S p e r r f r i s t: Montag, 4. September 2006, 18:30 Uhr
Mit einer Festveranstaltung hat das 1992 gegründete Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch den 100. Geburtstag seines Namensgebers Max Delbrück gefeiert. Prof. Fritz Melchers (Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin), der bei Max Delbrück promoviert hatte, schilderte in seinem Festvortrag in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) die Anfänge der Molekulargenetik und würdigte dabei die Verdienste Max Delbrücks als Mitbegründer dieser Forschungsrichtung. Prof. Jens Reich (MDC), Molekularbiologe, Arzt und DDR-Bürgerrechtler, beschrieb in seinem Festvortrag die Schwierigkeiten, sich in der DDR bis 1965 für Biologie und Genetik zu interessieren. Damals herrschte das Weltbild des umstrittenen Trofim Lysenko vor. Weiter würdigte er Delbrück`s Publikationen, die ohne "Fachwortschwall" auskamen. Von Seiten der Familie waren Hans-Jürgen Delbrück aus Ratingen und Dr. Sebastian Delbrück (Berlin) von der Delbrück`schen Familienstiftung zu der Festveranstaltung gekommen. Mit dem MDC und Berliner Schulen haben sie viele Jahre junge Leute, die in die Wissenschaft gehen wollen, gefördert. Der Geiger Mikhail Ovrutsky, Stipendiat der Freundeskreis Anne-Sophie Mutter Stiftung und erster Konzertmeister des Beethoven Orchesters Bonn gab den musikalischen Rahmen.
Max Delbrück habe gezeigt, dass Bakterien, die von Viren befallen werden, so genannte Bakteriophagen, spontan mutieren und dadurch gegen die Virusinfektion resistent werden und sich nicht etwa an die Viren anpassen, beschrieb Prof. Melchers die Bedeutung der Arbeit Max Delbrücks, für die er zusammen mit Salvador Luria und Alfred Hershey 1969 den Medizinnobelpreis erhalten hatte. "Max Delbrück hat die Grundsteine zu der explosiven Revolution in der Biologie gelegt, die uns gelehrt hat, die Struktur und Funktion der Gene in der Vielfalt von Leben, so in Viren, Bakterien, Parasiten, Insekten, Fischen, Säugetieren und dem Menschen zu begreifen", betonte Prof. Melchers.
Bei Niels Bohr in Kopenhagen habe Delbrück zudem "einen Geist in der Wissenschaft" erfahren, wie Delbrück ihn "in Deutschland nie erlebt habe: die Teamarbeit auf freier Mitarbeiterbasis. Junge und ältere Wissenschaftler aus vielen Ländern arbeiteten, sozusagen ohne Chef, in eigener Verantwortung an eigenen oder gemeinsamen Projekten." "Der nicht hierarchische, auf Eigenverantwortlichkeit und Selbstkritik ausgerichtete 'Kopenhagener Geist' der Forschung machte es sehr leicht, so die Wissenschaft 'selbstzukontrollieren'", betonte Prof. Melchers.
Mit seinen vier Imperativen habe Delbrück, so Prof. Melchers weiter, dem nach ihm benannten Forschungsinstitut in Berlin-Buch hohe ethische Ideale vorgelebt. Es sind: "die universelle Gültigkeit von Erkenntnissen in der Naturwissenschaft, alle Entdeckungen und Erkenntnisse gehören allen Menschen, Trennung der wissenschaftlichen Suche und Erkenntnis von der praktischen Nutzung der Ergebnisse, kein Ergebnis wird akzeptiert, bevor nicht alle Einwände und alternativen Möglichkeiten berücksichtigt und geprüft worden sind."
"Glasklare Schärfe - kein Fachwortschwall"
Prof. Reich, der Delbrück nie kennenlernte, hob die klare Sprache Delbrücks bei seinen Publikationen hervor. Er sagte: "Die gemeinsame Linie Delbrückscher Publikationen ist, dass er das Problem einleitend in glasklarer Schärfe und ohne jeden Fachwortschwall darstellt und stets sofort ausspricht, worauf er hinaus will. Es sieht alles ganz einfach aus."
