Auch die übelste Zockermentalität beugt sich den Bedingungen des menschlichen Belohnungssystems: Je mehr Strafe droht, desto vorsichtiger das Procedere. Weil die Bestrafung des Übeltäters das Opfer eines Betrugs belohnt und den Täter abschreckt, funktionieren soziale Normen. Auf dem Forum der Europäischen Hirnforscher in Wien präsentiert ein Forscherteam aus Zürich und Ulm seine neuen Einsichten. "Wir haben neurobiologische Grundlagen für die breite Einhaltung von Verhaltensnormen gefunden", erklärt Professor Ernst Fehr vom Institut für empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich.
Wie erreiche ich den größtmöglichen Profit? Diese scheinbar rein rationale Frage ist offenbar stärker emotional gesteuert, als das manchen Ökonomen lieb ist. Der Züricher Wirtschaftsforscher Professor Ernst Fehr setzt auf die Neurowissenschaften, um (ökonomisches) menschliches Verhalten zu erklären.
Die Wirtschaftsexperten verteilten in einem Experiment Geld: 24 Versuchspersonen (A) bekamen 100 Geldeinheiten, die sie unter zwei verschiedenen Bedingungen mit einem anonymen Gegenüber (B) teilen sollten. In einem Kontrollversuch konnte A das Geld teilen, ohne mit Strafe rechnen zu müssen, wenn er sich dabei unkorrekt verhält. Im anderen Versuch drohte A Bestrafung, falls B sich betrogen fühlen sollte. Denn auch B bekam 25 Geldeinheiten, die er dazu verwenden konnte, den Gewinn von A zu schmälern, um ihn zu bestrafen. Jede von B ausgegebene Geldeinheit reduzierte den Gewinn von A um das Fünffache.
Das ernüchternde Ergebnis: in der Kontrollgruppe ohne Androhung von Bestrafung gaben die Testpersonen (A) durchschnittlich 10 Geldeinheiten ab und behielten 90 für sich. Wussten sie, dass B sie bestrafen konnte, trennten sie sich von durchschnittlich 40 Geldeinheiten.
Die Forscher stellten bei manchen Versuchspersonen einen extremen Gesinnungswandel fest, abhängig von den Bedingungen. Einige Testpersonen, die im Kontrollversuch nichts oder fast nichts abgegeben hatten, statteten ihr Gegenüber in der Bestrafungsgruppe mit knapp der Hälfte ihres Guthabens aus.
Um zu prüfen, welche Hirnareale bei der ökonomischen Entscheidung aktiv sind, schoben die Forscher ihre Probanden in die Röhre eines Magnetresonanz-Tomographen. Die Wissenschaftler erwarteten sich in zwei Hirnarealen des Vorderhirns verstärkte Aktivität, da diese Bereiche bei Bestrafungsreizen und bei der Kontrolle starker Impulse eine Rolle spielen. Tatsächlich war die Aktivität in diesen Hirnarealen deutlich erhöht. Auch im sogenannten Nucleus caudatus, einem wichtigen Zentrum des menschlichen Belohnungssystems, fanden Fehr und seine Kollegen sichtlich gesteigerte Aktivität, wenn Bestrafung drohte. Je stärker die Verhaltensänderung war, desto aktiver war das Belohnungszentrum.
Als ökonomische Sieger gingen vor allem "macchiavellistische Persönlichkeiten" hervor, Menschen mit ausgeprägtem Hang zu Egoismus und Opportunismus. Sie sahnten in der Kontrollgruppe ab und umgingen in der Bestrafungsgruppe die ökonomischen Sanktionen ihres Partners.
Dass Rache wirklich süß ist, hatten die Züricher Forscher in einem vorausgehenden Experiment gezeigt. Sie wollten wissen, warum Menschen sogar persönliche Nachteile in Kauf nehmen, um andere zu bestrafen. Ein Dutzend Männer konnte paarweise entweder durch kooperatives Verhalten das Kapital beider mehren oder aber rein egoistisch den Mitspieler abzocken. Unkooperative Spieler konnten von den anderen bestraft werden. Das Ergebnis: die Bestrafung kurbelt das Belohnungssystem im Gehirn jener Versuchspersonen an, die Fehlverhalten bestrafen konnten. Fehr und Kollegen stellten bei den Bestrafern eine erhöhte Aktivität im Nucleus caudatus fest. Je mehr jemand bestrafte, desto höher war die Aktivität in diesem wichtigen Belohnungszentrum des Gehirns. Verschiedene Kontrollexperimente veranlassen Fehr zu der Feststellung: "Die Aktivität im Nucleus caudatus reflektiert vermutlich die antizipierte Befriedigung aus der Bestrafung des unfairen Partners".
ABSTRAKT Nr. S32.3
Notes to Editors
Das Forum 2006 der Federation of European Neuroscience Societies (FENS) wird veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Neurowissenschaften und der Deutschen Neurowissenschaftlichen Gesellschaft. An der Tagung nehmen über 5000 Neurowissenschaftler teil. Die FENS wurde 1998 gegründet mit dem Ziel, Forschung und Ausbildung in den Neurowissenschaften zu fördern sowie die Neurowissenschaften gegenüber der Europäischen Kommission und anderen Drittmittelgebern zu vertreten. FENS ist der Europäische Partner der Amerikanischen Gesellschaft für Neurowissenschaften (American Society for Neuroscience). Die FENS vertritt eine große Zahl europäischer neurowissenschaftlicher Gesellschaften und hat rund 16 000 Mitglieder.
Pressestelle während der Tagung:
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8. - 12. Juli 2006
Nach der Tagung:
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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