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17.08.2006 14:57

RUB-Dissertation: Einblicke in die Innenwelt türkischer Wohnquartiere

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Ethnische Kolonien mit einer reichhaltigen Auswahl an Imbissstuben, Läden, Cafés, Migrantenvereinen und Moscheen gehören mittlerweile zum alltäglichen Bild deutscher Städte. Solche sozialräumlichen Konzentrationen von Migranten sind die Folge einer verfehlten Integrations- und Wohnungspolitik der Vergangenheit. Der RUB-Sozialwissenschaftler Rauf Ceylan hat in seiner Dissertation (Betreuer: Prof. Dr. Volker Eichener) anhand von 83 Interviews zum ersten Mal systematische Einblicke in das Innenleben einer türkischen Kolonie im Duisburger Stadtteil Hochfeld geliefert. Sein Fazit: Bleiben die Ghettos sich selbst überlassen, droht die Stagnation und die politische Radikalisierung. Die Infrastruktur der Viertel bietet aber auch die Chance, Brücken zu bauen. Ausbildung und Sprachförderung besonders für Kinder und Jugendliche sowie die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen in Sozialarbeit und Kriminalitätsvorbeugung sind die Schlüssel zur Integration.

    Bochum, 17.08.2006
    Nr. 271

    Einblicke in die Innenwelt türkischer Wohnquartiere
    RUB-Dissertation: Ethnische Kolonien als Brücken zur Integration nutzen
    Politische Radikalisierung droht

    Ethnische Kolonien mit einer reichhaltigen Auswahl an Imbissstuben, Läden, Cafés, Migrantenvereinen und Moscheen gehören mittlerweile zum alltäglichen Bild deutscher Städte. Solche sozialräumlichen Konzentrationen von Migranten sind die Folge einer verfehlten Integrations- und Wohnungspolitik der Vergangenheit. Der RUB-Sozialwissenschaftler Rauf Ceylan hat in seiner Dissertation (Betreuer: Prof. Dr. Volker Eichener) anhand von 83 Interviews zum ersten Mal systematische Einblicke in das Innenleben einer türkischen Kolonie im Duisburger Stadtteil Hochfeld geliefert. Sein Fazit: Bleiben die Ghettos sich selbst überlassen, droht die Stagnation und die politische Radikalisierung. Die Infrastruktur der Viertel bietet aber auch die Chance, Brücken zu bauen. Ausbildung und Sprachförderung besonders für Kinder und Jugendliche sowie die Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen in Sozialarbeit und Kriminalitätsvorbeugung sind die Schlüssel zur Integration.

    Gute und schlechte Seiten ethnischer Kolonien

    Die Rolle ethnischer Kolonien für den Eingliederungsprozess von Ausländern sei durchaus ambivalent, fasst Rauf Ceylan zusammen. Einerseits erleichtern sie es den Migranten, sich in der neuen Gesellschaft zurechtzufinden. Andererseits kann das Leben in der ethnischen Kolonie auch zur Fremd- und Selbstausgrenzung aus der Gesellschaft führen.

    Milieu im Schatten des Rechtssystems

    In 83 Intensivinterviews hat Ceylan Einblicke in das Innenleben der türkischen Kolonie gewonnen, die ihn selber überraschten. "Da hat sich klammheimlich, im Schatten des deutschen Rechtssystems, ein Milieu entwickelt, in dem Glücksspiel, Prostitution und Finanzbetrug gedeihen", beschreibt er. Durch Cafés und Moscheen ziehen sich politische, regionale und konfessionelle Konfliktlinien. Die Jugendlichen, die in einem solchen Viertel aufwachsen, haben nur geringe Bildungs- und Berufschancen. "Auch die viel gelobte ethnische Ökonomie vermag kaum mehr als wenig qualifizierte Aushilfsjobs in Dönerbuden und Lebensmittelläden bereitzustellen", lautet sein ernüchterndes Fazit.

    Kolonien bieten eine Chance

    Wenn man die ethnischen Kolonien weiterhin sich selbst überlässt, so Ceylans Voraussage, wächst der Nährboden für ethnisch-kulturelle Konflikte und politisch-extremistische Tendenzen unter den Migranten. Er sieht aber auch Chancen, dieses Szenario abzuwenden. "Die Selbsthilfeeinrichtungen und Organisationen der Migranten verfügen nämlich auch über das Potential, Brücken zwischen der deutschen Gesellschaft und der ethnischen Kolonie zu bauen." Anerkennung, Unterstützung und Einbindung lauten die Schlüsselworte für die Integration der ethnischen Kolonien in die deutsche Gesellschaft. "Konkret kann das bedeuten: Ausbildung der Imame, die innerhalb der türkischen Kolonien einflussreiche Schlüsselpersonen darstellen, an deutschen Hochschulen; Kooperation zwischen sozialen Diensten und Migrantenorganisationen bei der sozialen Arbeit; Zusammenarbeit zwischen Polizei und Migrantenvereinen bei der Kriminalitätsvorbeugung", so Ceylan.

    "Wir können uns keine Ignoranz leisten"

    Entscheidend sei es vor allem, die Integrationschancen der Jugend zu verbessern. Das beginnt mit systematischer und ausreichender Sprachförderung bereits im Vorschulalter, beinhaltet einen umfassenden Förderunterricht an den Schulen und schließt Projekte der Straßensozialarbeit ein, um den Jugendlichen Alternativen zu benachteiligenden Milieus zu bieten. "Angesichts der Parallelwelten, die sich in den türkisch geprägten Wohnquartieren entwickeln, können wir es uns nicht länger leisten, die innere Struktur der ethnischen Kolonien einfach zu ignorieren. Wir müssen die Potentiale, die diese Kolonien bieten, nutzen, um die interkulturellen Beziehungen und die gesellschaftliche Integration voranzutreiben", kommentiert Prof. Eichener die von ihm betreute mit "magna cum laude" (sehr gut) bewertete Doktorarbeit.

    Förderung durchs Wissenschaftsministerium

    Der Diplom-Sozialpädagoge Rauf Ceylan ist als Absolvent der Fachhochschule Düsseldorf im Rahmen des Assistentenprogramms des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie gefördert und an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum promoviert worden.

    Titelaufnahme

    Rauf Ceylan: Ethnische Kolonien (Arbeitstitel). Entstehung, Funktion und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés. VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, voraussichtlicher Erscheinungstermin: 14.11.2006

    Weitere Informationen

    Rauf Ceylan, Klosterstraße 15, 47051 Duisburg, Tel. 0163/2351532, E-Mail: ib.us@web.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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