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08.09.2006 11:14

Molekulare Anstandsdamen bieten Schutz vor Fehlfaltung - Neue Familie entdeckt

Barbara Bachtler Kommunikation
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch

    S p e r r f r i s t: Freitag, 8. September 2006, 15.00 Uhr

    Fehl gefaltete Proteine und ihre Verklumpung gelten als Ursache für neurodegenerative Krankheiten wie zum Beispiel Chorea Huntington. Prof. Ulrich Hartl vom Max-Planck-Institut für Biochemie in München hat eine neue Familie molekularer Anstandsdamen identifiziert, die verhindert, dass sich Proteine "falsch verhalten" und dafür sorgt, dass sie sich korrekt falten. Wie er auf der internationalen Konferenz "Neurodegenerative Diseases: Molecular Mechanisms in a Functional Genomics Framework" im Max Delbrück Communications Center (MDC.C) berichtete, ergänzt und unterstützt die von ihm und seinen Mitarbeitern jetzt identifizierte neue Familie (kurz TriC genannt) von Chaperonen (engl. für Anstandsdame), die Arbeit einer bereits vor Jahren entdeckten Chaperon-Familie, die zu den so genannten Hitzeschockproteinen (Hsp 70 - Familie) gehört. Beide Familien verhindern, dass sich Proteine falsch falten, verklumpen und den Untergang von Nervenzellen auslösen.

    Proteine, die Baustoffe und Maschinen des Lebens, können erst aktiv werden, wenn sie sich falten und damit eine räumliche Struktur einnehmen. Unlösliche Eiweißablagerungen in den Nervenzellen gelten als Ursache für Chorea Huntington, ein unheilbares Leiden. Die Krankheit löst heftige, unkontrollierte Bewegungen, einen torkelnden Gang und Grimassenschneiden aus, weshalb sie auch "Veitstanz" genannt wurde. Ihr wissenschaftlicher Name Chorea (altgriech. für Tanz) Huntington geht auf den amerikanischen Arzt George Huntington zurück, der sie 1872 als Erster beschrieben hat. Die unheilbare Krankheit ist genetisch bedingt. Forscher schätzen, dass ein Mensch unter 15 000 erkrankt. In Deutschland sind derzeit 8 000 Fälle bekannt, in Kanada 10 000 und in den USA 30 000.

    1993 entdeckten Forscher das Gen, das für das Protein Huntingtin kodiert. Dieses Protein löst die Krankheit aus. Es setzt sich in den Zellkernen von Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn ab. 1997 konnte Prof. Erich Wanker (damals Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin, jetzt Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, MDC, Berlin-Buch) zeigen, dass diese Ablagerungen oder Aggregate aus fehlgefalteten Huntingtin-Molekülen bestehen. In den Eiweißfabriken der Nervenzellen Betroffener werden zuviele Glutamin-Bausteine in die Aminosäuresequenz des Huntingtin eingefügt. Durch die dadurch entstehenden überlangen Polyglutaminketten verliert das Eiweiß seine normale Struktur und kann nicht mehr abgebaut werden. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Eiweißklumpen die Nervenzellen vergiften.

    Auch hier ist unklar, wie die Verklumpungen die Nervenzellen zur Fehlfunktion und schließlich zum Untergang bringen. Es gibt dafür verschiedene Hypothesen. "Möglicherweise, so Prof. Hartl, ziehen die überlangen Polyglutaminketten andere wichtige Proteine mit kurzen Polyglutaminketten in die Aggregat-Ablagerungen hinein." Eine andere Vorstellung ist, dass die überlangen Polyglutaminketten die Arbeit der zellulären "Müllabfuhr", der Proteasome, behindert und die schädlichen Eiweiße deshalb nicht abgebaut werden können.

    Die Hitzeschockproteine sind, so Prof. Hartl, in der Lage die Proteinverklumpung zu verhindern, wodurch sie auch weniger giftig für die Nervenzellen sind. Die TriC-Familien wirken mit den Hitzeproteinen zusammen. Beide Familien von Anstandsdamen sorgen dafür, dass das falsch gefaltete Protein löslich bleibt und nicht verklumpt. Inwieweit diese Erkenntnisse für die Entwicklung von Therapien gegen neurodegenerative Erkrankungen genutzt werden können, bleibt abzuwarten.

    Auf der viertägigen Konferenz, die am 6. September in Berlin-Buch begann, diskutieren rund 200 Genomforscher und Kliniker aus Kanada, Europa, Japan und den USA neueste Erkenntnisse über neurodegenerative Erkrankungen, die mit Hilfe der Gen- und Proteinforschung erzielt worden sind. Organisatoren der Konferenz unter dem Dach des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN), das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird, sind das MDC, die Charité -Universitätsmedizin Berlin und die Universität Bonn.

    Pressestelle
    Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
    Barbara Bachtler
    Robert-Rössle-Straße 10
    13125 Berlin
    Tel.: 0049/30/94 06 - 38 96
    Fax: 0049/30/94 06 - 38 33
    e-mail: presse@mdc-berlin.de
    http://www.mdc-berlin.de/ueber_das_mdc/presse/index.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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