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31.01.2000 17:32

Erfolgreiches Mittel aus Göttingen: Tödliche Tropenkrankheit jetzt heilbar

Dr. Christoph R. Nothdurft Kommunikation & Medien
Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

    Leishmaniase, auch bekannt als "kala-azar" (Schwarze Krankheit, "black fever") gehört zu den weit verbreiteten Infektionskrankheiten mit hoher Todesrate. Betroffen sind vor allem tropische Länder, zunehmend aber auch Regionen in Südeuropa. Auch in anderen europäischen Ländern werden Leishmaniase-Erkrankungen registriert, allein in der Schweiz mehrere hundert Fälle pro Jahr. Bei bestimmten Formen der Leishmaniase waren die Heilungsausichten bisher gering, bei anderen drohten dauerhafte Verstümmelungen und Narben, die die gesellschaftliche Eingliederung der Betroffenen erschwerten. Ein von Prof. Hansjörg Eibl, Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, und Prof. Clemens Unger, damals Klinikum der Universität Göttingen, entwickeltes Mittel hat in einer Studie an Erkrankten jetzt einen fast 100-prozentigen Heilungserfolg erbracht (New England Journal of Medicine, Dezember 1999).

    An Leishmaniase leiden nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation zur Zeit über 12 Millionen Menschen, von denen viele mangels erfolgreicher Behandlungsmöglichkeiten auch sterben.

    Geographisch tritt die Erkrankung hauptsächlich in tropischen und subtropischen Zonen auf, dringt zunehmend aber auch in südeuropäische Länder wie Spanien, Südfrankreich und Italien vor und ist weltweit in 88 Ländern verbreitet. Derzeit leben etwa 350 Millionen Menschen in gefährdeten Gebieten. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen liegt bei 2 Millionen, von denen etwa 500 000 an der viszeralen Leishmaniase erkranken, einer besonders schweren und ohne Behandlung immer tödlich verlaufenden Form. Die Tendenz ist steigend.

    Die typischen Symptome der viszeralen Leishmaniase sind Fieber, Müdigkeit, Gliederschmerzen, einhergehend mit einem allgemeinen Kräfteverfall, der in einer allmählichen vollständigen Zerstörung von Leber und Milz endet. Unbehandelt führt die Krankheit in einem Zeitraum von 6 bis 24 Monaten zum Tode.

    Vor etwa 30 Jahren ist damit begonnen worden, Impfstoffe gegen die viszerale Leishmaniase zu entwickeln. Trotz zahlreicher Bemühungen waren die Versuche bis heute erfolglos Die übliche Form der Behandlung von Leishmaniase ist nach wie vor eine intravenöse Therapie mit sehr giftigen Antimonverbindungen, an der etwa 15% der Patienten sterben. Viele Patienten sprechen auf diese Therapie nicht an, da einige Erreger inzwischen resistent geworden sind.

    Besonders Epidemien verlangen eine Therapie, die effektiv und sicher, leicht anwendbar und nach Möglichkeit preisgünstig ist, um die große Anzahl von Betroffenen zu behandeln. Die ideale Therapieform wäre eine orale Therapie, d.h. die Einnahme des Arzneimittels mit der normalen Nahrungsaufnahme. Diese ideale Therapieform gab es bislang nicht.

    Ein Durchbruch wurde jetzt mit einem Wirkstoff erzielt, der vor einigen Jahren in Göttingen entwickelt und getestet wurde. Miltefosin, chemisch Hexadecylphosphocholin, wurde von Prof. Hansjörg Eibl am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen, zusammen mit Prof. Clemens Unger, damals Klinikum der Universität Göttingen, heute Klinik für Tumorbiologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, durch Struktur-Wirkungsuntersuchungen antitumoral wirksamer (Alkyl)-Lysophospholipide als oral wirksames Prinzip entdeckt und für klinische Studien vorbereitet. In jahrelanger Arbeit haben die Arbeitsgruppen um Eibl und Unger damit weltweit das erste Arzneimittel entwickelt, das auf die Struktur eines Phospholipids zurückgeht. Es war auch das erste Medikament aus einem Institut der Max-Planck-Gesellschaft, das als Arzneimittel zugelassen wurde.

