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13.09.2006 10:47

Der Blick auf die andere Seite

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Stiftung bewilligt vier weitere Projekte in ihrem "Brückenprogramm zwischen Wissenschaft und Praxis in der Transformation des Sozialstaates" - neue und letzte Ausschreibungsrunde mit Stichtag am 15. März 2007

    Karriere in der Wissenschaft - oder doch in der Praxis? Für viele junge Berufstätige steht in der Phase nach dem Studium diese Entscheidung an. Sind dann die Weichen gestellt, ist ein Wechsel der Sphären von der Wissenschaft in die Praxis - oder umgekehrt: von der Praxis in die Wissenschaft - oftmals nur noch schwer möglich. Dabei kann ein Blick auf die jeweils andere Seite äußerst produktiv und bereichernd sein. Einen solchen Perspektivwechsel zu ermöglichen, ist das Ziel des "Brückenprogramms zwischen Wissenschaft und Praxis in der Transformation des Sozialstaates" der VolkswagenStiftung. Praktiker und Wissenschaftler im Alter von etwa 30 bis 45 Jahren erhalten hier die Gelegenheit, die jeweils andere Arbeitssphäre in diesem Themenfeld kennen zu lernen. Damit möchte die Stiftung nachhaltig dazu beitragen, die starre Abschottung zwischen den Karrieremustern aufzulockern und "Schnittstellen-Biografien" zu fördern.

    Die "Brückenschläge" können dabei in beide Richtungen erfolgen: Zum einen sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach thematisch einschlägigen Forschungsarbeiten Erfahrungen sammeln in geeigneten Organisationen der staatlichen und außerstaatlichen Praxis - auch im europäischen Ausland und bei internationalen Organisationen. Andererseits sollen sich entsprechend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solcher Organisationen, also "Praktiker", eine vertiefte Orientierung in der Grundlagenforschung erarbeiten können. Arbeitsgegenstand müssen jeweils Probleme der Sozialstaatstransformation in Deutschland und im internationalen Rahmen sein. Die von der Stiftung geförderte Dauer der Arbeitsaufenthalte liegt bei sechs bis zwölf Monaten.

    Die Stiftung schreibt in diesem Jahr das Brückenprogramm zum fünften - und letzten - Mal aus; Stichtag ist der 15. März 2007. Details stehen unter http://www.volkswagenstiftung.de/foerderung/gesellschaft-und-kultur/zukunftsfragen.html zum Download zur Verfügung. Das Merkblatt für Antragsteller und ein Informationsfolder können auch bei der Stiftung angefordert werden; Kontakt: Silvia Birck unter Telefon 0511 8381 246 oder birck@volkswagenstiftung.de.

    Im Zuge der diesjährigen Ausschreibungsrunde hat die VolkswagenStiftung weitere vier Personen in das Programm aufgenommen. Wir stellen Ihnen die jeweiligen Projekte im Folgenden vor.

    1. Mit rund 65.000 Euro fördert die Stiftung den einjährigen Arbeitsaufenthalt von Simon Vaut bei der Bundesagentur für Arbeit in Berlin und Nürnberg. Simon Vaut arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso) in Saarbrücken. Sein Thema: "Zielvereinbarungen in der Arbeitsmarktpolitik".

    Anfang 2004 wurde die vormalige "Bundesanstalt für Arbeit" zur "Bundesagentur für Arbeit" (BA). Angestrebt war und ist damit nicht zuletzt auch der Wandel von einer Behörde zu einem zwar öffentlich getragenen, aber wirtschaftlich agierenden Unternehmen. Dieser Prozess ist zurzeit in vollem Gange. Und der nächste Schritt steht bereits auf der Agenda: Nach Vorschlag der ehemaligen "Hartz-Kommission" sollen statt Gesetze und Weisungen künftig Zielvereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Bundesagentur für Arbeit den Reformprozess steuern. So ist angestrebt, dass bis Ende 2006 ein solcher Ziel-Kontrakt vorbereitet und im Jahr 2007 implementiert wird. Hier setzt das "Brückenschlagvorhaben" des Verwaltungswissenschaftlers Simon Vaut an: Wie lässt sich dieser Prozess optimal gestalten? Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse können hilfreich sein? Was lässt sich von ausländischen Arbeitsverwaltungen wie dem Arbeitsmarktservice in Österreich oder dem Jobcentre plus in Großbritannien lernen?

