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10.01.2000 13:44

Bochumer Hethitologe verstorben

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Die Ruhr-Universität Bochum trauert um den Hethitologen und Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Erich Neu, der nach schwerer Krankheit am 31.12.1999 verstorben ist.

    Bochum, 10.01.2000
    Nr. 10

    Bochumer Hethitologe verstorben
    RUB trauert um Prof. Dr. Erich Neu
    Weltweit anerkannter Fachmann für Keilschriften

    Die Ruhr-Universität Bochum trauert um den Hethitologen und Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Erich Neu, der nach schwerer Krankheit am 31.12.1999 verstorben ist. Das Sprachwissenschaftliche Institut und die Philologische Fakultät verlieren mit ihm einen Kollegen, der über lange Jahre den Stil des Instituts und der Fakultät wesentlich mitprägte. Das konsequente Streben nach wissenschaftlicher Qualität und philologischer Genauigkeit im höchsten Sinn des Wortes war bei ihm gepaart mit einer außerordentlichen Menschlichkeit, die immer wieder den Ernst der Sache mit dem Humor in menschlicher Souveränität verbinden konnte.

    Biographisches

    Erich Neu wurde 1936 in Wetzlar geboren und blieb dort bis zu seinem Studium in der nahe gelegenen Universität Marburg. Dort wurde er 1966 promoviert, habilitierte sich 1972 in Göttingen und erhielt die Venia legendi für Historisch-Vergleichende Sprachwissenschaft und für Hethitologie. 1976 wurde er an die Ruhr-Universität Bochum berufen. Er leitete seither das Institut als Institutsdirektor im Wechsel mit Prof. em. Dr. Helmut Schnelle, Lehrstuhl für Allgemeine Sprachwissenschaft. In der akademischen Selbstverwaltung hat er sich sehr engagiert: Er war Dekan von 1978 bis 1979, Prodekan von 1979 bis 1980 und langjähriges Mitglied des Universitätsparlaments.

    Keilschriften-Edition betreut

    Neben seiner Tätigkeit in Forschung und Lehre an der Ruhr-Universität hat Prof. Neu mit großer Energie in der Kommission für den Alten Orient der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz gewirkt, wo er seit 1992 als Nachfolger seines Lehrers H. Otten den Kommissionsvorsitz innehatte. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehörte die Betreuung der Texteditionen "Keilschrifttexte aus Boghazköy" und der Publikationsreihe "Studien zu den Boghazköy-Texten", die zu den weltweit angesehensten Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Hethitologie und verwandter Gebiete gehören. Daneben hat er das einzigartige "Boghazköy-Archiv" der Mainzer Akademie weiter ausgebaut.

    Von der Bedeutung des Hethitischen in der Indogermanistik

    Auf der Grundlage sehr sorgfältiger und detaillierter Untersuchungen des Hethitischen griff Prof. Neu die Methodik der bisherigen Indogermanistik an, die seit mehr als einhundertfünfzig Jahren die indogermanische Ursprache so zu rekonstruieren versuchte, dass alle bekannten antiken indogermanischen Sprachen als quasi gleichzeitig existierende Entwicklungsstufe berücksichtigt wurden. Dieses Vorgehen war gerade für eine historische Disziplin unangemessen. Unbestritten war, dass die Texte des Hethitischen gegenüber den Texten der anderen altindo-germanischen Sprachen ein etwa tausend Jahre früheres Stadium repräsentieren. Berücksichtigt man dies, und zum Beispiel die Tatsache des geringer differenzierten oder anders ausgebildeten Formensystems des Hethitischen, so erkennt man, dass das traditionell rekonstruierte Urindogermanische gar nicht, wie meist behauptet, die indogermanische Grammatik in ihrer Vollform darstellt, die sich in ihrer weiteren historischen Entwicklung nur abschleift, sondern dass die grammatischen Formen des Indogermanischen sich erst in den Zeiten der bekannten historischen Texte, insbesondere denen des Hethitischen, entwickelten. Diese These war damals noch Minderheitenmeinung; inzwischen gilt Neus Ansatz als weithin anerkannt und stellt nun die Mehrheitsmeinung dar.

    Hethitisch-hurritische Doppelsprache

    Angesichts der fundamentalen Bedeutung des Hethitischen für die Indogermanistik hat Prof. Neu über seine langjährige jährliche Teilnahme an den Grabungen der Ausgrabungsstätte Boghazköy in der Türkei berichtet. Dies bildete auch die Grundlage der Tätigkeit an der Mainzer Akademie. Ganz besonders spannend waren die Berichte von dem sensationellen Fund einer hethitisch-hurritischen Bilingue, durch deren Bearbeitung Prof. Neu zum anerkannten Fachmann für die in weiten Bereichen noch undurchsichtige hurritische Sprache geworden war. Mit besonderer Faszination hat er von der in den letzten Jahren zunehmenden Interdisziplinarität der archäologischen Ausgrabungen berichtet, bei denen nicht nur die sprachlichen Zeugnisse, für die er maßgebend war, sondern schließlich auch die chemische und biologische Analyse der Überbleibsel der Siedlungen eine zentrale Rolle spielen und es zunehmend ermöglichen, sich ein Bild von den Lebensformen des zweiten Jahrtausends vor unserer Zeitrechnung im Zentrum der bedeutenden hethitischen Macht in der damaligen Welt zu machen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

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