    Miltefosin, inzwischen auch erfolgreich bei der Bekämpfung von Hautmetastasen bei Brustkrebs eingesetzt, wurde von Eibl und Unger dann in Zellkulturexperimenten und in Tierversuchen auf seine Wirkung gegen Leishmaniase und Malaria getestet. In der Zellkultur zeigte Miltefosin gegenüber Leishmania donovani gute Wirkung. Problematisch war jedoch die Anwendung im Tierversuch. Die intravenöse Anwendung, der sicherste und direkteste Weg, kam nicht in Frage, da Miltefosin bei der Injektion zu starken Gewebeveränderungen und auch zu Hämolyse führte. Die Lösung des Problems fanden Eibl und Unger schließlich in der oralen Gabe des Wirkstoffes - eine einfache Methode, die gerade für die Therapie der Leishmaniase ideal war. In Tierversuchen verhinderte die orale Anwendung von Miltefosin nicht nur den Ausbruch der Krankheit, sondern ließ auch bereits erkrankte Tiere wieder gesunden.

    Auf der Grundlage dieser Erfahrungen wurde jetzt eine Studie an verschiedenen klinischen Zentren in Indien durchgeführt, eingeleitet und betreut durch Mitarbeiter der Asta Medica, Frankfurt, und durch die Weltgesundheitsorganisation in Genf. Sie erbrachte einen Heilerfolg von 98% in einer Gruppe von 100 Patienten.

    Dr. Barbara Herwaldt schrieb dazu im Dezember 1999 in der Zeitschrift "The New England Journal of Medicine" einen Aufsatz mit dem Titel "Miltefosine - The Long Awaited Therapy For Visceral Leishmaniasis?" Der Artikel informiert ausführlich über Miltefosin als neues Arzneimittel zur Therapie von Leishmaniase: Es ist die erste oral wirksame Therapie überhaupt. Die Behandlung bringt lebensbedrohten, unter Fieber und Schwächeanfällen leidenden Menschen schon nach wenigen Tagen Linderung und in etwa vier Wochen Heilung. Mit einer Tablette pro Tag bei normaler Ernährung läßt sich so diese tödliche Tropenkrankheit sehr wahrscheinlich besiegen.

    Damit ist die erste orale Therapie für eine lebensbedrohende Tropenerkrankung gefunden. Sie ist in der Durchführung einfach und in der Wirkung überzeugend. Es sieht ganz danach aus, als ob die "Schwarze Krankheit" damit besiegt und ausgerottet werden könnte.

    Für Rückfragen und weitere Informationen:
    Prof. Dr. Hansjörg Eibl
    AG Phospholipide
    Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie
    Tel: 0551 201 1686
    Fax: 0551 201 1753

    Den vollständigen Text mit Bildern finden Sie unter http://www.mpibpc.gwdg.de/abteilungen/293/PR/00_01/leish.html

    Weitere Informationen zur Leishmaniase finden Sie auf den Internetseiten der Weltgesundheitsorganisation, WHO: http://www.who.int/ctd/html/leis.html


    Weitere Informationen:

    http://www.mpibpc.gwdg.de/abteilungen/293/PR/00_01/leish.html


    Bilder

    Prof. Dr. Hansjörg Eibl (rechts) und Prof. Dr. Clemens Unger bei der Synthese von Miltefosin am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen.
    Prof. Dr. Hansjörg Eibl (rechts) und Prof. Dr. Clemens Unger bei der Synthese von Miltefosin am Max- ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Hansjörg Eibl (rechts) und Prof. Dr. Clemens Unger bei der Synthese von Miltefosin am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie, Göttingen.


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