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09.07.2006 13:00

Kanadische Wissenschaftler entdecken Depressions-Gen

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Kanadische Wissenschaftler haben ein Gen entdeckt, dessen Mutationen Menschen anfällig für schwere Depressionen machen kann. Auf dem Forum of European Neuroscience Societies in Wien, bezeichnete Professor Nicholas Barden vom Centre Hospitalier Université Laval (CHUL), Quebec, Kanada, am 9. Juli die Entdeckung des Gens P2RX7 als einen großen Durchbruch für die Psychiatrie. Sie werde erhebliche Auswirkungen für die Diagnose und die Entwicklung neuer anti-depressiver Therapien haben.

    Seit einigen Jahren ist bekannt, dass genetische Faktoren bei Depressionen und so genannten bipolaren Erkrankungen oder manischen Depressionen eine Rolle spielen. Doch die dahinterliegenden komplexen molekularen Netzwerke sind nach wie vor unbekannt. "Das Gen P2RX7 löst sowohl bei Tieren als auch beim Menschen Depressionen aus. Es hat viele Jahre gedauert, bis es entdeckt werden konnte", sagte der Neurowissenschaftler. Die Entdeckung dieses Gens ist für die Entschlüsselung der molekularen Signalwege, die bei Depressionen eine Rolle spielen, von großer Bedeutung. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit von Professor Barden sind in der Maiausgabe 2006 des American Journal of Medical Genetics * veröffentlicht worden.

    Etwa 5 - 12 Prozent Männer und 10 - 25 Prozent Frauen machen mindestens einmal im Leben eine schwere Depression durch. Menschen mit bipolaren Erkrankungen unterliegen sehr starken Stimmungsschwankungen. Schätzungen zufolge, kostet die Behandlung von Depressionen pro Jahr mehrere Milliarden Dollar. Wissenschaftler gehen davon aus, dass ab 2020 Depressionen an erster Stelle der Krankheitsbelastungen in ökonomisch entwickelten Ländern stehen werden.

    Bis vor kurzem nahmen Wissenschaftler an, dass das so genannte Serotonin-System im Gehirn an der Entwicklung von Depressionen entscheidend beteiligt ist. Das Hormon Serotonin kann Stimmungen und Gefühle beeinflussen. "Besonders bemerkenswert allerdings ist, dass das Gen P2RX7 überhaupt nichts mit Serotonin zu tun hat", betonte Professor Barden. Medikamente, die die Produktion von Serotonin erhöhen, können sehr effiziente Stimmungsaufheller sein, aber es dauert Wochen, bis sie wirken. Die Tatsache, dass P2RX7 nichts mit Serotonin zu tun hat, könnte zum Teil eine Erklärung dafür sein.

    Untersuchungen in Tieren haben außerdem gezeigt, dass das Gen in den Regionen des Gehirns aktiv ist, die mit Depressionen in Verbindung gebracht werden. So konnten Mäuse, deren Verhalten Depressionen ähnelte, erfolgreich mit Substanzen behandelt werden, die das Gen P2RX7 aktivierten.

    P2RX7 spielt auch bei der Reaktion des Gehirns auf Entzündungen eine Rolle, was von einer Reihe neuropsychiatrischer Erkrankungen bekannt ist. Weiter zeigte sich, dass Stresshormone die Aktivität dieses Gens reduzieren, woraus die Wissenschaftler schließen, dass starker Stress möglicherweise einen Mechanismus triggert, der schwere Depressionen zur Folge hat.

    Doch nicht jeder Träger des mutierten Gens entwickelt notwendigerweise eine Depression. Es komme auch auf weitere Faktoren an. "Wir wissen bisher nicht, wie P2RX7 funktioniert. Wir gehen aber davon aus, dass eine Vielzahl weiterer Gene den gleichen Signalweg benutzen, über den möglicherweise Depressionen ausgelöst werden", sagte Professor Barden.

    Die Identifizierung von P2RX7 bedeutet allerdings, dass dieses Gen in Zukunft direkt als Angriffsspunkt für eine Therapie gegen Depressionen genutzt werden kann. Die Anti-Depressiva, die derzeit das Serotonin-System im Visier haben, umgehen quasi das P2RX7-Gen. Tierversuche zeigen, dass Substanzen, die das P2RX7 Gen aktivieren, ihre antidepressive Wirkung sofort entfalten. "Wir hoffen, dass in Zukunft neue Anti-Depressiva mit einem neuen Wirkmechanismus entwickelt werden können".

    ABSTRACT SO6.4
    Notes to Editors Das Forum 2006 der Federation of European Neuroscience Societies (FENS) wird veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Neurowissenschaften und der Deutschen Neurowissenschaftlichen Gesellschaft. An der Tagung nehmen über 5000 Neurowissenschaftler teil. Die FENS wurde 1998 gegründet mit dem Ziel, Forschung und Ausbildung in den Neurowissenschaften zu fördern sowie die Neurowissenschaften gegenüber der Europäischen Kommission und anderen Drittmittelgebern zu vertreten. FENS ist der Europäische Partner der Amerikanischen Gesellschaft für Neurowissenschaften (American Society for Neuroscience). Die FENS vertritt eine große Zahl europäischer neurowissenschaftlicher Gesellschaften und hat rund 16 000 Mitglieder.

    *Published online in May 2006 American Journal of Medical Genetics Part B: Neuropsychiatric Genetics Volume 141B, Issue 4, 2006. Pages 374-382 http://www3.interscience.wiley.com/cgi- Copyright © 2006 Wiley-Liss, Inc.bin/fulltext/112605165/HTMLSTART. Analysis of single nucleotide polymorphisms in genes in the chromosome 12Q24.31 region points to P2RX7 as a susceptibility gene to bipolar affective disorder
    Nicholas Barden et al,

    Pressestelle während der Tagung:
    Austria Center Wien
    Raum U 557
    Tel.: ++43-(0)1-26069-2025
    8. - 12. Juli 2006

    Nach der Tagung:
    Österreich, Schweiz, Deutschland
    Barbara Ritzert
    ProScience Communications
    Andechser Weg 17, D-82343 Pöcking
    Tel.: ++49-(0)8157-9397-0
    Fax: ++49-(0)8157-9397-97
    ritzert@proscience-com.de


    Weitere Informationen:

    http://fens2006.neurosciences.asso.fr


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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