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03.02.2000 11:04

Workshop im HWWA zum Thema "Institutional Foundations and Macroeconomic Consequences of Firms' Finan

Ina Hormuth Öffentlichkeitsarbeit
HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung Hamburg

    Workshop im HWWA zum Thema "Institutional Foundations and Macroeconomic Consequences of Firms' Financial Structure"

    Das Hamburgische Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA) veranstaltete am 27. und 28.01.2000 in Zusammenarbeit mit der Universität Hamburg und der Hochschule für Wirtschaft und Politik, Hamburg, einen internationalen Workshop mit Teilnehmern von mehreren europäischen Universitäten und Notenbanken sowie der EU-Kommission. Thema waren die Finanzierungsstrukturen und das Finanzierungsverhalten der Unternehmen in wichtigen Ländern der europäischen Union, ihre Abhängigkeit vom Finanzsystem des jeweiligen Landes sowie die Bedeutung finanzwirtschaftlicher Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Wirtschaftspolitik.

    In vielen Beiträgen standen die Finanzierungsstrukturen deutscher und französischer Unternehmen im Vordergrund. Eine Gegenüberstellung wichtiger Bilanzkennziffern offenbart erhebliche Unterschiede zwischen beiden Ländern. So spielt bei französischen Firmen die interne Finanzierung über den Cash Flow und über angesammelte Reserven eine weit größere - und die Finanzierung über Bankkredite eine weit geringere - Rolle als bei deutschen Unternehmen; die Eigenmittelquote ist deshalb in Frankreich merklich höher und der Anteil von Bankkrediten deutlich niedriger als in Deutschland. Dies ist allerdings in erster Linie Folge der unterschiedlichen Finanzsysteme und der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen in beiden Ländern. So ist das französische Finanzsystem mehr "marktbasiert"; die französischen Unternehmen besorgen sich die notwendigen finanziellen Mittel zu einem erheblichen Teil über den Kapitalmarkt. In Deutschland herrscht dagegen, bedingt auch durch die große Zahl von Nicht-Kapitalgesellschaften, ein "bankenbasiertes" Finanzierungssystem vor. Deutsche Firmen greifen deshalb weit mehr als französische zur Sicherung ihrer finanziellen Flexibilität auf Bankkredite zurück. Dabei erlaubt ihnen das "Hausbanksystem" eine geringere Eigenkapitalquote als französischen Unternehmen. Zu den Unterschieden in den Finanzierungsstrukturen zwischen Frankreich und Deutschland tragen auch Divergenzen im ordnungspolitischen Rahmen bei, so etwa die unterschiedliche Betonung der Gläubiger- bzw. Schuldnerposition im Insolvenz- und Konkursrecht. Hinzu kommen Unterschiede in der Besteuerung; so wird die interne Finanzierung in Frankreich durch niedrigere Steuersätze auf einbehaltene als auf ausgeschüttete Gewinne begünstigt.

    Kontrovers wurde diskutiert, ob und gegebenenfalls in welche Richtung sich die Finanzsysteme in Europa anpassen werden. Dabei wurde auch deutlich, daß angesichts der gewachsenen Strukturen und der politischen, kulturellen und historischen Unterschiede in den einzelnen Ländern aus ökonomischer Sicht nicht zu entscheiden ist, ob ein "marktbasiertes" oder ein "bankenbasiertes" System für die Europäische Union das adäquate ist. Die in den einzelnen Ländern vorherrschenden Strukturen, Institutionen und Verhaltensweisen sind das Ergebnis eines langen, den Besonderheiten des jeweiligen Landes Rechnung tragenden Prozesses. Insofern gleicht das jeweilige Finanzsystem einem Puzzle, dessen Einzelteile in bestimmter Weise ineinandergreifen. Teile des Finanzsystems eines Landes können deshalb nicht ohne weiteres auf das eines anderen Landes übertragen werden; sonst käme es zu Konsistenzproblemen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Befürchtung geäußert, daß die EU-Kommission bei ihren Harmonisierungsbestrebungen zu wenig die damit verbundenen Konsequenzen für die Finanzsysteme in den EU-Ländern im Auge haben könnte.

    Breiten Raum nahmen die Finanzierungsstrukturen und das Finanzierungsverhalten kleiner und mittlerer Firmen ein, die in allen Ländern insbesondere unter Beschäftigungsaspekten von erheblicher Bedeutung sind. Hier bestehen nicht zuletzt zwischen Deutschland und Frankreich wiederum erhebliche Unterschiede. So sind in Frankreich die Abweichungen in den Finanzierungsstrukturen zwischen Unternehmen verschiedener Größe viel geringer als in Deutschland; insbesondere ist bei kleinen und mittleren Unternehmen die Eigenmittelquote deutlich höher. Allerdings gelten in Frankreich sehr kleine und neu gegründete Unternehmen als unterkapitalisiert, und ihr Zugang zu Wagniskapital ist beschränkt.

    In Deutschland gibt es demgegenüber weitaus größere Abweichungen in den Finanzierungsstrukturen zwischen Unternehmen verschiedener Größe. Erhebliche Unterschiede bestehen zwischen kleinen und mittleren Unternehmen einerseits und großen Firmen andererseits. So ist bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen die Eigenmittelquote merklich niedriger als bei großen, und Bankkredite sind die Hauptfinanzierungsquelle. Auch deuten der trendmäßige Anstieg des Verschuldungsgrades, eine sinkende Eigenkapitalquote und die nachlassende Fähigkeit, aus dem Cash Flow Schulden zu tilgen bzw. Eigenkapital zu bilden, darauf hin, daß in den neunziger Jahren bei kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland die finanzwirtschaftlichen Risiken größer geworden sind. Dies könnte sich negativ auf das Investitions- und Beschäftigungsverhalten dieser Firmen sowie auf ihre Fähigkeit zur Bewältigung wirtschaftlicher Schwächephasen auswirken. Angesichts des großen Gewichts von kleinen und mittleren Unternehmen könnten sich daraus Risiken für Wachstum und Beschäftigung ergeben. Auch ist nicht auszuschließen, daß mit steigenden finanzwirtschaftlichen Risiken die Geldpolitik in ihrer Wirkung beeinträchtigt wird.

    Hamburg, 02.02.2000 Telefon 040 42834 354


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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