Die Epiduroskopie - die Untersuchung des Wirbelkanals mit einem flexiblen Endoskop - erweitert die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten der Experten bei Rückenschmerzen. Das Verfahren steht im Mittelpunkt eines internationalen Workshops, der vom 24.-26. August 2006 in Köln stattfindet.
Fall 1: Der Patient leidet unter starken chronischen Rückenschmerzen, die in das Bein ausstrahlen. Doch weder die Röntgenaufnahme noch die MRT-Untersuchung liefern einen auffälligen Befund - und damit eine genaue Diagnose. Die Behandlung bleibt - notgedrungen - unspezifisch, die Beschwerden bleiben bestehen.
Fall 2: Der Patient wurde bereits an der Bandscheibe operiert. Die Schmerzen wollen jedoch nicht weichen. Er soll nun wieder operiert werden, fürchtet aber, dass der Eingriff erneut keine Besserung bringen wird.
Das Spektrum erweitern. In solchen Fällen erweitert die so genannte Epiduroskopie seit einigen Jahren das diagnostische und therapeutische Spektrum der Schmerzspezialisten. Bei diesem minimal-invasiven Verfahren liefert ein spezielles Endoskop farbige und räumliche "Live-Bilder" aus dem Wirbelkanal. Die Ärzte können so mögliche Schmerzursachen identifizieren, die mit herkömmlichen bildgebenden Verfahren gar nicht oder nur schlecht diagnostiziert werden können. Dazu gehören etwa Entzündungen, Vernarbungen oder Verklebungen ("Adhäsionen") sowie Verengungen des Wirbelkanals ("Stenosen"). Über einen Arbeitskanal des Endoskops können die Ärzte auch Gewebeproben für weitere Untersuchungen entnehmen.
Die Schmerzursache sicher identifizieren. Weiterer Vorteil des Verfahrens: Bei einem "Provokationstest" mit dem Laser kann der Arzt zunächst prüfen, ob eine entdeckte Veränderung tatsächlich die Schmerzursache ist. Dies erspart den Patienten überflüssige Eingriffe. Ist die Diagnose dadurch tatsächlich bestätigt, kann der Arzt in derselben Sitzung via Endoskop behandeln.
Gezielt behandeln. So können beispielsweise gezielt entzündungshemmende und/oder schmerzlindernde Medikamente vor Ort im Wirbelkanal appliziert, Vernarbungen und Adhäsionen mit winzigen Instrumenten oder dem Laser gelöst werden. Ebenso kann der Arzt unter Sicht Katheter für eine gezielte Medikamentenapplikation oder Elektroden zur Nervenstimulation platzieren.
Integriert in ein Gesamtkonzept. "Die Einleitung einer solchen Diagnostik und Therapie muss jedoch in ein interdisziplinäres schmerztherapeutisches Gesamtkonzept eingebunden sein", erklärt Dr. Günter Schütze, Leiter des Regionalen Schmerzzentrums der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie in Iserlohn, der die Methode in Deutschland entwickelt und vorangetrieben hat.
Mehr als 1100 Patienten hat der Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Spezielle Schmerztherapie am Marienhospital Letmathe mittels Epiduroskopie untersucht. Bei den meisten - über 64 Prozent - handelte es sich um Patienten, die bereits an der Wirbelsäule operiert worden waren. Bei einem fünftel der Patienten konnten die Ärzte erst durch die Epiduroskopie die Verdachtsdiagnose sichern, bei der Mehrzahl aller in der Schmerzklinik Iserlohn untersuchten Patienten fanden sie pathologische Veränderungen.
Konsensuspapier. Ein Experten-Team hat inzwischen in einem Konsensuspapier die Einsatzmöglichkeiten, Indikationen, Kontraindikationen und technischen Anforderungen und das Vorgehen bei der Epiduroskopie beschrieben. Vor allem wollen die Experten ihre Daten zentral erfassen, um zur Qualitätssicherung die Ergebnisse, Wirkungen und Nebenwirkungen des Verfahrens genau zu dokumentieren. "Wichtig ist vor allem ein ausreichendes Training der behandelnden Ärzte", erklärt Prim. Univ.-Doz. Dr. med. Günter Weber von der Klinik für Anästhesiologie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Graz. Ein entsprechendes Ausbildungskonzept in drei Stufen haben die Spezialisten begonnen zu entwickeln. Weber: "So wollen wir die sehr seltenenen Komplikationsmöglichkeiten niedrig halten."
Studie in den Niederlanden. In den Niederlanden hat sich eine kurz LANSET genannte nationale Expertengruppe zusammengeschlossen, um die rückenmarksnahe Diagnostik und medikamentöse Therapie mit Hilfe der Epiduroskopie im Rahmen von Studien zu erproben. Behandelt werden Patienten, deren Rückenschmerzen in das Bein ausstrahlen und die auf konventionelle Therapien nicht ansprechen. Die Beinschmerzen müssen stärker sein als die Rückenschmerzen und die Schmerzintensität muss auf einer Skala von 0 bis 10 mindestens 4 betragen. Kontraindikationen sind etwa Blutgerinnungsstörungen, Infektionen, Tumoren im Zentralnervensystem, Herzkreislauf-Erkrankungen, Blasen-Darm-Störungen oder Niereninsuffizienz.
Langanhaltende Schmerzlinderung. Die Ärzte applizieren bei der Behandlung unter endoskopischer Sicht Entzündungshemmer, Lokalanästhetika und/oder Schmerzmittel direkt im Wirbelkanal. Die Erfolgsrate der bislang in den Niederlanden behandelten Patienten (120) liegt nach drei Monaten bei 68 Prozent - wobei als "Erfolg" eine Reduktion des Beinschmerzes um 50 Prozent gilt. "Die vorläufigen Ergebnisse unserer Studie deuten darauf hin, dass die Behandlung substanziell und langanhaltend schmerzlindernd ist", erklärt Prof. Dr. med. Gerbrand J. Groen, Universität Uetrecht, von der niederländischen Arbeitsgruppe. Doch man müsse die endgültigen Ergebnisse abwarten.
Auch sei der Nutzen des Verfahrens zeitlich begrenzt, so Groen weiter: Binnen zwei Jahren sinkt die Erfolgsrate auf 30 Prozent ab. Groen: "Allerdings führt eine erneute Behandlung bei den meisten Patienten erneut zu ähnlichen Ergebnissen." Ähnlich sind auch die bisherigen Erfahrungen in Deutschland und Österreich.
Dr. med. Günter Schütze
Chefarzt Regionales Schmerzzentrum DGS - Iserlohn
Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin
und Spezielle Schmerztherapie, Marienhospital Letmathe
Klinik für Schmerzmedizin Klinikum Lüdenscheid
Märkische Kliniken GmbH
Hagener Straße 121, 58642 Iserlohn
Tel.: 02374 54170, Fax: 02374 54101
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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