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23.08.2006 18:00

Struktur und Funktion eines dritten Hilfsfaktors für die Proteinsynthese von Pilzen aufgeklärt

Dr. Patricia Beziat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für molekulare Genetik

    Wissenschaftlerteam gelingen wichtige Einblicke in den Ablauf der Proteinsynthese von Pilzen

    Die Herstellung von Proteinen ist eine der wichtigsten Funktionen lebender Organismen und erfolgt in allen Zellen in vergleichbarer Weise. Eine Sonderrolle spielen jedoch die Pilze. Im Gegensatz zu anderen Lebensformen benötigen sie für die Proteinsynthese einen zusätzlichen Hilfsfaktor, der bei keinem anderen Organismus vorkommt. Wissenschaftlern der Charité Berlin, der Universität Aarhus, der Johnson Medical School, New Jersey, der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik ist es jetzt gelungen, die molekulare Struktur dieses zusätzlichen Hilfsfaktors, des Elongationsfaktors eEF3, aufzuklären. In der aktuellen online-Ausgabe der Fachzeitschrift "Nature" beschreiben sie darüber hinaus, in welcher Weise eEF3 bei der Herstellung von Proteinen mit dem Ribosom interagiert. Ihre Ergebnisse sind von großer Bedeutung für das Verständnis der Unterschiede der Proteinsynthese von Pilzen und anderen Organismen und eröffnen den Weg für die Entwicklung einer neuen Klasse von Wirkstoffen und Medikamenten gegen Pilze (Fungizide). [Andersen et al., Structure of eEF3 and the mechanism of tRNA release from the E-site. Nature 2006, doi:10.1038/nature05126]

    Nach heutigem Stand des Wissens gehen Wissenschaftler davon aus, dass Proteine ihre Aufgaben in der Regel nur im Verbund mit anderen Proteinen erfüllen können - Forscher sprechen von sogenannten "molekularen Maschinen". Der Prototyp einer molekularen Maschine ist das Ribosom, ein großer Komplex aus Proteinen und RNA-Molekülen, der für die Proteinsynthese der Zelle verantwortlich ist. Wie alle molekularen Maschinen besitzt es nicht nur einen äußerst komplizierten Aufbau, sondern auch sein Betrieb wird in komplexer Art und Weise reguliert. Die Frage nach der Zusammenarbeit der einzelnen Partner gehört zu den großen Herausforderungen der modernen Strukturbiologie.

    Bei der Synthese von Proteinen wird die Information der Gene in eine spezifische Abfolge von Aminosäuren, den Grundbausteinen der Proteine, übersetzt. Dies geschieht bei allen Zellen der lebendigen Welt mit zwei Hilfsfaktoren, sogenannten Elongationsfaktoren, die in höheren Organismen als Elongationsfaktor 1A (EF1A) bzw. Elongationsfaktor 2 (EF2), in Bakterien als EF-TU bzw. EF-G bezeichnet werden. Nur bei Pilzen wie beispielsweise der Hefe gibt es einen dritten Hilfsfaktor, den Elongationsfaktor eEF3, ohne den die Pilze nicht überleben können. Zur Entfaltung seiner Aktivität bindet und spaltet eEF3 das energiereiche Molekül ATP. Die genaue Funktion des Faktors, seine Struktur und seine Wechselwirkung mit dem Ribosom waren jedoch bislang ein Rätsel. Einem Wissenschaftlerteam der Charité Berlin, der Universität Aarhus, der Johnson Medical School, New Jersey, der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie des Berliner Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik ist es jetzt gelungen, die molekulare Struktur dieses Faktors aufzuklären. Mit Hilfe der Kryo-Elektronenmikroskopie konnten die Forscher zeigen, in welcher Weise eEF3 an das aktive Ribosom gebunden wird. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass das an das Ribosom gebundene eEF3 die chemische Energie, die bei der Spaltung des ATP entsteht, dazu nutzt, um den sogenannten L1-Arm des Ribosoms nach außen zu drücken. Dies ermöglicht die Freisetzung der bereits verbrauchten tRNAs, über welche die Aminosäuren an das Ribosom herantransportiert werden. Im nächsten Schritt kann das Ribosom mit einer neuen Aminoacyl-tRNA beladen werden - eine weitere Runde der Proteinsynthese beginnt. Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse sind von großer Bedeutung für für das Verständnis der Unterschiede der Proteinsynthese von Pilzen und anderen Organismen und eröffnen den Weg für die Entwicklung einer neuen Klasse von Wirkstoffen und Medikamenten gegen Pilze (Fungizide).

