Keine Gefahr für gefährdete Personen bei Einhaltung von Schutzmaßnahmen
An der Ostseeküste in Vorpommern sind seit etwa drei Wochen erhöhte Konzentrationen von Bakterien registriert worden, unter ihnen insbesondere Vibrio vulnificus*, aber auch weitere und wie an der schwedischen Küste Vibrio cholerae, informierte heute der Direktor des Greifswalder Friedrich-Loeffler-Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Prof. Lutz Gürtler. Es hat einen Erkrankungsfall an Vibrio vulnificus gegeben, der auf Grund frühzeitiger Behandlung mit den richtigen Antibiotika ohne Komplikationen verläuft.
"Die Ostsee hat seit über fünf Wochen an seichten Stellen eine Temperatur von über 20°C. Die Erwärmung führt wie im heißen Sommer 2003 dazu, dass sich die Erreger, die zur natürlichen Bakterienflora salzhaltiger Meerwässer gehören, zu hoher Konzentration vermehren können. Aus diesem Grund wurde der Strandbetrieb in Schleswig-Holstein bereits teilweise gesperrt. Vor allem im Bereich der Lübecker Bucht wurden verstärkt Grünalgen (Cyano-Bakterium) nachgewiesen", so der Mikrobiologe.
Die lang anhaltende warme Saison führte auch in weiteren Ländern zu Vorsichtsmaßnahmen. An der schwedischen Küste wurde zum 4. August die Empfehlung heraus gegeben, dass Menschen mit Verletzungen an der Haut nicht mehr im Ostseewasser baden sollten. Vorherrschender Keim ist das Bakterium Vibrio cholerae ohne Phagen-Toxin. Die amerikanischen Behörden raten momentan ebenfalls, dass Badegäste, die an chronischen Leber- und Blutkrankheiten leiden, AIDS, Krebs und Diabetes haben, das Wasser am Strand von Rhode Island meiden sollten. Dort war ein Fall von schwerer Vibrio vulnificus Infektion aufgetreten.
"Es besteht keine Gefahr, wenn gefährdete Menschen entsprechende Schutzmaßnahmen beachten", betonte der Mediziner. Zu beachten ist folgendes: Menschen mit chronischen Infektionen sollten derzeit, auch wenn sie nur kleine Hautwunden haben, nicht im Ostseewasser stehen oder waten und vor allem nicht in den seichten Gebieten, in denen das Wasser eine Temperatur teils über 24°C erreicht. Gefährdet sind Menschen mit chronischer Stauung in den Beinen, mit Immunschwäche, Leberzirrhose, Diabetes, Krebs und Autoimmunkrankheiten. Wenn Wunden mit Ostseewasser benetzt wurden, sollte der Bereich zügig mit Leitungswasser gewaschen, noch besser ein Desinfektionsmittel wie beispielsweise Jodtinktur, benutzt werden. Kommt es nach dem Bad in der Ostsee zu einer Entzündung der Wunde, muss schnellstmöglich ein Arzt aufgesucht werden. Die Ärzteschaft der Region ist seitens des Universitätsklinikums und der Gesundheitsbehörden über die potenzielle Gefahr der Infektion mit Bakterien aus der Ostsee umfassend informiert.
"Bei Tausenden von Menschen, die während der heißen Jahreszeit in der Ostsee gebadet haben und baden, ist ein aufgetretener Fall ein sehr seltenes Ereignis. Das Universitätsklinikum sieht es als seine Aufgabe an, über mögliche Gefahren aufzuklären. Es besteht jedoch kein Anlass, den Urlaub an der Ostseeküste nicht weiterhin in vollen Zügen zu genießen", unterstrich Gürtler abschließend.
Hintergrund Vibrio vulnificus Infektion*
Hauptvorkommen dieser Bakterien (Vibrio vulnificus) sind küstennahes Meerwasser und Brackwasser in warmen Zonen. Sie dringen über verletzte Haut (Abschürfungen, Wunden) in den Menschen ein und verursachen zunächst eine massive Wundinfektion. Es kann jedoch auch zu einem schweren Verlauf mit Abszessbildung in allen Organen kommen. Tödliche Verläufe durch Sepsis (Blutvergiftung) sind bekannt. Ältere Menschen sind besonders betroffen.
Die Diagnose ist sowohl durch den direkten Erregernachweis als auch über einen Antikörpernachweis im Blut möglich.
Schutz: Meiden von Wasserkontakt in Endemiegebieten, speziell bei offenen Hautwunden. Als Endemiegebiet bezeichnet man in der Medizin eine geografische Region, in der eine bestimmte Erkrankung auftritt, die auf dieses Gebiet beschränkt ist. Im Gegensatz zum Choleraerreger hat Vibrio vulnificus weltweit ein natürliches Reservoir in salzhaltigem Meerwasser und küstennahen Binnengewässern. Die Keimvermehrung erfolgt bevorzugt bei Wassertemperaturen über 20° C.
In den Sommermonaten sollte bei verdächtigem Krankheitsbild an die Möglichkeit einer Infektion mit vibrio vulnificus gedacht und gezielt nach dem Kontakt mit Meerwasser gefragt werden.
Wegen des raschen und schweren Krankheitsverlaufs ist für die Prognose eine frühestmögliche Einleitung der antibakteriellen Therapie (Antibiotikum) entscheidend, auch wenn die mikrobiologische Bestätigung noch aussteht. Zur Vermeidung von Lebensmittelinfektionen sollten Meerestiere nicht roh verzehrt und auf gutes Durchgaren geachtet werden.
Erkrankungen durch Vibrio vulnificus wurden in den USA erstmalig in den siebziger Jahren beschrieben, Einzelfälle sind in Deutschland durch Infektionen mit Ostseewasser seit 1994 bekannt geworden. Bei bakteriologischen Routineuntersuchungen in Lebensmitteln wurde Vibrio vulnificus im Sommer 2004 auch in Meerestieren (Miesmuscheln und Garnelen) der niedersächsischen Nordsee nachgewiesen.
Friedrich-Loeffler-Institut für Medizinische Mikrobiologie
Direktor: Prof. Dr. med. Lutz Gürtler
Martin-Luther-Straße 6, 17487 Greifswald
T +49 3834 86-55 60
F +49 3834 86-55 61
E guertler@uni-greifswald.de
http://www.medizin.uni-greifswald.de/mikrobio/
http://www.klinikum.uni-greifswald.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
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