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13.12.1999 16:52

Mikrostrukturierte Oberflächen für die Bioanalytik

Doris Banzhaf Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM

    Fraunhofer-Industrie-Workshop zum Bedarf in der Industrie und den laufenden Fraunhofer-Entwicklungen

    Mikrostrukturierte Oberflächen für die Bioanalytik
    Fraunhofer-Institute veranstalten Industrieworkshop

    Minutenschnelle Diagnose von Blutwerten in der Arztpraxis? Effiziente Screening-Verfahren, die der Pharma-Industrie helfen, neue Wirkstoffe zu finden? Der Bedarf an neuen Messmethoden in der Bioanalytik ist groß. Mit ihrer Hilfe lassen sich biologische Substanzen einfacher, schneller und genauer nachweisen als bisher. Wie das funktioniert, was heute schon machbar ist und wohin die zukünftige Entwicklung geht - darüber diskutierten Fachleute aus Forschung und Industrie in Freiburg. "Mikrostrukturierte Oberflächen für die Bioanalytik" lautete der Titel eines Workshops, am Dienstag, 23. November 1999, im Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM, an dem 40 Gäste aus Wirtschaft und Wissenschaft teilnahmen.

    Bioanalytiker sind ständig auf der Suche. Meist nach Molekülen, die sich nur schwer auffinden lassen - entweder weil sie extrem klein sind oder weil sie nur in sehr geringen Konzentrationen auftreten. Wie man solchen Substanzen mit optischen Messtechniken dennoch rasch auf die Schliche kommen kann, das war Thema des Fraunhofer-Workshops. Am Ende fasste Hansjörg Lerchenmüller vom Fraunhofer-Verbund "Optisch-funktionale Oberflächen", der den Workshop
    veranstaltete, die Ergebnisse des intensiven Gedankenaustausches zusammen: "Erstens: Es gibt ein klares Defizit an einfach bedienbaren Analysesystemen für die Bioanalytik. Zweitens: Direkte Nachweisverfahren haben hierbei deutliche Vorteile gegenüber den hauptsächlich am Markt verfügbaren indirekten Verfahren. Drittens: Durch neuartige Prägetechniken ist es nun möglich, die für direkte Nachweisverfahren benötigten mikrostrukturierten Oberflächen kostengünstig in Glas und Kunststoff abzuformen. Dadurch werden direkte Nachweisverfahren für viele Bioanalytik-Anwendungen interessant."

    Zum Beispiel für den Bereich der schnellen Screening-Verfahren (HTS: engl. High-Throughput-Screening), wie sie die Pharma-Industrie bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe und Medikamente einsetzt. Dr. Bürgisser von der Firma Discovery Technologies verdeutlichte in seinem Vortrag das enorme Marktpotential: "Eine Marktstudie hat ergeben, dass im Jahr 2000 weltweit bereits 1000 HTS-Anlagen laufen werden." Geschätztes Marktvolumen: 2,7 Milliarden US-Dollar. Tendenz stark steigend - alle zwei Jahre sei mit einer Verdopplung zu rechnen, so Dr. Bürgisser. Entscheidender Nachteil fast aller am Markt verfügbaren HTS-Systeme ist, dass sie die Reaktionsprodukte biochemischer Paarungen indirekt nachweisen - über Farbstoffe oder andere chemische Marker, die zuvor einer der Reagenzien zugefügt wurden. Der Haken dabei: Die Vorbehandlung mit Markierungsmolekülen kostet Zeit und Geld; außerdem beeinflussen die Marker den Reaktionsablauf oft negativ. Besser sind direkte Nachweisverfahren auf Basis optisch funktionaler Mikrostrukturen. Die arbeiten 'label-free', kommen also ganz ohne Marker aus. Das Fraunhofer IPM in Freiburg entwickelte sie zur Anwendungsreife. Weil die Herstellung der feinen optischen Strukturen im Inneren der Geräte bisher relativ teuer ist, konnten sich die labelfreien Messsysteme jedoch im HTS-Bereich noch nicht durchsetzen.