    Die Reform der Bundesagentur für Arbeit steht unter dem Leitbild "Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit". In Folge dessen muss die BA als sozialpolitischer Akteur in vielfach veränderter Rolle auftreten - beispielsweise unter Kostenaspekten vertretbare wie gleichermaßen wirksame Angebote für jene Arbeitssuchenden auflegen, die nur schwer in den Arbeitsmarkt zu integrieren sind. Begleitend hat zudem die Bundesregierung immer wieder versucht, die BA zu Sonderprogrammen etwa für Geringqualifizierte oder ältere Arbeitnehmer zu verpflichten. "Nicht nachhaltig" und "reiner Aktionismus" lautet die Kritik vieler Experten an diesem Vorgehen. Eine Lösung dieses Dilemmas könnten nun die vorgesehenen Zielvereinbarungen sein. Sie haben den Vorteil, lediglich festzulegen, was für die betreffenden Personengruppen erreicht werden soll - ohne der BA vorzuschreiben, auf welchem Weg sie diese Ziele zu erreichen hat. Simon Vaut möchte den Veränderungsprozess auf Seiten der Bundesagentur begleiten. Er will Erkenntnisse darüber gewinnen, wie sich die Zielsteuerung in der Arbeitsmarktpolitik verbessern lässt und inwieweit eine Übertragbarkeit auf andere Politikfelder möglich ist. Zudem gilt sein Interesse der Frage, ob die wissenschaftlichen Konzepte zum Thema Kontraktmanagement für dieses Anwendungsfeld greifen. Am Beginn und Ende des Arbeitsaufenthalts plant der junge Forscher Workshops, bei denen sich Praktiker und Wissenschaftler zum Thema Zielsteuerung austauschen können.

    Arbeitsbeginn von Simon Vaut war der 1. August 2006.

    Kontakt
    Simon Vaut
    E-Mail: vaut@arbeitsagentur.de

    2. Mit rund 68.000 Euro fördert die Stiftung den einjährigen Arbeitsaufenthalt von Dr. Claudia Münch in der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, Abteilung Europa- und Internationale Angelegenheiten. Claudia Münch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Politikwissenschaft II der Universität Düsseldorf. Ihr Thema: "Zwischen Wettbewerb und Gemeinwohlorientierung - Einfluss der Europäischen Integration auf die sozialpolitische Rolle der Kommunen".

    Welche Aufgaben hat der Staat zu erfüllen und welche nicht? Wie geht es mit dem Sozialstaat in Deutschland weiter? Die Diskussion über diese Frage wird maßgeblich durch das zusammenwachsende Europa bestimmt. Die Europäisierung ist in vollem Gange, der Anpassungsdruck enorm. Ob Bund, Land oder Kommunen: Keine Verwaltungseinheit kann sich den europäischen Vorgaben in Form von Verordnungen und Richtlinien entziehen. Hier setzt das Interesse Claudia Münchs an. Sie möchte sich während ihres "Seitenwechsels" auf die Rolle der Kommunen in Fragen der Sozialpolitik konzentrieren. Ihre Hypothese: Bei kommunalen Akteuren ist zurzeit ein deutlicher Strategiewandel zu beobachten. Jene hätten erkannt, dass sie die europäischen Rahmensetzungen konsequent in ihre Arbeit einbeziehen müssten und es für sie von Vorteil sein kann, selbst aktiv gestaltend aufzutreten. Tatsächlich gibt es inzwischen Kommunen, die sich merklich auf europäischer Ebene engagieren.

