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25.09.2006 10:41

Partnersuche im Eierkarton

Dr. Olivia Meyer-Streng Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Quantenoptik

    Moleküle könnten die Informationsträger der Zukunft sein - sie gelten jedenfalls als mögliche Kandidaten für Quantenbits, den Speicher- und Recheneinheiten eines Quantencomputers. Dabei müssen einzelne Moleküle Informationen speichern und mit anderen Molekülen austauschen können. Dies kann aber nur funktionieren, wenn die Moleküle regelmäßig angeordnet sind. Einen solchen Zustand haben Physiker des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching jetzt mit Hilfe eines so genannten optischen Gitters geschaffen, das durch eine geeignete Überlagerung von Laserstrahlen entsteht und in seiner Form einem Eierkarton ähnelt. In jede Mulde dieses "Eierkartons" füllten sie genau zwei Rubidium-Atome, die sie anschließend mit Hilfe eines Magnetfeldes zu Molekülen verschmolzen (Nature Physics, 24. September, 2006).

    Im Prinzip eignen sich Atome und Moleküle gleichermaßen als Speichereinheiten für Quanteninformation. Sind die Moleküle aber polar, d.h. haben die Moleküle einen positiven und einen negativen Ladungspol, können sie elektrisch wechselwirken - in etwa so wie zwei Magnete sich an- bzw. abstoßen, je nach Orientierung. Diese elektrische Wechselwirkung ermöglicht den Molekülen miteinander zu kommunizieren und Informationen auszutauschen, weshalb polare Moleküle für die Quanteninformation besonders interessant sind.

    Allerdings sind Moleküle auch ziemlich komplizierte Objekte, da sie aus mehreren Atomen aufgebaut sind. Während Atome mit Hilfe von Laserlicht und weiteren Tricks praktisch zum Stillstand gebracht werden können, ist dies für Moleküle nicht so einfach möglich, weil die Atome, aus denen sie aufgebaut sind, auch gegeneinander schwingen können und sich das ganze Molekül um mehrere Achsen drehen kann. Will man aber Moleküle als Quantenbits verwenden, müssen diese ultrakalt sein, d.h. eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt besitzen und praktisch vollkommen in Ruhe sein. Aber auch auf dieses Problem hatten die Garchinger Forscher eine Antwort. "Wir umgehen diese Schwierigkeit, da wir die Moleküle erst an den einzelnen Plätzen des Gitters erzeugen", sagt Prof. Gerhard Rempe, Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik.

    Dazu haben die Forscher ein sehr kaltes Gas aus Rubidiumatomen - ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat - in ein optisches Gitter gebracht. Ein optisches Gitter entsteht, wenn man mehrere Laserstrahlen in geeigneter Weise überlagert. Das resultierende Lichtfeld hat dann eine Form, die an einen Stapel von Eierkartons erinnert. Die Mulden entsprechen energetisch besonders günstigen Zuständen. Dort lassen sich die Rubidium-Atome daher bevorzugt nieder. Die Tiefe der Mulde hängt von der Laserleistung ab. Bei niedrigen Laserleistungen können die Atome noch unbeschwert von Mulde zu Mulde hüpfen. Erhöht man die Leistung der Laserstrahlen, werden die Mulden tiefer und irgendwann können die Atome nicht mehr aus den Mulden heraus - sie sind gefangen. Dieser hochgradig geordnete Zustand wird auch Mott-Isolator genannt. Über die Gesamtzahl der Atome in dem optischen Gitter können die Physiker die Zahl der Atome pro Gitterplatz so steuern, dass sich im mittleren Bereich genau zwei Atome pro Mulde befinden, und lediglich am Rand die Mulden mit einzelnen Atomen bestückt sind. (Siehe Abbildung 1.)

    Im nächsten Schritt legen die Wissenschaftler ein Magnetfeld an, das sie langsam hochfahren. Dabei nutzen sie eine so genannte Feshbach-Resonanz aus: ab einer bestimmten Stärke des Magnetfeldes wird es für die Atome in der Mulde energetisch günstiger, eine Bindung zu ihrem jeweiligen Partner im "Eierkarton" einzugehen, als weiterhin ein Single-Dasein zu fristen. Die Atome, welche keinen Partner in ihrer Mulde haben und deshalb zum Single-Dasein verdammt sind, werden aus dem Gitter entfernt. Für sie gibt es keine Verwendung mehr, wie Gerhard Rempe ausführt:"Die einzelnen Atome haben wir alle mit einem Laserstrahl aus dem optischen Gitter "weggeblasen". So erhielten wir einen Zustand mit genau einem Molekül pro Gitterplatz."