"Wer aber den Weg vom Problem zum Ergebnis mit Delbrück gehen möchte, muss sich auf eine harte geistige Felswanderschaft einstellen", sagte Prof. Reich weiter. "Max Delbrück ist überall Physiker und dabei reiner Theoretiker. Seine experimentellen Leistungen scheinen sich auf den Einsatz zweier linker Hände bei einfachen Aufgaben als Laborhilfe erstreckt zu haben, Laborhilfskraft von Leuten, denen er stets als Erstautor den Vortritt lässt und die Ehre erweist, wenn seine Publikationen, wie zumeist, experimentelle und theoretische Resultate berichteten: Nikolai Timoféeff-Ressovsky zum Beispiel ?".
Der Physiker und Biologe Max Delbrück gilt als einer der Mitbegründer der Molekularbiologie. Zusammen mit Alfred Day Hershey (Carnegie Institution, Cold Spring Harbor, New York, USA) und Salvador Edward Luria (Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, USA) erhielt er 1969 den Nobelpreis für Physiologie und Medizin. Die drei Genetiker wurden für die Entschlüsselung der Struktur und des Vermehrungsmechanismus von Bakteriophagen ausgezeichnet.
Max Delbrück wurde am 4. September 1906 in Berlin geboren. Er studierte in Tübingen, Berlin, Bonn und Göttingen zunächst Astronomie, dann Astrophysik und schließlich Physik. 1930 promovierte er in Göttingen über eine quantenmechanische Theorie von Max Born. Mit einem Rockefeller Stipendium ging er nach Bristol, England, dann zu dem Physiker und Nobelpreisträger Niels Bohr nach Kopenhagen und schließlich an die Universität Zürich zu dem späteren Nobelpreisträger Wolfgang Pauli.
Niels Bohr weckte Delbrücks Interesse für die Biologie. Als Assistent bei Lise Meitner am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem in den dreißiger Jahren beschäftigte sich Delbrück mit quantenmechanischen Modellen von Genen. Dabei arbeitete er eng mit dem russischen Genetiker Nikolai Wladimirovich Timoféeff-Ressovsky zusammen, der am Kaiser-Wilhelm-Institut für Hirnforschung in Berlin-Buch tätig war, sowie mit dem Physiker Karl Günter Zimmer von der Strahlenabteilung des Cecilienhauses in Berlin-Charlottenburg. Ergebnis dieser Zusammenarbeit war die 1935 veröffentlichte Arbeit "Über die Natur der Genmutation und der Genstruktur", die für die weitere Entwicklung der Molekularbiologie wegweisend war.
1937 erhielt Delbrück ein weiteres Rockefeller-Stipendium und ging in die USA an das California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena, Kalifornien. Nachdem sein Stipendium ausgelaufen war, ging er als Physikdozent an die Vanderbilt-University in Nashville, Tennessee, wo er sieben Jahre unterrichtete. 1947 erhielt er am Caltech eine Professur für Biologie. Von 1961 bis 1963 ging er nach Deutschland, wo er Gastprofessor und Direktor des Instituts für Genetik der Universität Köln war. 1969 kam er noch einmal nach Deutschland und half die biologische Fakultät der neugegründeten Universität Konstanz aufzubauen.
Max Delbrück, der in den USA zunächst über die Genetik der Fruchtfliege Drosophila melanogaster arbeitete, führte die Bakteriophagen, Viren, die Bakterien infizieren, als einfachste biologische Objekte in die genetische Forschung ein und ermöglichte damit neue methodische Einstiege in die Biologie. Zusammen mit Hershey und Luria gründete er die "Phagengruppe".
Max Delbrück erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1967 die Gregor-Mendel-Medaille der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle. Er war Mitglied der American Academy of Arts and Sciences, der Royal Danish Academy, der Royal Society in London und der Französischen Akademie der Wissenschaften. Zahlreiche Universitäten verliehen ihm die Ehrendoktorwürde. Er starb im Alter von 74 Jahren am 9. März 1981 in Pasadena, Kalifornien.
Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Barbara Bachtler
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"Junger Mann mit Schal" (Max Delbrück), um 1937, Tempera auf Karton
Malerin: Jeanne Mammen, Copyright: MDC
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
Deutsch
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