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18.01.2000 09:53

Hochschulreform und Gleichstellungsaufgabe gehören zusammen

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

    (udo 17.01.00) Frauenförderung und Gleichstellungsprogramme sind an der Universität Dortmund kein Zugeständnis an das "schwache" oder benachteiligte Geschlecht. Sie eröffnen vielmehr bisher zu wenig genutzte Chancen, um die Hochschule selbst zu reformieren. Denn wer Frauen verstärkt an den Arbeitsprozessen und Entscheidungen der Universität beteiligt, erschließt umgekehrt auch der Hochschule wertvolle Potenziale. Die vorhandenen und neuen Intelligenzressourcen auch der weiblichen Hochschulangehörigen werden optimal genutzt. Innovation, Effizienz und Qualitätssteigerung des Wissenschaftsbetriebs sind die Folge. Diesen Weg verfolgt an der Dortmunder Universität das Rektoratsprojekt "Qualität und Innovation - Geschlechtergerechtigkeit als Reformstrategie", abgekürzt: "QueR".

    Das Projekt ist im November 1998 mit finanziellen Mitteln der Volkswagen-Stiftung gestartet. Es ist Teil eines bundesweiten Programms, das an insgesamt acht Universitäten in unterschiedlichen Bereichen darauf angelegt ist, "Leistungsfähigkeit durch Eigenverantwortung" zu stärken. Der Anspruch der VW-Stiftung ist dabei, am Ende nicht nur Erfahrungsberichte über Pilotversuche vorweisen zu können, sondern einen Beitrag zu realen Strukturveränderungen an den Hochschulen geleistet zu haben. Neben finanzieller Unterstützung bietet die Stiftung auch Beratung und Betreuung der Projekte durch einen eigenen wissenschaftlichen Beraterkreis.

    Mitglieder des Beraterkreises kommen am heutigen 17. Januar 2000 mit dem Dortmunder Projektteam unter Leitung von Dr. Christine Roloff und Dr. Monika Kil sowie der hochschulinternen Lenkungsgruppe unter Vorsitz von Prorektor Prof. Dr. Uwe Kleinbeck zusammen, um nach 14 Monaten eine erste umfassende Bilanz zu ziehen.

    Die Ausgangsfrage ist nicht: Wo sind Frauen defizitär, wo müssen sie besonders gefördert werden? Im Mittelpunkt steht vielmehr ein Überprüfen der Strukturen: Wo fördert die Hochschule die Motivation, die Beteiligung und die Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen und die Anerkennung ihrer Leistungen? Wo werden die Potenziale der Frauen nicht ausreichend zur Geltung gebracht?

    Die Fakten sind bekannt: 53 % der Jugendlichen, die mit Abitur die Gymnasien verlassen, sind Frauen. Sie bringen Leistungsmotivation, sehr gute Schulnoten, den akademischen Berufswunsch, Weiterbildungswillen und vielfältige Interessen mit. Dieses Potenzial nutzen die Hochschulen unzulänglich, wenn nur relativ wenige junge Frauen motiviert werden können, naturwissenschaftliche und technische Studiengänge zu wählen, wenn der Anteil der Frauen auf den universitären Karriereleitern von der Mitarbeiterin bis zu den Lehrstuhlinhabern kontinuierlich abnimmt.

    Intention, Aktion und Experiment

    Mehr Geschlechtergerechtigkeit soll an der Universität Dortmund durch das "QueR"-Projekt zentral wie dezentral zu einem Grundprinzip der Arbeit werden und zum spezifischen Profil der Universität Dortmund beitragen. Dies ist deswegen eine differenzierte Aufgabe, weil fachbereichsbezogene und fachkulturelle Unterschiede berücksichtigt werden müssen. In den unterschiedlichen Fachbereichen und Einheiten der Universität soll Wissen darüber erworben und vermittelt werden, wie Geschlechterungleichheiten zu erkennen sind und wie sie im Interesse der Qualitäts- und Produktivitätsverbesserung abgebaut werden können.

    Im Leitbild der Universität Dortmund wird das Ziel "Gleiche Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen und Männer" verankert. Zur Umsetzung dieses Aspekts wird ein Informations- und Arbeitshandbuch erarbeitet.

    Der Aspekt "Geschlechtergerechtigkeit" ist ein Kriterium für die wissenschaftliche Profilbildung. Dort ist Geschlechterforschung als Spitzenforschung positioniert worden.

    Experimentierfelder sind im Rahmen des "QueR"-Programms vor allem vier Fachbereiche der Universität:

    Chemie

    In der Chemie erweist sich der Anteil der Frauen bis hin zur Promotion als relativ stabil. Die Habilitiation erreichen sie jedoch sehr viel seltener als die männlichen Kollegen. Da sich die Motivation für eine wissenschaftliche Laufbahn an der Universität bereits während des Studiums aufbaut, soll die Aufmerksamkeit gezielt auf den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs gelenkt werden. Die vier Fachgebiete der Chemie nehmen daher Vorträge durch Habilitandinnen in ihr ständiges semesterbegleitendes Programm mit Beiträgen aus anderen Hochschulen auf. Der Fachbereich zeigt damit sein Interesse an den Leistungspotenzialen von Wissenschaftlerinnen, bringt sie mit ihren Forschungsthemen in die wissenschaftliche Diskussion und präsentiert den eigenen Studentinnen Vorbilder in Lehre und Forschung. Die Fachgebiete werden motiviert, selbst aktiv Ausschau nach dem weiblichen Nachwuchs zu halten.

