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05.09.2006 11:49

Psychiatrie - eine Heimat? Psychiatrische und kulturphilosophische Zugänge zu einem kontroversen Thema

Dr. Thomas Nesseler Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)

    Auf den ersten Blick liegt nichts ferner, als in einer psychiatrischen Klinik einen heimatlichen Ort zu sehen: Wer als Patient in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird, mag es irritieren, dass die Psychiatrie sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als eine Disziplin verstand, mit den "Irrenanstalten" den "Irren eine Heimstatt zu geben." Darauf weist Dr. med. Martin Heinze, Ärztlicher Leiter am Klinikum Bremen Ost, in dem von ihm herausgegebenen Sammelband "Utopie Heimat" (Parodos Verlag, Berlin 2006) hin, der auf eine Tagung der Gesellschaft für Philosophie und Wissenschaften der Psyche im Mai 2005 in Bremen zurückgeht.

    Für Patienten, die sich in der Welt nicht mehr zu Hause fühlen, in ihrem Heim nicht mehr heimisch sind, kann die Klinik tatsächlich nicht nur ein Zufluchtsort sein, sondern eine neue Heimat, in der sie sich geborgen fühlen. Heinze votiert deshalb für einen neuen, offenen Umgang mit dem Heimatbegriff in der Sozialpsychiatrie. Er schlägt vor, sich von einem rückwärtsgewandten, häufig mit negativen Assoziationen wie Heimattümelei verbundenen Begriff abzusetzen und einen positiven, zukunftsbezogenen Heimatbegriff zu gewinnen. Somit kann die kritischen Sozialpsychiatrie mit daran arbeitet, eine Gesellschaft zu schaffen, in der sich die Menschen heimisch fühlen können. Zitat: "Für die Sozialpsychiatrie bietet der Heimatbegriff ein Potential zur fortwährenden Selbstkritik an den eigenen Institutionen und Haltungen."

    Diesem kritischen Heimatbegriff sind auch die anderen Beiträge des Bandes verpflichtet, die das gerade hochaktuelle Thema Heimat aus verschiedenen Blickwinkeln neu beleuchten. Allgemeine Begriffsbestimmungen stehen hier neben Beiträgen, die "Heimat" im weiteren Bedeutungsumfeld von Zuhausesein und Herkunft, aber auch im Lichte von Gegenbegriffen wie Fremdheit und dem Unheimlichen betrachten. Dass dabei Psychiater literarische Texte interpretieren und psychiatrische Themen aus philosophischer Sicht behandelt werden, ist laut Vorwort Ausdruck des aktiven Versuchs, über die jeweiligen Fachgrenzen hinaus zu denken. Die Beiträge befassen sich zum Beispiel mit Leben und Werk Friedrich Hölderlins und Robert Walsers, dem Heimweh oder dem Phänomen der Verwahrlosung.

    Martin Heinze, Dirk Quadflieg, Martin Bührig (Hg.): Utopie Heimat. Psychiatrische und kulturphilosophische Zugänge. Beiträge der Gesellschaft für Philosophie und Wissenschaften der Psyche, Band 6, Parodos Verlag, Berlin 2006, http://www.parodos.de; ISBN-10: 3-938880-02-3; ISBN-13: 978-3-938880-02-9, Paperback, 248 Seiten, EUR 19,00

    Information und Kontakt:
    Dr. Martin Heinze, Leiter des DGPPN-Referats Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie und Leitender Arzt, Behandlungszentren Mitte und West, Klinikum Bremen Ost, Züricher Str. 40, 28325 Bremen; Tel.: 0421/408 1363, Fax: 0421/408 2253, E-Mail: martin.heinze@klinikum-bremen-ost.de


    Weitere Informationen:

    http://www.parodos.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Psychologie, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     


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