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20.01.2000 10:55

Wehrmacht und Prostitution im besetzten Frankreich

Gerhard Harms Presse & Kommunikation
Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg

    Kaum war die deutsche Wehrmacht in Paris einmarschiert, erließ sie Richtlinien zur Steuerung der Prostitution. Einem Netz von Wehrmachtsbordellen stand die Verfolgung derjenigen Französinnen gegenüber, die des Umgangs mit Wehrmachtsangehörigen verdächtigt wurden. Charakteristisch für das deutsche Kontrollsystem war die Verknüpfung von Internierungslager und Bordell.

    Geschlechtsspezifische Dimensionen der deutschen Kriegsführung und Besatzungspolitik des Zweiten Weltkriegs haben in der wissenschaftlichen Forschung bislang wenig Berücksichtigung gefunden. Dies gilt auch für die Zwangsmaßnahmen, die die Wehrmacht gegen Frauen in den besetzten Gebieten einleitete, um den sexuellen Verkehr ihrer Soldaten mit der weiblichen Zivilbevölkerung zu organisieren. Die Wehrmacht widmete dieser Frage beträchtliche Aufmerksamkeit, wobei das Vorgehen der deutschen Militärverwaltung in Frankreich Modellcharakter hatte. In der jüngsten Ausgabe des Oldenburger Universitätsforschungsmagazins EINBLICKE berichtet die Geschichtsdoktorandin Insa Meinen über ihre Forschungen ("Wehrmacht und Prostitution im besetzten Frankreich", EINBLICKE Nr. 30, S. 18-20). Es handelt sich um ein von der Volkswagenstiftung gefördertes Projekt.

    Das Wehrmachtsbordell gehörte zum Besatzungsalltag in Frankreich wie die Frontbuchhandlung und das Soldatenheim. Gleichermaßen bedeutsam war die Überwachung und Verfolgung solcher Frauen, die im Verdacht standen, unkontrollierte Verbindungen mit Wehrmachtangehörigen zu unterhalten. Die Errichtung von Bordellen diente nicht nur dazu, die deutschen Truppen unter Kriegs- und Besatzungsbedingungen mit sexuellen Dienstleistungen zu versorgen, sondern folgte auch der Absicht, selbstständige Kontaktaufnahmen zwischen Soldaten und Französinnen zu verhindern. Hierbei flossen sanitäts-, rassen- und abwehrpolitische Zielsetzungen zusammen. So sollten die vom Oberkommando des Heeres (OKH) und vom Oberkommando der Wehrmacht (OKW) erteilten Direktiven zur Reglementierung der Prostitution Geschlechtskrankheiten eindämmen. Darüber hinaus reihten sie sich in die nationalsozialistischen Gesetze und Verordnungen ein, die die Geschlechterbeziehungen nach rassenpolitischen Kriterien zu steuern suchten. Außerdem wollte man der Preisgabe militärischer Informationen sowie einer möglichen politischen Beeinflussung deutscher Soldaten vorbeugen, indem man den Umgang mit nicht-deutschen Frauen auf Bordelle beschränkte.

    Für die Kontrolle der Prostitution war das Wehrmachtssanitätswesen maßgeblich. Mit dem Waffenstillstand im Juni 1940 wurden etwa zwei Drittel des französischen Territoriums deutscher Militärverwaltung unterstellt. Auf allen Ebenen der Militärverwaltung - beim Militärbefehlshaber, den Bezirkschefs und den Feldkommandanten - wurden Leitende Sanitätsoffiziere bzw. Kommandanturärzte angesiedelt. Diese Sanitätseinheiten waren neben den Spitzen der Sanitätsabteilungen im OKH und OKW die hauptverantwortlichen Instanzen für die Prostitutionsüberwachung

    Was das Ausmaß der Wehrmachtsbordelle betrifft, so stimmten die Kommandanturärzte den Bordellbetrieb flexibel auf die deutsche Truppenpräsenz und Nachfrage ab und diktierten fortlaufend Neueröffnungen und Schließungen, die sich nach den Truppenverschiebungen zwischen Frankreich und der Ostfront richteten. Ende 1941 verfügte die deutsche Besatzungsmacht allein im Militärverwaltungsbezirk A - ein Gebiet, das etwa ein Drittel der deutschbesetzten Nordzone einschloss - über 143 Wehrmachtsbordelle, in denen 1.166 Frauen arbeiteten. Der Massencharakter des Bordellsystems zeigt sich ebenso am Beispiel der Hafenstadt La Rochelle, wo im Verlauf des Jahres 1942 mindestens 250 Französinnen in den für deutsche Truppen reservierten Bordellen tätig waren, wie die Auswertung zeitgenössischer Unterlagen der örtlichen französischen Gesundheitsbehörden ergibt.

    Die Entscheidungsbefugnis für Einstellung und Entlassung der Bordellangestellten lag bei den Kommandanturärzten, die die betreffenden Frauen teilweise eigenhändig aussuchten und entsprechende Arbeitsverträge entwarfen und unterzeichneten. Auf diese Weise gingen wesentliche Verantwortlichkeiten von Bordellbetreibern auf Wehrmachtsmediziner über. Man kann davon ausgehen, dass es im besetzten Frankreich Frauen gab, die sich um die Tätigkeit in einem Wehrmachtsbordell beworben haben, sei es aus eigenem Antrieb oder infolge der Gewalt eines privaten Zuhälters, und auch die polizeiliche Repression der Straßenprostitution spielte in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zugleich gründete sich die Bordellarbeit jedoch auf direkte, administrativ ausgeübte Zwangsmaßnahmen. So belegen die überlieferten Quellen, dass Französinnen aus Internierungslagern in Wehrmachtsbordelle überwiesen wurden.

    Diese Verknüpfung von Internierungslager und Bordell charakterisiert die spezifisch nazistische Ausprägung behördlicher Prostitutionskontrolle. Der mit der Rekrutierung im Lager verbundene Zwang und die offiziell von Verwaltungsorganen durchgeführte Auswahl und Vermittlung der Bordellbewerberinnen waren Ausdruck einer administrativen Zuhälterei und Prostituiertenverfolgung, für die es in der französischen Geschichte keine Parallele gibt. Zugleich erweist sich das Grundprinzip der deutschen Prostitutionssteuerung im besetzten Frankreich nirgendwo deutlicher als in der Kombination von Lager und Bordell, denn auf diese Weise setzte die deutsche Militärverwaltung radikal ihren Anspruch durch, darüber zu verf'ügen, welche Französinnen unter welchen Bedingungen sexuell mit Wehrmachtsangehörigen verkehren sollten.

    Kontakt: Insa Meinen, Institut für Politikwissenschaften II, Fachbereich Sozialwissenschaften,
    Tel. 0441/798-5122, Fax: -5180, E-Mail: Insa@hrz1.uni-oldenburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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