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19.09.2006 11:22

Künstlerische Aussagen über das Undarstellbare: Tagung zur Todesthematik in der russischen Kunst

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    München, 19. September 2006 -- Es ist ein zentrales Thema insbesondere in der russischen Kunst: Die Darstellung des Todes. Das Paradoxon, wie sich künstlerische Aussagen über etwas treffen lassen, das sich der Erfahrung entzieht, steht im Mittelpunkt der Tagung "Thanatologien - Thanatopoetik. Der Tod des Dichters - Dichter des Todes". Veranstaltet wird die Tagung an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München von den Professoren Aage Hansen-Löve und Johanna Renate Döring, Institut für Slavische Philologie, vom 05. bis 07. Oktober 2006 im Hörsaal B 206, Geschwister-Scholl-Platz 1. Im Mittelpunkt der Tagung stehen neben Texten aus den slavischen Literaturen auch andere Medien wie Film und Musik. Die Vortragenden kommen unter anderem aus Deutschland, den USA, Russland, den Niederlanden, Kroatien und Dänemark.

    Thanatos ist in der griechischen Mythologie der Gott des Todes und Bruder von Hypnos, dem Gott des Schlafes. Ausgangspunkt der Überlegungen zu einer Thanatopoetik, wie sie bereits in den letzten Jahren am Slavistik-Institut erforscht wurde, war nicht so sehr die Beschäftigung mit den Kennzeichen des "Sterbens" oder mit einer Kultur- oder Literaturgeschichte des "Todes-Motivs" als thematisches Phänomen. Vielmehr geht es um das Paradoxon, dass in der Kunst und Literatur etwas dargestellt wird, was nicht erfahrbar ist: Der Tod als Nullpunkt, der nicht überschreitbar ist.

    Die Übertragung dieses Problems in Literatur erprobte beispielsweise Dostoevskij im Prolog zur Erzählung "Die Sanfte", wo die Unmöglichkeit einer Darstellung der eigenen Hinrichtung aus der Ich-Perspektive zum Angelpunkt der Schreibtechnik wird. Überspitzt ließe sich sagen, so Professor Aage Hansen-Löve, "dass Erzählen überhaupt erst möglich wird aus der Nicht-Position des Endes, das als Text- wie Lebensende den Lebenstext retrograd strukturiert." Denn es geht nicht um die Todesthematik, sondern um jene Techniken der Indirektheit, die neben allen religiösen, hermetischen, mystischen, therapeutischen oder psychologischen Anwendungsformen eben auch eine ästhetisch-künstlerische und eminent poetische Dimension besitzen. Diese soll unter der Perspektive einer Thanatopoetik untersucht werden.

    Inwieweit bestimmt der Tod das Denken und welche Auswirkungen hat dies auf Kunst und insbesondere Literatur? So lautet die zentrale Frage der Tagung. Sie unternimmt den Versuch, die vielen widersprüchlichen Gestalten, unter denen der Tod in Kultur und Kunst erscheint, auf eine Thanatopoetik zu konzentrieren, in der es einerseits um das große Thema des Dichter-Todes geht, anderseits um Todes-Dichtung. Im ersten Fall schreibt die Dichtung den Lebenstext des Dichter-Ideals fort, das den Triumph des Dichters in seinem eigenen heroischen Finale sieht. Diesem romantischen Ideal steht die Banalität des Sterbens etwa in der Prosa Lev Tolstojs gegenüber, wobei das Sterben als eine besondere Form der erhellenden Verfremdung des Alltäglichen erscheint. Ambivalent wird die Todessehnsucht im russischen Fin de siècle, also im frühen Symbolismus, wo Thanatos und Eros eine untrennbare Verbindung eingehen. Auch in der Symboldichtung werden die apollinischen wie dionysischen Aspekte einer Thanatopoetik reich entfaltet und reflektiert. Zentrale Bedeutung erfährt die Todesdichtung auch in der russischen Avantgarde.

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Aage Hansen-Löve
    Institut für Slavische Philologie
    Tel.: 089 / 2180-3781
    E-Mail: aage.hansen-loeve@slavistik.uni-muenchen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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