    Das kann sich bald ändern - dank neuartiger Prägetechniken, wie sie der Fraunhofer-Verbund "Optisch-funktionale Oberflächen" entwickelt. Teil des Verbundes sind neben dem Fraunhofer IPM auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE (Freiburg), für Silicatforschung ISC (Würzburg) und für Werkstoffmechanik IWM (Freiburg). Die strategische Allianz entwickelt Prägeverfahren, um auf Glas- oder Kunststoffoberflächen preiswert feinste Strukturen zu erzeugen - etwa optische Mikrostrukturen für direkte Nachweisverfahren in der Bioanalytik. "Die Prägetechnologie wird die Kosten für die optischen Komponenten deutlich senken - und dadurch die bei uns entwickelten direkten Nachweisverfahren für den HTS-Bereich interessant machen", sagt Dr. Albrecht Brandenburg, Abteilungsleiter bei Fraunhofer IPM. So ließen sich zum Beispiel preiswert optische Gitter in eine wellenleitende Schicht einer Mikrotitterplatte einprägen, eines für jede Reaktionskammer. Ein zum Auslesen verwendeter Laserstrahl gebe dann direkt Aufschluss über den Reaktionsverlauf in der jeweiligen Kammer. "Zur Messung lässt sich sowohl das Gitterkoppler-Prinzip als auch das interferometrische Verfahren einsetzen. Beide funktionieren online und hochgenau", erklärt Dr. Brandenburg. Geprägte mikrostrukturierte Oberflächen für den direkten Nachweis biochemischer Reaktionen haben das Potential, das Pharma-Screening zu revolutionieren. Ob sie sich am Markt durchsetzen, bleibt abzuwarten. Doch die Chancen stehen gut, denn, so Dr. Bürgisser von Discovery Technologies, "der Bedarf an direkten Nachweisverfahren in der HTS ist sehr groß."

    Auch in der medizinischen Diagnostik könnte dank optischer Mikrostrukturen aus Fraunhofer-Labors bald manches einfacher werden. Und schneller. Während Patienten nach einer Blutentnahme beim Arzt heute noch Tage auf das Laborergebnis der Untersuchung warten müssen, kann das morgen schon überflüssig sein, weil der Hausarzt alle wichtigen Blutwerte selbst bestimmt - preiswert und innerhalb weniger Minuten. Ein neuartiger Immunsensor macht's möglich. Herzstück des bei Fraunhofer IPM entwickelten Gerätes ist eine mikrooptische Struktur. Das Analysesystem kann schnell und empfindlich alle Substanzen nachweisen, gegen die sich Antikörper erzeugen lassen. Zum Beispiel Hormone.
    Dr. Alexander Lerchl, Endikronologe am Zoologischen Institut der Universität Karlsruhe, hat das IPM-Gerät mit Testosteron getestet. Sein Fazit: "Ein Nanogramm Testosteron pro Milliliter ist messbar. Das ist der klinisch relevante Bereich - da sind wir mitten in der Praxis." Als mögliche Anwendungen für das Messsystem sieht Dr. Lerchl nicht nur den Einsatz in Arztpraxen. Weil das Gerät auch anabole Steroide nachweisen kann, sei es für Doping-Tests ebenso einsetzbar wie in der Notfallmedizin - eben überall dort, wo es darum geht, Blut schnell und genau zu untersuchen. "In der Hormonanalytik besteht ein enormer Bedarf an einfach zu bedienenden, kostengünstigen Analysesystemen", beschreibt Dr. Lerchl die Situation. Und: Der IPM-Immunsensor habe das Potential, diese Lücke zu füllen.

    Bioanalytiker sind ständig auf der Suche. Gut möglich, dass sie bald schon schneller fündig werden. Die Fraunhofer-Entwickler arbeiten daran.

    Ralf Krauter


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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