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08.12.1999 11:44

Weltraumstart am 10. Dezember - Tübinger Physikstudenten beteiligt

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Weltraumstart am 10. Dezember -
    Tübinger Physikstudenten beteiligt

    Am 10. Dezember um 15:32 MEZ soll XMM, der bislang größte in Europa gebaute Forschungssatellit, mit einer Ariane-5 Rakete von Kourou in Französisch Guayana gestartet werden. Am Bau der wissenschaftlichen Nutzlast haben Wissenschaftler, Techniker und Studenten des Instituts für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen (IAAT) seit zehn Jahren mitgearbeitet. Auf die ersten Bilder dieses neuen Weltraumobservatoriums der Europäischen Weltraumorganisation ESA warten die Röntgenastronomen in Europa und weltweit mit Spannung.

    Röntgenastronomie ist ein relativ junger Zweig der Astrophysik, der sich in den vier Jahrzehnten seit der ersten Entdeckung von Röntgenstrahlung aussendenden kosmischen Objekten rasant entwickelt hat und zur Entdeckung einer Reihe von aufregenden neuen Phänomenen geführt hat. Ausgerüstet mit den größten jemals gebauten Röntgenteleskopen und seinen empfindlichen Röntgenkameras wird XMM unser Verständnis der energiereichen kosmischen Quellen einen weiten Schritt voran bringen und Hinweise auf die Entstehung des Universums liefern.

    Röntgenphotonen lassen sich mit normalen Linsen oder Spiegeln nicht abbilden. Um sie auf die elektronischen Kameras zu fokussieren, müssen sie an speziell geformten und extrem glatt polierten Goldoberflächen unter sehr spitzen Winkeln eingefangen werden. Dazu besitzt XMM drei Teleskope, die aus jeweils 58 konzentrisch ineinander geschachtelten dünnen Spiegelschalen aufgebaut sind. Diese Spiegelschalen sind nur etwa einen Millimeter dick, sie bestehen aus Nickel das auf der Innenseite mit Gold belegt ist. Die einzelnen Schalen wurden galvanisch von Mandrels abgeformt, die von der Firma Carl Zeiss in Oberkochen hergestellt wurden. Diese Abformkörper wurden mit einer Genauigkeit von einem Tausendstel Millimeter gefertigt und anschliessend solange poliert, bis die Oberfläche noch einmal Tausend mal glatter war. Ausgerollt würden die 174 dünnen Spiegel eine Fläche von 120 m2, also etwa die Größe eines Tennisplatzes, bedecken.

    Die von den Teleskopen eingefangenen Röntgenstrahlen werden im 7,5 m entfernten Fokus von Silizium-Bilddetektoren registriert. Diese Kameras können nicht nur Bilder der Röntgenquellen mit einer Ortsauflösung von einem Tausendstel Monddurchmesser machen, sondern auch die Ankunftszeit und die Energie ("Farbe") jedes einzelnen Photons mit hoher Genauigkeit bestimmen. Am Tübinger Institut wurde für diese Kamera die Ansteuer- und Ausleseelektronik entwickelt und die Flugeinheiten gebaut. Da man wegen der hohen Stahlenbelastung im Orbit nur langsame Prozessoren einsetzen kann, mußte ein eigener elektronischer Baustein, ein sog. ASIC, entwickelt werden, um die geforderte Rechenleistung bewältigen zu können. Das CCD Array wird alle 70 Millisekunden vollständig ausgelesen, so daß mehr als 2 Millionen Bildelemente pro Sekunde verarbeitet werden müssen. Bei der Entwicklung des ASICs haben die Astronomen eng mit den Tübinger Informatikern der Abteilung Graphisch-Interaktive Systeme des Wilhelm-Schickard-Instituts zusammengearbeitet. Diese fächerübergreifende Kooperation war so erfolgreich, daß beide Gruppen inzwischen an einem weiteren ASIC für ein anderes Weltraumprojekt arbeiten.

    An der Entwicklung der Röntgenkamera waren neben den Technikern und Wissenschaftlern des IAAT auch viele Studenten aktiv beteiligt. Allein 20 Physikstudenten haben während ihrer Diplom- oder Staatsexamensarbeiten zum Teil wesentliche Beiträge zu dem Projekt geleistet. Im internationalen Umfeld dieses Weltraumprojektes konnten sie dabei wichtige Erfahrungen für ihre spätere berufliche Zukunft sammeln.

    Der XMM Satellit wurde unter der Leitung der Firma Dornier in Friedrichshafen von einem europäischen Firmenkonsortium gebaut. Mit mehr als 10 m Länge und einem Startgewicht von 3,8 Tonnen ist er der größte jemals in Europa gebaute Forschungssatellit.
    70 Minuten nach dem Start werden seine beiden großen Sonnenpanele ausgefahren werden und den Satelliten mit Strom versorgen. Nach etwa einer Woche wird XMM seine endgültige Umlaufbahn um die Erde erreicht haben. Für einen Umlauf um die Erde braucht XMM genau 48 Stunden. Er wird sich dabei auf seiner elliptischen Bahn bis zu 114 000 km von der Erde entfernen, das entspricht fast einem Drittel der Entfernung zum Mond. Während eines Umlaufs können die Meßinstrumente fast 40 Stunden betrieben werden, sie müssen nur in der Nähe der Erde beim Durchgang des Satelliten durch die Strahlungsgürtel abgeschaltet werden.

    Nach dem hoffentlich erfolgreichen Start müssen sich die Tübinger Astronomen und ihre Kollegen noch einige Wochen gedulden bevor sie Mitte Januar ihre empfindlichen Kameras einschalten können. Nach einer ausführlichen Eichphase im Orbit wird mit den eigentlichen Beobachtungen Anfang Juni nächsten Jahres begonnen werden.

    Dieses Satellitenprojekt wird weiteren Generationen von Studenten Gelegenheit geben, in der Arbeitsgruppe für Röntgenastronomie des IAAT mit weltweit einzigartigen Daten an der vordersten Front der astrophysikalischen Forschung mitzuarbeiten. Die Arbeitsgruppe für Röntgenastronomie wird geleitet von Prof. Rüdiger Staubert, die Koordinierung der technischen Entwicklung für XMM lag in den Händen von Dr. Eckhard Kendziorra.

    Finanziert wird der Tübinger Beitrag zum XMM Projekt durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das seine Mittel vom Bundesministerium für Forschung und Technologie erhält.

    Adressen:

    Institut für Astronomie und Astrophysik
    Abteilung Astronomie
    Waldhäuser Str. 64
    72076 Tübingen
    Tel.: 07071 2976129
    FAX: 07071 293458

    Internet Homepage:
    http://astro.uni-tuebingen.de, dort findet man weitere Informationen mit Bildern zu XMM unter:
    ( Special Highlights and Topical News:
    "XMM will be lauched on December 10, 1999"
    ( Working Groups - Projects - Instruments:
    XMM

    Telefonnummern:

    Markus Kuster 29-75279
    Patrick Risse 29-78608


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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