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10.07.2006 10:47

Die Zoologische Sammlung der Universität Rostock lebt

Dr.-Ing. Karl-Heinz Kutz Presse- und Kommunikationsstelle
Universität Rostock

    Wertschätzung und Funktionieren einer wissenschaftlichen Sammlung zeigt sich an mehreren Kriterien. Nach diesen war 2006 bisher ein hervorragendes Jahr für die jetzt 231 Jahre alte Zoologische Sammlung der Universität Rostock (internationales Kürzel ZSRO) und die mit ihr verbundene Allgemeine und Spezielle Zoologie (Biodiversitätsforschung). Kriterien sind z. B. die Zahl der abgenommenen Prüfungen, die Zahl der Diplomarbeiten (insgesamt 70, 2006 bisher 18), sowie der Promotionen (insgesamt 21). In den vergangenen drei Jahren wurden etwa 60 wissenschaftliche Veröffentlichungen in qualitativ hochrangigen Fachzeitschriften gelandet, daneben regionale Publikationen. Im Rahmen der "Vorweisungen" wurden bisher über 120 wissenschaftliche Vorträge für Öffentlichkeit und Studierende zugleich angeboten, mit oft ganz neuen Befunden aus der eigenen Arbeit, zumindest jedoch mit originellen Themen. Die Zoologische Sammlung wurde, trotz ihrer räumlichen Beschränkung und der nur begrenzten Zugänglichkeit (Führungen) des Schaumagazins im 2. Stock im laufenden Jahr von fast 7.000 Gästen besucht. Hinzu kommen natürlich noch Forscher, Volontäre und Studierende. Ganz besonders wichtig war der Neuzugang von Forschungsmaterial, mit dem sich jetzt der Bestand seit 1995 etwa verdoppelt hat.
    Eine zoologische Sammlung mit wissenschaftlichem Anspruch ist keine bloße Anhäufung von toten Tieren. Derzeit wird allgemein erkannt, dass die Erforschung der Vielfalt des Lebens fast hundert Jahre lang vernachlässigt wurde. Endlich beginnt derzeit eine Neuorientierung, einerseits aufgeschreckt vom gewaltigen Verlust an Tierarten (einschließlich der genutzten), andererseits angespornt durch neue, atemberaubende Entdeckungen von nutzbaren Molekülen und von vorbildlichen Techniken und Anpassungen im Tierreich.
    Museen werden dadurch wieder wertgeschätzt als Archive des Lebens. Allein ihre oft Jahrhunderte alten Originalbelege haben Beweiskraft: Die Textüberlieferung ist oft fehlerhaft, die alten Abbildungen sind oft unzureichend. Nur anhand der Sammlungen konnte in den letzten Jahren z. B. der dramatische Rückgang der Tagschmetterlinge in Deutschland und England aus dem Bereich subjektiver Eindrücke in gesichertes Wissen überführt werden. Die vielfältigen Ursachen der Verluste können jetzt erst ohne Vorurteile erforscht werden.

    Doch sind leider viel zu wenige Belege da: Nachdem z. B. seit Jahrzehnten eine Art von Flohkrebsen mit Massenvermehrung im Rhein die nächste jagt, besonders seit Eröffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals, wäre wichtig zu wissen, welche Art vor einem Jahrhundert den Fluss besiedelt hat. Leider wurden damals von diesen häufigen und ökologisch extrem wichtigen Tieren keine Proben konserviert. Zudem fassen die damals gebrauchten wissenschaftlichen Namen nach heutigem Wissen mehrere ähnliche Arten zusammen. Es gibt somit keine Möglichkeit mehr, die Identität der damaligen Tierwelt vor unserer Haustür in diesem und vielen anderen Fällen festzustellen.

    Originalmaterial ist zunehmend unentbehrlich, weil der methodische Fortschritt die Identifikation des Erbguts (DNA) an alten Belegen ggf. noch nach Jahrhunderten zulässt. Hinzu kommt, dass viele Objekte aus entlegenen Gegenden heute nicht mehr zu beschaffen sind, etwa in Folge von Aussterben, Rückgang, Exportverboten, aber auch durch die hohen Reise- und Personalkosten, die nicht beliebig immer wieder aufgebracht werden können.

    Nur an Originalen lassen sich anatomische oder stoffliche Einzelheiten nachuntersuchen. Nur ein Original kann man "begreifen", denn auch das schönste Bild bleibt flach.

    Zoologisches Originalmaterial ist ein Schatz, oft verkannt und noch ungehoben. Schon vor Jahren wurde pointiert die Forderung aufgestellt, Expeditionen nicht mehr in ferne Länder durchzuführen sondern in die naturwissenschaftlichen Museen.

