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06.09.2006 11:53

Mit 35 schon zum alten Eisen? T-Systems-Manager legt Dissertation zum Thema "Altern in der Telekommunikationsbranche" vor

Frank Luerweg Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Mit 35 zählt man in manchen europäischen und amerikanischen Firmen schon zum "alten Eisen". Dass es auch anders geht, dokumentieren dagegen die Asiaten. Dort verändert sich mit dem Alter aber auch sukzessive die Rollenerwartung, die man an Führungskräfte stellt. In seiner Dissertation an der Universität Bonn hat der T-Systems-Manager Dr. Jürgen T. Tenckhoff verglichen, wie die Beteiligungsgesellschaften der Telekom in verschiedenen Ländern mit älteren Mitarbeitern umgehen. Sein Fazit: Im Westen ist die "Altersakzeptanz" am geringsten ausgeprägt. Die Studie ist jetzt in Buchform erschienen.

    Der Autor Dr. Jürgen T. Tenckhoff weiß, wovon er redet: Er hat lange Zeit in führender Position bei T-Mobile gearbeitet und ist nun "Vice President Network IT Solutions" bei T-Systems. Mit seinen 50 Jahren ist Tenckhoff in dieser Branche schon fast eine Ausnahmeerscheinung: Der durchschnittliche T-Mobile-Mitarbeiter z.B. zählt gerade einmal 38 Lenze. Als Angestellter der Firma Ericsson zählt man gar schon mit 35 zum alten Eisen: Kürzlich hat das schwedische Telekommunikationsunternehmen ein Programm vorgestellt, durch das es Mitarbeiter jenseits dieser magischen Grenze mit Prämien dazu bewegen will, das Unternehmen zu verlassen.

    Gerade im Mobilfunksektor ist der Trend zur "Verjüngung" der Belegschaft ungebrochen. "Doch auch in anderen Branchen gibt es diese Tendenz", betont Tenckhoff. "Auch wenn man in Unternehmen häufig positiv über Ältere spricht, scheint man von diesen faktisch eher wenig zu halten. Gerade vor dem Hintergrund überlasteter Sozialsysteme ist das jedoch ein unhaltbarer Zustand." Der studierte Elektrotechniker und Soziologe hat das Phänomen in seiner Dissertation an der Universität Bonn genauer unter die Lupe genommen. Dazu hat er mit älteren Managern und Geschäftsführern in verschiedenen Beteiligungsgesellschaften der Deutschen Telekom ausführliche Interviews geführt. Die insgesamt zehn betrachteten Unternehmen stammen aus Asien, Ost- und Westeuropa und verfügen über eine Gemeinsamkeit: Sie sind alle Mobilfunkanbieter auf ihren lokalen Märkten. Ergänzend hat sich Jürgen Tenckhoff in Deutschland mit Betriebsräten, Vertretern von Verdi und Verantwortlichen des Personal-Managements bei T-Mobile Deutschland unterhalten.

    Dabei hat er gravierende Unterschiede vor allem zwischen dem westlichen und dem asiatischen Kulturkreis ausgemacht. "Im Westen bewertet man Mitarbeiter während ihres gesamten Berufslebens überwiegend nach den Kriterien 'Leistungsbereitschaft' und 'Leistungsfähigkeit'. Das sind die wesentlichen Parameter, die aus Sicht des Unternehmens zählen. Je älter der Mitarbeiter, desto weniger traut man ihm in diesen beiden Punkten zu." "Negative Altersstereotypen" nennt Tenckhoff das ein wenig bitter. In Asien sei das anders: Einerseits schätze man dort den Effizienzvorsprung, den ältere Angestellte aufgrund ihrer Erfahrung haben. Andererseits billige man ihnen mit der Zeit aber auch eine veränderte Rolle in ihren Unternehmen zu: "Der Senior-Manager beispielsweise in Indonesien übernimmt mehr und mehr eine beratende Funktion, eine Art Vaterrolle", betont Tenckhoff.

    Der T-Systems-Manager geht aber auch mit seinen Altersgenossen scharf ins Gericht: "Wer bei Meetings immer nur sagt: Das hat schon vor zehn Jahren nicht geklappt, der nutzt seinen Erfahrungsschatz zu destruktiv. Er muss sich dann nicht wundern, wenn er mit der Zeit als unflexibler Quertreiber dasteht - und damit gängige Altersstereotype unterstützt oder gar generiert." Derartige Verhaltensweisen seien mit der Grund, warum jüngere Führungskräfte mit älteren Mitarbeitern oft nicht klar kämen. Wenn plötzlich ein 40-Jähriger in die Führungsspitze berufen werde, hole der sich daher gerne jüngere oder gleichaltrige Hauptabteilungsleiter. Und diese "Verjüngung" pflanze sich rasch nach unten fort. "In den USA geht das oft besonders rasant; nach ein bis zwei Jahren finden Sie in der Belegschaft plötzlich kaum noch Mitarbeiter, die älter sind als der Chef."

    Nicht ohne Kampf aufs Abstellgleis

    Tenckhoff plädiert dafür, dass beide Seiten umdenken: Einerseits müssten die Unternehmen neben geeigneten Qualifizierungsangeboten auch adaptive Arbeitssysteme für Ältere schaffen. So ließen sich der Kompetenzzuwachs und die größeren sozialen Netzwerke Älterer z.B. über Funktionen als Mentor oder Coach im Unternehmen fruchtbar machen. Dazu gehöre es allerdings zusätzlich, durch gezielte Personalpolitik Vertrauen aufzubauen. Sonst würden Ältere diese Angebote nicht akzeptieren. "Die Erfahrung sagt ihnen momentan doch meist: Mit uns geschehen schlimme Dinge, wenn wir uns erst als 'Ältere' geoutet haben." Andererseits müssten auch Manager selbst fortlaufend in ihren eigenen "Wert" für das Unternehmen investieren. Und vor allem: "Niemand soll sich ohne Kampf aufs Abstellgleis schieben lassen. Damit wird man weder seiner gesellschaftlichen noch der eigenen unternehmerischen Verantwortung gerecht."

    Tenckhoff bedauert, dass bislang kaum Studien darüber existieren, ob "junge" Belegschaften tatsächlich wirtschaftlicher und effizienter arbeiten als ältere. "Vielleicht hat ein erfahrener Mitarbeiter, der schon 50 oder mehr Projekte durchgeführt hat, für sein Unternehmen sogar quantifizierbare Vorteile", sagt er. "Es fehlt leider an harten Fakten; hier sehe ich einen großen Nachholbedarf." René Obermann, Jahrgang 63, der mit 40 bereits Vorstand der deutschen Telekom wurde, hat die Botschaft aufgegriffen. Im Geleitwort zu Tenckhoffs Buch schreibt er: "Es mag zu denken geben, dass gerade in diesen [die älteren Mitarbeiter] stärker integrierenden Regionen das wirtschaftliche Wachstum zuletzt wesentlich dynamischer gewesen ist als z.B. in Deutschland, auch bezogen auf unsere Branche."

    Jürgen T. Tenckhoff: "Alter(n) in globalen Unternehmen der Telekommunikationsbranche", LIT Verlag, Münster, ISBN 3-8258-9593-9

    Kontakt:
    Dr. Jürgen T. Tenckhoff
    E-Mail: juergen@tenckhoff.de
    http://www.tenckhoff.eu


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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