- und Wundbehandlungsmethoden. Sachs kommentierte anhand eines Films aus dem Jahr 1903, der wohl als ältester seiner Art gelten kann, die Besonderheiten einer Bergmannschen Unterschenkelamputation, zum Beispiel die außergewöhnliche Operationsgeschwindigkeit, den Verzicht auf Mundschutz- und Handschuhe oder die Schnitt- bzw. Sägetechnik.

    Einen "Streifzug durch die Geschichte der Augenheilkunde in Würzburg" unternahm Frank Krogmann aus Thüngersheim. Was das Mittelalter angeht, so verwies er unter anderem auf Ortolf von Baierland, der im 13. Jahrhundert in Würzburg als Arzt tätig war und in seinem "Arzneibuch" verschiedene Therapien gegen Augenschmerzen vorschlug. Er ging aber auch auf die bis ins 18. Jahrhundert tätigen fahrenden "Starstecher" oder "Okulisten" ein. Zu diesen gehörte etwa Dr. Eisenbart, der sich 1702 in Würzburg aufhielt.

    Weiter ging der Vortrag mit der Entwicklung seit dem 18. Jahrhundert. Seinerzeit hatten in Würzburg beispielsweise Carl Caspar von Siebold oder Karl Textor augenärztlich gearbeitet. 1840 wurde dann Heinrich Adelmann zum außerordentlichen Professor für Augenheilkunde ernannt, ehe Robert Ritter von Welz im Jahr 1866 die erste ordentliche Professur für Augenheilkunde in Würzburg übernahm. Seine 1855 eröffnete private Augenklinik wurde 1879 durch Schenkung zur ersten Würzburger Universitätsaugenklinik.

    Auf Welz folgten Julius von Michel - der den Bau einer neuen Augenklinik forderte, die dann 1901 am Röntgenring bezogen wurde - sowie Carl von Heß, Karl Wessely und Franz Julius Schieck. Unter ihnen sei die Augenklinik zu einer Stätte der Forschung und Lehre ersten Ranges erblüht, so der Referent. Seit den 50er Jahren standen der Würzburger Augenheilkunde dann unter anderem Walter Reichling (1951-1964) und bis 1987 der "Glaukom-Papst" Wolfgang Leydhecker vor. In seine Zeit fiel der Umzug ins Kopfklinikum in der Josef-Schneider-Straße.

    Martin Klein (Margetshöchheim) zog in seinem Vortrag eine kritische Bilanz zur Problematik des Hirntods. Er wollte die Entstehung der Konzeption Hirntod aus ihrer Entwicklung heraus verständlich machen. Ihm zufolge stammt die erste klare Beschreibung des dissoziierten Hirntodes, also des Gehirnausfalls bei bestehender Herz-Kreislauftätigkeit, von französischen Forschern, insbesondere von Mollaret und Goulon. Im Jahr 1968 folgte der Vorschlag einer Kommission der Medizinschule von Harvard, den Hirntod als neues Kriterium für den Tod einzuführen. Klein widersprach der bislang geltenden Lehrmeinung, nach der dem Hirntod "unwiederbringlich die Asystolie", also ein Kreislaufzusammenbruch folge. Laut Klein darf die bestehende Gleichung "Hirntod = Tod" nicht mehr aufrecht erhalten werden, seitdem A. Shewmon im Dezember 1998 nachgewiesen habe, "dass selbst die Tendenz zur Asystolie bei Hirntoten nur vorübergehend sein kann" und dass vier Prozent von 175 hirntoten Patienten länger als zwei Monate "überlebt" hätten.

    In seinem Beitrag "Warum sollten wir Menschen klonen?" ging es Axel W. Bauer aus Heidelberg vor allem um die Motive, die dem Streben nach der Klonierung möglicherweise zu Grunde liegen. So könnten nach Lee M. Silver zum Beispiel der Kinderwunsch unfruchtbarer Ehepaare bzw. homosexueller Paare oder das Klonen eines "genetischen Zwillings" zur Rettung eines leukämiekranken Kindes und die damit jeweils verbundenen "ökonomischen Interessen" eine Rolle spielen. Des weiteren stelle sich im Zusammenhang mit einer möglichen Klonierung von Menschen unter anderem die Frage, ob das Individuum lediglich die "Summe seiner Gene" ist und wie es um die "angebliche Manipulierbarkeit und Instrumentalisierbarkeit" geklonter Menschen steht. Ethisch höchst bedenklich erschien Bauer "nicht das Klonen von Menschen selbst, sondern vielmehr jenes reduktionistische Menschenbild, das durch die Klon-Debatten offenkundig geworden ist".

    Das Kolloquium wurde von Prof. Dr. Dr. Gundolf Keil, Vorstand des Instituts für Geschichte der Medizin, geleitet. Die Vorträge sollen in den "Würzburger medizinhistorischen Mitteilungen" des Jahres 2000 veröffentlicht werden.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geschichte / Archäologie, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).