    Sobald das Magnetfeld auf den ursprünglichen Wert zurück gefahren wird, bricht die Molekülbindung auf, und die Atome nehmen wieder ihren Ausgangszustand ein. Dieser Umstand ist wichtig, um das Gelingen des Experiments zu überprüfen. Denn nur die Atome können nachgewiesen werden, während die Moleküle selbst leider unsichtbar sind. "Da wir die Bindung zwischen den Atomen gelöst und anschließend wieder je zwei Atome in den Mulden beobachtet haben, konnten wir ausschließen, dass die Moleküle einfach aus dem Gitter entwischt sind", sagt Thomas Volz, der zusammen mit seinen Kollegen das Experiment durchgeführt hat. (Siehe Abbildung 2.)

    Die Herstellung eines optischen Gitters, in dem sich pro Gitterplatz genau ein Molekül und somit genau ein Quantenbit befindet, ist eine wichtige Voraussetzung für die Verarbeitung von Quanteninformation. Das Garchinger Experiment stellt somit einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem Quantencomputer aus Molekülen dar. [T.V./P.H.]

    Weitere Informationen::
    Prof. Dr. Gerhard Rempe
    Lehrstuhl für Physik, TU München
    Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenoptik,
    Hans-Kopfermann-Straße 1
    85748 Garching
    Telefon: +49 - 89 / 32905 701 / 711
    Fax: +49 - 89 / 32905 336
    E-Mail: gerhard.rempe@mpq.mpg.de

    Dr. Thomas Volz
    Max-Planck-Institut für Quantenoptik,
    Hans-Kopfermann-Straße 1
    85748 Garching
    Telefon: +49 - 89 / 32905 241
    E-mail: thomas.volz@mpq.mpg.de

    Dr. Olivia Meyer-Streng
    Presse & Kommunikation
    Max-Planck-Institut für Quantenoptik,
    Hans-Kopfermann-Straße 1
    85748 Garching
    Telefon: +49 - 89 / 32905 213
    Fax: +49 - 89 / 32905 200
    E-mail: olivia.meyer-streng@mpq.mpg.de


    Bilder

    Abb.1: Schema des Zustandes mit einem Molekül pro Gitterplatz. Die Mulden in der Mitte des Lichtgitters sind mit Molekülen besetzt (rot), die aus je zwei Atomen mittels eines Magnetfeldes zusammengefügt wurden. Am Rande sitzen einzelne Atome, die keinen Partner zur Molekülbildung haben (orange). Im Experiment ist die Anzahl besetzter Plätze wesentlich größer.
    Abb.1: Schema des Zustandes mit einem Molekül pro Gitterplatz. Die Mulden in der Mitte des Lichtgitt ...
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    Abb.2: Atome und Moleküle im Interferenz-Bild. Nach dem Ausschalten des optischen Gitters fliegen die Atome auseinander, was mit einer CCD-Kamera beobachtet werden kann. Dabei bildet sich das gezeigte Interferenzmuster mit den typischen Satellitenpeaks. Die drei Bilder wurden aufgenommen (von hinten nach vorne): vor der Molekülerzeugung, nach der Molekülerzeugung und nachdem die Molekülbindung wieder aufgebrochen wurde. Die starke Ähnlichkeit des ersten und des dritten Interferenzmusters beweist das Gelingen des Experimentes. Beim mittleren Interferenzbild tragen nur die einzelnen Atome zum Signal bei, während die Moleküle unsichtbar sind.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Abb.1: Schema des Zustandes mit einem Molekül pro Gitterplatz. Die Mulden in der Mitte des Lichtgitters sind mit Molekülen besetzt (rot), die aus je zwei Atomen mittels eines Magnetfeldes zusammengefügt wurden. Am Rande sitzen einzelne Atome, die keinen Partner zur Molekülbildung haben (orange). Im Experiment ist die Anzahl besetzter Plätze wesentlich größer.


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    Abb.2: Atome und Moleküle im Interferenz-Bild. Nach dem Ausschalten des optischen Gitters fliegen die Atome auseinander, was mit einer CCD-Kamera beobachtet werden kann. Dabei bildet sich das gezeigte Interferenzmuster mit den typischen Satellitenpeaks. Die drei Bilder wurden aufgenommen (von hinten nach vorne): vor der Molekülerzeugung, nach der Molekülerzeugung und nachdem die Molekülbindung wieder aufgebrochen wurde. Die starke Ähnlichkeit des ersten und des dritten Interferenzmusters beweist das Gelingen des Experimentes. Beim mittleren Interferenzbild tragen nur die einzelnen Atome zum Signal bei, während die Moleküle unsichtbar sind.


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