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07.08.2006 11:14

Die Patente der Hochschulen erfolgreicher auf den Markt bringen

Eberhard Scholz Hochschulkommunikation und -marketing
Universität Bremen

    Patentverantwortliche diskutierten in Bremen über Erfahrungen mit Verwertungsoffensive des Bundes. Die Hochschulen wollen nächste Förderphase mitgestalten

    Das System ist erfolgreich aber verbesserungswürdig: Um Forschungsergebnisse aus den Hochschulen verstärkt wirtschaftlich zu nutzen, startete die Bundesregierung 2001 die Verwertungsoffensive". Seitdem ist die Zahl der Erfindungs- und Patentanmeldungen aus der Wissenschaft rasant gestiegen - zum Teil um das Zehnfache. Doch viele Hochschulen üben Kritik an dem System. Ende des Jahres läuft die 2. Förderphase des Programms aus. Nun trafen sich die Patentverantwortlichen der Hochschulen in Bremen. Unter dem Motto "Patentverwertung Quo Vadis" diskutierten sie ihre künftigen Strategien und beschlossen, für die 3. Förderphase Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten.

    Zu viel Bürokratie und zu häufiger Personalwechsel bei den beauftragten Dienstleistern, zu wenig Mitspracherecht der Hochschulen und Ineffizienz durch die engen Fördervorgaben des Bundes und der Länder - das sind nur ein paar der Kritikpunkte, die während der zweitägigen Veranstaltung erörtert wurden. Aber nicht zum kollektiven Klagen hatten sich die mehr als 50 Patentverantwortlichen getroffen. Gemeinsam streben sie nach Lösungen für die Probleme und suchen die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Bund und den Ländern.

    "An den Hochschulen gibt sehr genaue Vorstellungen darüber, wie sich das System optimieren lässt. Die Vorbereitung der 3. Förderphase bietet nun Möglichkeiten für Veränderungen", sagt Dr. Martin Heinlein, Leiter von UniTransfer an der Universität Bremen. Er initiierte und organisierte die Tagung gemeinsam mit Dr. Martina Venschott von unitransfer Hannover. Wunsch der Hochschulen sei es mehrheitlich, das System der Patentverwertung in wesentlichen Punkten offener zu gestalten, sagt Heinlein. "Unter Berücksichtigung und Bewertung der verschiedenen Modelle in den Bundesländern werden wir gemeinsam Strategien entwickeln und sie der Bundesregierung für das neue Förderkonzept vorstellen.

    Die zentralen Forderungen der Hochschulen: Sie wollen mehr Freiheit in der Entscheidung bekommen, ob und welche Dienstleister sie in die Prozesse zur Verwertung ihrer Patente einbinden. Außerdem möchten sie eine klare, fachliche Spezialisierung der verschiedenen Patentverwertungsagenturen (PVA). Bei einer weiteren öffentlichen Förderung der Patentverwertung sollten die Fördervorgaben des Bundes und der Länder die Hochschulstrukturen stärker berücksichtigen. Daher fordern sie, dass Vertreter der Hochschulen bei der Konzepterarbeitung für die 3. Förderphase wesentlich beteiligt werden.

    Die Zuständigkeit für die Verwertungsoffensive ist dieses Jahr vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zum Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gewechselt, hat dort jedoch noch keinen zuständigen Referatsleiter. Deshalb soll die Förderung zunächst in ähnlicher Form weiter laufen wie bisher. Bis Ende der Legislaturperiode sind Haushaltsmittel dafür vorgesehen. Spätestens ab 2007 soll die 3. Förderphase geplant werden. Während die Gelder bisher der Anschub- und Strukturförderung dienten, soll die nächste Phase projektbezogene, modellhafte Entwicklungen, Vernetzungen und Industrieanwendungen unterstützen. Geht es nach den Vorstellungen der Hochschulen, wird sich dann auch in den Organisationsstrukturen einiges ändern.

    Mehrheitlich als Problem sahen es die Tagungsteilnehmer an, dass bei den Hochschulen und Agenturen vorhandenes Wissen zur Patentverwertung nicht gemeinsam genutzt werde. Die Agenturen gewährten nur selten Einblicke in ihr erworbenes Know-how und es gebe kaum Rückflüsse, werfen viele den PVA vor.

    Die Patentverwertung sei eine zentrale Aufgabe der Hochschulen und solle deshalb als Kernkompetenz bei den Hochschulen angesiedelt sein. Dazu Heinlein: "Die bisherigen Fördermodalitäten haben eine Trennung zwischen den Hochschulen als Lieferanten der Erfindungen und den PVA als dienstleistende Verwerter bewirkt." So handelten beide heute aus unterschiedlichen Interessenslagen heraus, erklärt er.

