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02.08.2006 12:08

"Baby an Bord" dokumentiert Familie als Sonderfall

Axel Burchardt Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Soziologie-Studenten der Universität Jena untersuchen "Familie und Alltagsleben"

    Jena (02.08.06) Wer kennt nicht die Aufkleber an den Heckscheiben von Autos, die auf Kinder als Mitfahrer verweisen. Vor einigen Jahren tauchten sie im Straßenbild auf, und inzwischen haben sie nicht nur einen festen Platz erobert, sondern sich auch gravierend verändert. Stand am Beginn dieses Phänomens das schlichte rot-weiße Warndreieck mit dem Schriftzug "Baby an Bord", kann man inzwischen vielerlei Varianten entdecken und erfährt dabei zumeist sogar, wie Töchter und Söhne oder auch Enkel der Fahrzeugbesitzer heißen.

    "Derartige Veränderungen im Alltagsleben zeigen Trends auf", weiß Prof. Dr. Bruno Hildenbrand vom Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität aus langjähriger Erfahrung mit dem "Forschungslabor Straße". "Die Aufkleber wären nicht da, wenn sie nicht auf eine bestimmte Situation reagieren würden." Und weil der Professor für Sozialisationstheorie und Mikrosoziologie genauer wissen wollte was dahinter steckt, avancierte das Thema zum Lehr-Forschungsprojekt "Präsentation von Familie im Alltagsleben". Für die 25 daran beteiligten Studenten zugleich eine gute Gelegenheit, ihre Forschungspraxis hinsichtlich des Erhebens von Daten, ihrer Analyse und der Präsentation der Ergebnisse zu erweitern.

    Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, was die Aufkleber "über das Verständnis von Familie in Deutschland, über das Familienbild aussagen". Das vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Diskussionen zu diesem Thema, etwa zum Elterngeld, des drastischen Geburtenrückgangs in den zurückliegenden 15 Jahren und der Veränderung der Formen des Zusammenlebens.

    Zwei Semester lang haben sich die Studenten mit diesem Thema beschäftigt und dabei herausgefunden, dass die Aufkleber-Mode offensichtlich eine typisch deutsche ist. Ähnliches ist beispielsweise aus Frankreich und den USA nicht bekannt. "Wir haben zunächst einen Fragebogen mit 19 Fragen erarbeitet und dann innerhalb von drei Monaten 176 Menschen befragt, die einen solchen Aufkleber am Auto haben, und zwar direkt auf Parkplätzen in der Nähe von großen Einkaufszentren in Thüringen, aber stichprobenartig auch in den anderen Bundesländern", berichten die Soziologie-Studentinnen Sabrina Laufer und Ramona Lutzack.

    Sie fanden heraus, dass bei allen Befragten der Gedanke der Sicherheit oberstes Motiv für einen solchen Aufkleber ist. Hinzu kommen Stolz auf das Kind und dessen Namen sowie das Streben nach Individualität. Letztere wird mit "Marke Eigendesign" vor allem von Personen unter 30 Jahren betont, während ältere eher auf standardisierte Stücke setzen. Für Prof. Dr. Hildenbrand ein klarer Fall, "weil man mit 30 seine Rolle in der Gesellschaft gefunden hat".

    Im Gegensatz zum Thüringer Durchschnitt von 66 Prozent Familien mit verheirateten Eltern und nur 15 Prozent Lebensgemeinschaften lebte die Hälfte der Befragten in nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Vorzugsweise sie präsentierten sich mit einem solchen Aufkleber nach außen. Das verwundere nicht, weil sie zum einen laut Statistik überdurchschnittlich viele kleine Kinder hätten, betont der Soziologe. Zugleich mache diese Tatsache deutlich, dass "die Familie für jene, die den Aufkleber benutzen, den Charakter der Selbstverständlichkeit verloren hat und zu einem Sonderfall geworden ist. Wenn etwas aber nicht mehr selbstverständlich ist, muss man es besonders schützen und nach außen darstellen", zeigt er Beweggründe für die Flut der Baby-Aufkleber auf.

    Kontakt:
    Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Institut für Soziologie
    Prof. Dr. Bruno Hildenbrand
    Carl-Zeiß-Straße 2
    Tel.: 03641/945551
    Fax: 03641/945552
    E-Mail: hildenbrand@scm.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    regional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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