    Maschinenbau

    Im traditionellen Maschinenbau ist in den vergangenen Jahren die Studien-Nachfrage insgesamt stark gesunken. Das innovative Studienangebot Logistik scheint den Trend jetzt zu verbessern. In jedem Fall allerdings schreiben sich in der Ingenieurwissenschaft nur wenige Studentinnen ein. Der Anteil der Frauen bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern ist noch geringer. Das veraltete Image des Ingenieurs bildet offensichtlich eine Barriere, die akademische Laufbahn in diesem Bereich einzuschlagen. Von der Fakultät werden inzwischen umfassende Marketing- und Profilbildungsstrategien konzipiert, um die Neugier von Schülerinnen zu wecken und die Demotivation von Studienanfängerinnen zu vermeiden. Die Universität wird im August 2000 erneut Schülerinnen zu einem einwöchigen "Schnupperstudium" in den ingenieurwissenschaftlichen und anderen mathematisch- technischen Fächern einladen.

    Raumplanung

    Die in der Fakultät Raumplanung eingerichtete Arbeitsgruppe "QueR09" befasst sich mit einer umfassenderen Bestandsaufnahme. Aufgrund der interdisziplinären Forschungs- und Lehrkultur sind mögliche Maßnahmen nicht kurzfristig zu definieren. Ein Aktionsfeld wird sich dabei auf die Curriculumentwicklung und die Integration von frauenspezifischen Lehr- und Forschungsinhalten in die Curricula beziehen.

    Gesellschaftswissenschaften, Philosophie und Theologie

    Der Fachbereich 14 hat sich vernetzte Aktivitäten zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Lehramt vorgenommen. Frauen sind im Lehramtsstudium überproportional aktiv. In einigen Primarstufenfächern sind sie zu 90% vertreten. Die akademischen Berufschancen in diesem Bereich sind jedoch nicht gerade erfolgsversprechend. Ähnlich wie in der Fakultät Maschinenbau muss hier ein längerfristiger Einstellungswandel erreicht werden. Diesem Ziel dient ein umfassendes Arbeitsprogramm zur Umsetzung der Aufgabe "Wissenschaft als Beruf im Lehramt". Dazu gehört die Entwicklung eines promotionsvorbereitenden Aufbaustudiums, die Herausgabe einer Broschüre zu Fördermöglichkeiten für Promotionsvorhaben sowie das Zusammenstellen eines Katalogs, der die Aufgaben zur wissenschaftlichen Kompetenzentwicklung für Studentische und Wissenschaftliche Hilfskräfte beschreibt und handhabbar macht.

    Auf allen dezentralen Aktionsfeldern wird deutlich, dass "Leistung" in jeder Fachkultur spezifische Zielsetzungen und Bedingungen hat. Zwischen der optimalen Motivierung von Frauen und der Qualitätssteigerung für die Universität insgesamt existiert ein Wechselspiel. Das Projekt, das erst seit April 1999 im Team komplett an der Arbeit ist, stellt bereits jetzt fest, dass sich über die Thematisierung des "Geschlechts" im Rahmen der Hochschulreform eine besondere Dynamik entwickelt hat.

    Die Verfahren der Zielvereinbarung und der Mittelverteilung werden jetzt zunehmend zu zentralen Bausteinen in der Projektarbeit, um dem Ziel Geschlechtergerechtigkeit an der Universität näherzukommen. Die Projektleiterinnen Dr. Roloff und Kil: "Geschlechtergerechtigkeit ist als eine Aufgabe der Personal- und damit der Organisationsentwicklung anzusehen; dies schließt auch die Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung ein. Zur Verwirklichung von Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit müssen weiterhin institutionelle Phantasie, reformerischer Elan und individuelle Lernprozesse in Gang gesetzt werden."

    Nähere Informationen auf der Web-Site:
    http://www.verwaltung.uni-dortmund.de/quer
    Hier finden sich eine Kurzbeschreibung und eine ausführliche Darstellung des Projektinhaltes sowie unter "Aktuelles" auch der heute dem Beirat vorgelegte "Jahresbericht 1999". Mailadressen vermitteln Meinung und Kontakt. Links führen zu den Pilotfachbereichen und zu den Partnerhochschulen im Programm "Leistungsfähigkjeit durch Eigenverantwortlung" der Volkswagen-Stiftung.

    Kontakt:
    Dr. Monika Kil und Dr. Christine Roloff
    Rektoratsprojekt "Qualität und Innovation - Geschlechtergerechtigkeit als Reformstrategie (QueR)"
    Ruf 0231-755-6056 und -57, Fax 0231-755-6059.


    Weitere Informationen:

    http://www.verwaltung.uni-dortmund.de/quer


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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