    Die Strategie der Zoologischen Sammlung beruht auf drei Standbeinen:
    Konservierung und Pflege von identifiziertem Originalmaterial mit "Raum-Zeit-Koordinaten (Fundort und Funddatum). Hinzu können weitere Befunde treten wie Anzahl, Altersklasse, Lebensraum usw.
    Biographisches Material über die mit dem Belegstück befassten Personen: Sammler, Stifter, Bearbeiter. Wenn vorhanden, deren Tagebücher.
    Dokumentation der Erkenntnisse, die aus diesem Material für die Wissenschaft gewonnen wurden, z. B. alle Veröffentlichungen. Aber auch Nachweise für seine Wirksamkeit in Bildung und Ausbildung.

    Dabei ergeben sich geographische Schwerpunkte, aktuelle und traditionelle: Neben Europa besonders Vorder- und Westasien, Teile Afrikas, Teile Südamerikas, Australien und die Weltmeere. Die besondere Pflege bestimmter Tiergruppen ergibt sich aus dem Altbestand und den Forschungsinteressen der jeweils tätigen Wissenschaftler, z. B. Schwämme, Wassermollusken weltweit, Borstenwürmer, Krebse, Skorpione, Insekten (besonders Blattläuse, Flöhe, Federlinge), Fische und Vögel. Darüber hinaus sind Stücke aus dem gesamten Tierreich zu Lehr- und Schauzwecken vorhanden. Davon profitiert unsere kleine öffentliche Ausstellung im Erdgeschoss.

    In den Jahren 2005 und 2006 erhielten wir aus dem Nachlass z. B. die Sammlung von Schmetterlingen aus den 1950ern von K. Hillmann, die historische Sammlung von Vogel-Eiern von K. Ihrke. Weiterhin viele Einzelstücke von reisenden Studierenden besonders aus Südamerika, Belegstücke zu Diplom- und Doktorarbeiten über Schwämme, Federlinge, Fische. Unsere eigenen Exkursionen erbrachten Belege vom Mittelmeer (Sipan, Pula, Ibiza, Jerba), aus Afrika (Kamerun, Nordafrika), vom Weißen und Kaspischen Meer, von Spitzbergen, aber auch aus Mecklenburg-Vorpommern, Polen und der Ostsee. Zu letzteren gehören z. B. neue Präparate von Kormoran, Marderhund, Seehund, Wildschwein, Eichhörnchen, Kaninchen usw. Eine neue Fossiliensammlung (nach Abgabe der alten 1968 nach Greifswald) wurde angelegt, mit Unterstützung durch die Gesellschaft für Geschiebekunde und durch viele private Spender. Schließlich hat die bevorstehende Auflösung des Zoologischen Instituts an der TU Berlin das vor Ort offenbar nicht geschätzte, sehr reichhaltige Material durch freundschaftliche Verbundenheit mit Herrn Prof. Dr. J. Haupt den Weg zu uns gefunden. Lebendige Tiere haben wir auch: Neben ein paar bescheidenen Schaben und Spinnen ein Pärchen Streifenhörnchen, die Lieblinge aller Kinder.

    Das Interesse von Besuchern wächst. Neben Touristen aus aller Welt sind es die "Ehemaligen", die gerne die Verschönerung ihres alten Studienorts wahrnehmen. Daneben immer wieder echte Rostocker, denen in der Sammlung schon auch einmal eine alte Ente begegnet ist, welches von ihrem Großvater gestiftet worden war. Es ist wunderbar, den Bogen von der weiten Welt zur Rostocker Familiensammlung schlagen zu können.

    Es ist höchste Zeit, einen Verein der Freunde und Förderer der Zoologischen Sammlung ins Leben zu rufen. Dies ist für das Frühjahr 2007 vorgesehen. Es wäre schön, wenn sich Interessierte und Aktivist(inn)en schon jetzt allmählich einfinden würden. Ein Kristallisationspunkt sind unsere gerne besuchten "Vorweisungen aus der Zoologischen Sammlung" am Mittwochnachmittag (17.00), die nach der Sommerpause wie gewohnt im Oktober wieder beginnen werden. Plakate und Pressemitteilungen beachten! Lange Museumsnacht: 4.11.2006. Führungen im Schaumagazin: Terminvereinbarung unter 0381 / 498 6281.


    Prof. Dr. Ragnar Kinzelbach
    T: 0381 498 6260
    e-mail: ragnar.kinzelbach@uni-rostock.de


    Bilder




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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     


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