    Wie beeinflusst nun das europäische Gemeinschaftsrecht die staatliche Handlungsautonomie in der Sozialpolitik? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Kommunen? Wie passen jene sich strategisch den veränderten Rahmenbedingungen an? Diese Leitfragen stehen im Zentrum des Arbeitsaufenthalts von Claudia Münch in der Europa-Abteilung der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie setzt sich dort vor allem mit dem Themenkomplex "Das Europäische Sozialmodell in der Globalisierung" auseinander. Die Staatskanzlei stellt eine wichtige Schnittstelle zwischen europäischer und kommunaler Ebene dar. Eine ihrer zentralen Aufgaben ist es, die Kommunen zu unterstützen und damit das kommunalpolitische Handeln mit den europäischen Vorgaben zu harmonisieren.

    Besondere Beachtung schenkt Münch den Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie auf die spezifisch deutsche Form der "Daseinsvorsorge" und widmet sich hier den Angeboten kommunaler Eigenbetriebe im Bereich sozialer Dienste. Nach ihrer Einschätzung wird die Öffnung der kommunalen Dienstleistungen für den Wettbewerb den ohnehin zu beobachtenden Wandel vom "Leistungsstaat" zum "Gewährleistungsstaat" - dabei werden bestimmte, bislang öffentlich getragene Leistungen durch private Unternehmen sichergestellt - verstärken.

    Arbeitsbeginn von Claudia Münch ist der 1. Januar 2007.

    Kontakt
    Dr. Claudia Münch
    E-Mail: claudia.muench@phil-fak.uni-duesseldorf.de

    3. Mit rund 87.000 Euro unterstützt die Stiftung den einjährigen Arbeitsaufenthalt von Dr. Silke Bothfeld am Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen. Silke Bothfeld ist bei der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf für Arbeitsmarktpolitik zuständig. Ihr Thema: "Die Ökonomisierung der Geschlechterverhältnisse im konservativen Wohlfahrtsstaat".

    Seit Ende der 1990er Jahre zielt die Gleichstellungs- und Familienpolitik in Deutschland verstärkt darauf, die Erwerbstätigkeit von Frauen und insbesondere von Müttern zu fördern. Dabei finden sich in der Diskussion immer wieder Argumente, die betonen, dass die Erwerbstätigkeit von Frauen für die ganze Gesellschaft ökonomisch von Bedeutung ist; gleiches gilt für die frühkindliche Erziehung und Bildung der Kinder außerhalb der Familie. Damit schließt die öffentliche Meinung in Deutschland - das Silke Bothfeld als konservativen Wohlfahrtsstaat einstuft - an die Debatten in den EU-Mitgliedsländern und in anderen Staaten an.

    Doch was genau verbirgt sich hinter diesen Bestrebungen? Bisher ließen sich international in den parteipolitischen Diskussionen zwei entgegen gesetzte Haltungen ausmachen: einerseits egalitäre - und eher von sozialdemokratischen und grünen Parteien vertretene - und andererseits traditionalistische Positionen; letztere vornehmlich eingenommen von konservativen Parteien. Beinhalten nun die eher neueren, auf den Bereich der ökonomischen Notwendigkeit zielenden Argumente auch emanzipatorische Aspekte? Diese und weitere Fragen will Silke Bothfeld im Rahmen ihres geplanten Forschungsaufenthaltes beantworten. Sie vergleicht und analysiert geschlechterpolitische Reformen in ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten und untersucht, wie insbesondere konservative Akteure, die bisher eine traditionalistische Haltung einnahmen, mit Wertekonflikten umgehen. Lässt sich hier eher eine rhetorische Anpassungsstrategie beobachten - oder handelt es sich tatsächlich um einen politischen Lernprozess?

    Mit vergleichenden Analysen zu den konservativen Regierungsparteien in Deutschland und Frankreich möchte Silke Bothfeld zudem erhellen, wie individuelle Überzeugungen mit den Anforderungen durch die internationalen Strategien in Einklang gebracht werden. Die sonst hauptberuflich mit praxisorientierter Transfertätigkeit und anwendungsbezogenen Analysen zur aktiven Arbeitsmarktpolitik und Frauenerwerbstätigkeit befasste Politologin wird im Rahmen ihres "Spärenwechsels" vor allem in die Abteilung "Geschlechterpolitik im Wohlfahrtsstaat" und in ein einschlägiges EU-Netzwerk eingebunden. Ein weiteres Ziel ist es, die Forschungsergebnisse dann in die Praxis zu tragen - etwa durch eine Tagung mit Vertretern des Arbeitsfeldes.