    "Künftig müssen Strukturen und Förderbedingungen gewährleisten, dass die Agenturen ihre Markt- und Verwertungskenntnisse in die Hochschulen einbringen und strategische Entscheidungen gemeinsam sowie in Abstimmung mit den Ländern getroffen werden", fassen Heinlein und Venschott die Wünsche der Patentverantwortlichen zusammen. "Die Hochschulen wollen die Verwertung ihrer Patente optimieren und sehen in der 3. Förderphase der Bundesoffensive eine große Chance."

    Hintergrund: Patentverwertungsoffensive und Wegfall des Hochschullehrerprivilegs

    Lange hatten Deutschlands Hochschulen in der Kritik gestanden, in ihren Laboren lägen zahlreiche produktfähige Ideen brach, weil Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Vermarktungsmöglichkeiten nicht erkennen oder den Kosten- und Zeitaufwand einer Patentierung scheuen würden. So startete die Bundesregierung 2001 die Verwertungsoffensive. Das Programm umfasst 100 Millionen Euro und wird je zur Hälfte vom Bund und von den Ländern finanziert. Auch die Hochschulen sind dadurch finanziell gefordert.

    Um den Hochschullehrern Anreize für Erfindungsmeldungen zu geben, änderte die Bundesregierung 2002 zudem das Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Damit kippte sie das so genannte "Hochschullehrerprivileg". Seitdem liegen die Rechte an einer Erfindung nicht mehr beim Professor, sondern bei der Hochschule. Sie übernimmt den Aufwand Patentanmeldung und entscheidet im Gegenzug über Verwertung und Lizenzvergabe. Die Wissenschaftler werden mit 30 Prozent an den Lizenzeinnahmen beteiligt. Mit den verbleibenden 70 Prozent - so die Absicht - sollte sich das System mittel- bis langfristig selbst finanzieren.

    Die Umsetzung der Verwertungsoffensive begann mit dem Aufbau einer flächendeckenden Infrastruktur für die Vermarktung und Förderung der Patentaktivitäten. Um Gelder aus dem Programm zu erhalten, mussten die Länder zunächst Patent- und Verwertungsagenturen (PVA) einrichten. Sie kümmern sich im Auftrag der Hochschulen um die Patentanmeldungen und die Vermarktung der Forschungsergebnisse. Bundesweit entstand so ein Netz von 22 PVA. Das heißt: Nur die Hochschulen können die Fördergelder bei Bund und Ländern beantragen, um damit dann die Dienstleistungen der im jeweiligen Land zuständigen PVA einzukaufen - nur dort.

    Bereits 2002 stieg die Zahl der Patentanmeldungen. "Durch die Gesetzesänderung und die Förderung hat sich das Bewusstsein verändert", sagt Venschott. "Der Wert einer Erfindung wird inzwischen erkannt, und das Vorgehen gegenüber den Drittmittelgebern und der Industrie ist selbstbewusster geworden." Verwertungsregeln seien mittlerweile regulärer Bestandteil der Verträge zwischen Hochschulen und Unternehmen, erklärt sie. "Die Industrie wurde dafür sensibilisiert, dass Hochschul-Wissen einen Wert hat." Zudem gelte die Zahl der Patente heute als Qualitätsmerkmal einer Hochschule.

    Über den Gewinn durch die Verwertungsoffensive bestehe kein Zweifel, sagt Heinlein, und an einigen Hochschulen funktioniere das System auch recht gut. An vielen gebe es jedoch Probleme. "Die vorgegebenen Infrastrukturen und die Organisationsabläufe berücksichtigten die Bedürfnisse der Hochschulen zu wenig", gibt Heinlein die während der Tagung vorherrschende Meinung wieder. Das führe teilweise zur Ineffizienz. So gebe es an ersten Hochschulen bereits konkrete Pläne, aus dem System auszusteigen. Das bedeutet, auf die Fördergelder zu verzichten, um dann unabhängig von den PVA selbstbestimmt agieren zu können.

    Achtung Redaktionen: Eine ausführliche Presseinformation gibt es unter http://www.unitransfer.uni-bremen.de/index.php?Seite=pv06presse1

    Weitere Informationen:

    Dr. Martin Heinlein (Universität Bremen, UniTransfer)
    Telefon: 0421 218-32 53, E-Mail: heinlein@uni-bremen.de
    Dr. Lieselotte Riegger (Universität Bremen, UniTransfer)
    Telefon: 0421 218-39 05, E-Mail: lriegger@uni-bremen.de
    Dr. Martina Venschott (unitransfer Hannover)
    Telefon: 0511 762-57 27, E-Mail: mv@tt.uni-hannover.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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