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28.05.1997 00:00

"Pied-Piping"-Tagung

Dr. Wolfgang Hirsch Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    FSU-Mediendienst

    Dreitaegiger internationaler Kongress in Jena

    Liniguisten widmen sich dem ,Rattenfaenger" in der Sprache

    Jena (28.05.97). Ein dreitaegiger Linguistik-Kongress an der Friedrich-Schiller-Universitaet befasst sich vom morgigen Donnerstag bis Samstag (29-31.5.) mit dem sogenannten ,Pied-Piping"-Phaenomen. Die linguistischen Experten, die sich dazu in Jena austauschen wollen, kommen von wichtigen Zentren der linguistischen Forschung in Deutschland sowie in Frankreich, Italien, den Niederlanden, Ungarn und den Vereinigten Staaten. Die in zwoelf Vortraegen betrachteten Sprachen bzw. Sprachfamilien umfassen neben den germanischen Sprachen Deutschen, Englisch und Niederlaendisch verschiedene romanische und slawische Sprachen sowie das Griechische.

    Das ,Pied-Piping"- Phaenomen stellt eine grosse Herausforderung an restriktive linguistische Theorien dar, die davon ausgehen, dass der strukturellen Variation - moeglicherweise aus Gruenden der psychologischen und biologischen Grundausstattung des Menschen - enge Grenzen gesetzt sind. Insofern weist die wissenschaftliche Orientierung der Konferenz ueber das Phaenomen hinaus, das den konkreten Anlass gibt. Das uebergeordnet Thema ist - wie ueblicherweise in der generativen Linguistik - die Frage nach der Universalgrammatik und dem Design der natuerlichen Sprache.

    ,Pied Piping" weist sowohl einen technischen als auch einen konzeptuellen Aspekt auf. Es geht um Alternativen von syntaktischen Konstruktionen, die vermutlich in der einen oder anderen Form in allen Sprachen anzutreffen sind, z. B. im Deutschen ,Was fuer Buecher hat sich der Student besorgt?" im Vergleich mit ,Was hat sich der Student fuer Buecher besorgt?" Ein wohlgeformter Fragesatz kann durch die Voranstellung des Fragepronomens ,was" erzeugt werden.

    Wieso erlaubt sich das System dann noch eine weitere Version, bei der - wie beim Rattenfaenger von Hameln - dem Fragepronomen noch weiteres Material hinterherlaeuft, also hier der Teil ,fuer Buecher"? Ein extremerer Fall liegt bei der Relativsatzbildung vor: ,Das ist der Professor, den der Student nicht gewagt haette, nach 22 Uhr zu Hause anzurufen" im Vergleich mit ,Das ist der Professor, den nach 22 Uhr zu Hause anzurufen der Student nicht gewagt haette." Hier ist dem Relativpronomen quasi der gesamte infinitivische Satz ,nachgelaufen". Dem linguistischen Laien mag diese Variation als eine von vielen bunten Optionen auf der sprachlichen Spielwiese erscheinen.Tatsaechlich sind aber Sprachen im strukturellen Sinn erstaunlich rigide Gebilde, in denen kaum etwas dem Zufall ueberlassen bleibt.

    Die moderne generative Linguistik, die sich durch bahnbrechende Arbeiten des Amerikaners Noam Chomsky seit den 50er Jahren entwickelt hat, stellt heutzutage ein weltumspannendes Forschungsparadigma fuer die Untersuchung der Sprache und der menschlichen Sprachfaehigkeit dar. Sie hatte entscheidende Einfluesse auf unser jetziges Wissen ueber die formalen Grundlagen der Sprache und den Mechanismus des Spracherwerbs beim Kinde. Selbstverstaendlich verfuegt die generative Linguistik nicht nur ueber ein sprachphilosophisches Programm, sie ist auch eine ernstzunehmende formale Disziplin, deren Standards sie in die Naehe der Mathematik und der Automatentheorie ruecken.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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