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28.01.2000 14:05

Die Verwandtschaftsverhältnisse der Goslarer mittelalterlichen Hüttenleute aufgedeckt

Jochen Brinkmann Kontaktstelle Schule - Universität
Technische Universität Clausthal

    Auch die Naturwissenschaft kann, ergänzend zur Archäologie und der historischen Forschung, der Vergangenheit die "Zunge lösen". Das zeigte der Göttinger Anthropologe Professor Dr. Bernd Herrmann in seinem Vortrag zur Molekularen Archäologie am 27. Januar im Audimax der TU Clausthal.

    Zwei Gattungen an "Quellen" können erschlossen werden. Die Analyse der Erbsubstanz der Verstorbenen deckt Verwandschaftsbeziehungen zwischen den Individuen auf und kann so Hinweise geben zur relativen Abgeschlossenheit oder Offenheit einer menschlichen Gemeinschaft. Und dies eben auch aus vorschriftlicher Zeit, oder wenn die historischen Quellen hierüber schweigen. Am Beispiel der Analyse der DNA, gewonnen aus Skeletten des Friedhofs der Brüderngemeinde in Goslar, konnte die Arbeitsgruppe um Professor Herrmann herausfinden, daß die mittelalterlichen Goslarer Hüttenleute eine auch für die damaligen Verhältnisse außerordentlich geschlossene Gruppe darstellten und weitgehend unter sich heirateten.

    Die Anreicherung bestimmter Spurenelemente in Knochen machen diese zur "biographischen CD". Information über die der Ernährungs- und Krankheitsgeschichte des Menschen tragen sie in sich. Professor Herrmann zitierte Bertolt Brecht: " Der Mensch ist, was er ißt. " Und weil nur die Reichen sich die teurere fleischliche Nahrung leisten konnten, erlaubt die Bestimmung des in den Knochen gespeicherten Cholesterols, einer Fettsäure, eine Aussage zu den Ernährungsgewohnheiten der Menschen. Die soziale Schichtung einer Stadt wird sichtbar. Wie viele Reiche gab es in ihr? Hungerzeiten und Krankheiten, wie beispielsweise die Tuberkulose lassen sich an den Skeletten ablesen.

    Zu Zeiten der jüngeren Steinzeit fuhren die Bewohner der Küste Dänemarks offensichtlich nicht zur See, sie aßen kaum Fische, fürchteten das Meer. Erst spätere Zivilisationen eroberten das Meer und sein Nahrungspotential. Wiederum andere Biomoleküle, die Alkaloide, verraten den Drogengenuß, Alkohol- und Tabakkonsum der Altvorderen.

    Bei der Interpretation der Laborbefunde ist Vorsicht geboten. Mißt der Wissenschaftler seine DNA oder die des Verstorbenen? Verrät das Meßgerät den Tabakgenuß des viele Jahrhunderte zuvor Verstorbenen, oder zeigt es das Laster des Wissenschaftlers? Denn noch der kleinste Speicheltropfen, Haar- oder Nagelrest des Bearbeiters, welches in die Probe gerät, verfälscht den Befund. Der Wissenschaftler würde sich selbst, nicht vergangenen Zeiten ins Auge schauen.

    Am Beispiel eines extrem mißgebildeten nicht überlebensfähigen Kindes, welches eine Frau 1755 in Sachsen zur Welt brachte - aufbewahrt in konservierter Form in der Pathologie der Kinderklinik Chemnitz - zeigte Professor Herrmann, daß ein solcher Positivbefund erzielt werden kann. Es stellte sich heraus, daß der Grund für die Fehlbildung in einem Defekt des Chromosoms 17 bestand. Da aber kein Mensch mit einem solchen Befund lebensfähig ist, konnte keiner der Wissenschaftler während der Untersuchung diese DNA unwissentlich als Verunreinigung in die Meßapparaturen eingeschleppt haben.

    Praktische Bedeutung erlangt die DNA-Analyse in der Kriminalistik, berichtete Professor Herrmann. Einbrecher hinterlassen oft Kotreste und somit, auch wenn sie Handschuhe tragen, Spuren, einen "genetischen Fingerabdruck".

    Er könne sich auch vorstellen, mit der DNA-Analyse gefälschten Devotionalien auf die Spur zu kommen, vermutete Professor Herrmann:" Vielleicht hat so mancher Pfarrer einen Rinderknochen als eine Reliquie eines Heiligen ausgegeben."


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geschichte / Archäologie, Informationstechnik
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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