    Arbeitsbeginn von Dr. Silke Bothfeld ist der 1. Oktober 2006.

    Kontakt
    Dr. Silke Bothfeld
    E-Mail: Silke.Bothfeld@berlin.de

    4. Mit 60.000 Euro fördert die Stiftung den einjährigen Arbeitsaufenthalt von Dr. Ulrike Schuhmacher in der Netzwerkstelle MOL - Netzwerk für Perspektiven in Märkisch-Oderland in Seelow. Ulrike Schuhmacher arbeitet als Politikwissenschaftlerin am Zentrum Technik und Gesellschaft der Technischen Universität Berlin. Ihr Thema: "Demokratie und Gemeinsinn stärken - Ein Modellansatz im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland auf der Grundlage des US-amerikanischen 'Community Organizing'".

    Wo der Staat an die Grenzen seiner Möglichkeiten stößt, da wird in den vergangenen Jahren zunehmend die so genannte Zivilgesellschaft beschworen. In den USA gibt es bereits gut erprobte Formen der Gemeinwesenarbeit, etwa das "Community Organizing". Hier werden die Bürger ermutigt, sich aktiv an der Gestaltung ihrer Umwelt zu beteiligen und die lokale Selbstorganisation zu stärken. Gemeinsame kreative Aktionen zur Verbesserung einer gegebenen Situation bilden dabei den Kern des gemeinsamen Engagements. In Deutschland steckt dieser Ansatz noch in den Anfängen und wird allenfalls in Städten und deren Umfeld verfolgt.

    Ulrike Schuhmacher möchte ihren "Sphärenwechsel" dazu nutzen, das Modell des "Community Organizing" auf die ländliche Regionalentwicklung anzuwenden. Sie wird prüfen, inwieweit sich der Ansatz auch für den dünn besiedelten ländlichen Raum Ostdeutschlands eignet. Gerade hier begegnen Staat und Bevölkerung zahlreichen Herausforderungen, die in Summe schwer zu meistern sind: hohe Erwerbslosigkeit, die Alterung der Gesellschaft, Abwanderung junger Menschen und sich abzeichnende Versorgungslücken in der Bereitstellung sozialer, kultureller, technischer und medizinischer Infrastruktur. Neue Herangehensweisen und Ideen für tragfähige und attraktive Strukturen vor Ort tun Not. Kann der US-amerikanische Ansatz hier eine denkbare Lösung sein? Die gastgebende Institution "Netzwerkstelle MOL" ist für die Wissenschaftlerin der ideale Partner. Sie bündelt zivilgesellschaftliche Aktivitäten im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland und bemüht sich darum, in der Gemeinwesenarbeit partizipatives Handeln zu verankern. Vor allem ist es Ziel der Beteiligten, jungen Menschen in der Region Perspektiven aufzuzeigen. Ulrike Schuhmacher wird während ihres Aufenthalts vor allem helfen, Fortbildungsangebote und Veranstaltungen zu konzipieren, zu organisieren und durchzuführen. Ergänzend möchte sie am Beginn des Arbeitsaufenthaltes ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse über "Community Organizing" durch eine Hospitation bei lokalen Bürgerplattformen in Chicago, USA, vertiefen.

    Arbeitsbeginn von Dr. Ulrike Schumacher ist der 1. September 2006.

    Kontakt
    Dr. Ulrike Schuhmacher
    E-Mail: schuhmacher@ztg.tu-berlin.de

    Kontakte VolkswagenStiftung

    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Christian Jung
    Telefon: 0511 8381 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Ausschreibung Brückenprogramm
    zwischen Wissenschaft und Praxis in der Transformation des Sozialstaates
    Dr. Alfred Schmidt
    Telefon: 0511 8381 237
    E-Mail: schmidt@volkswagenstiftung.de

    Der Text der Presseinformation steht im Internet zur Verfügung unter http://www.volkswagenstiftung.de/service/presse.html?datum=20060913


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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