    Das Berliner UltraStrukturNetzwerk (USN)
    Die Berliner Beiträge zur Aufklärung der Struktur und Funktion des Elongationsfaktors eEF3 erfolgten im Rahmen des UltraStrukturNetzwerkes (USN). Das USN ist ein Projektverbund, der sich zum Ziel gesetzt hat, komplizierte "molekulare Maschinen" mit modernsten Methoden wie Massenspektrometrie (MS) und Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) zu untersuchen. Der Verbund wurde vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Kooperation mit der Charité - Universitätsmedizin Berlin initiiert und vernetzt inzwischen mehr als 15 Arbeitsgruppen in der Region Berlin-Brandenburg. Neben den drei Berliner Universitäten Freier Universität, Technischer Universität und Humboldt-Universität gehören dazu auch das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), die Universität Potsdam und das Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam.
    Mit Unterstützung durch Europäische Fördermittel und der Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur (Gesamtvolumen: 8 Mio. Euro) wurde im UltraStrukturNetzwerk die technologische Infrastruktur für die Analyse von "molekularen Maschinen" geschaffen. Die Core-Facilities, darunter ein 300 kV Tecnai G2 Polara Kryo-Elektronenmikroskop, sind am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik lokalisiert.

    Originalveröffentlichung:
    Andersen,C.B.F., Becker,T., Blau, M., Anand, M., Halic, M., Balar, B., Mielke, T., Boesen, T., Skov Pedersen, J., Spahn, C.M.T., Goss Kinzy, T., Andersen, G.R., Beckmann, R. Structure of eEF3 and the mechanism of tRNA release from the E-site. Nature 2006, doi:10.1038/nature05126

    Weitere Informationen:
    Dr. Thorsten Mielke
    - UltraStrukturNetzwerk -
    Max-Planck-Institut für molekulare Genetik
    Ihnestr. 63-73
    D-14195 Berlin
    Tel.: 030-8413-1644
    Email: mielke@molgen.mpg.de

    Prof. Dr. Roland Beckmann
    Genzentrum der LMU München
    Department für Chemie und Biochemie
    Feodor-Lynen-Str. 25
    81377 München
    Tel.: 089-2180-76900
    Email: beckmann@lmb.uni-muenchen.de

    Beteiligte Arbeitsgruppen:
    Prof. G.R. Andersen, Centre for Structural Biology, Department of Molecular Biology, University of Aarhus, Gustav Wieds Vej 10C, DK-8000 Aarhus, Denmark

    Prof. R. Beckmann, Genzentrum der LMU München, Department für Chemie und Biochemie, Feodor-Lynen-Str. 25, 81377 München

    Prof. Terri Goss Kinzy, Department of Molecular Genetics, Microbiology and Immunology, UMDNJ Robert Wood Johnson Medical School, Piscataway, New Jersey

    Dr. Thorsten Mielke, Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Ihnestr. 63-73, 14195 Berlin

    Prof. J.S. Pedersen, Department of Chemistry, University of Aarhus, Langelandsgade 140, DK-8000 Aarhus, Denmark, and iNANO Interdisciplinary Nanoscience Center, University of Aarhus, Langelandsgade 140, DK-8000 Aarhus, Denmark

    Prof. Dr. C.M.T. Spahn, Institut für Medizinische Physik und Biophysik, Charité, Universitätsmedizin Berlin, Humboldt Universität Berlin, Ziegelstr. 5-9, 10117 Berlin


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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