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03.10.2006 01:00

Neuer Therapieansatz bei Autoimmunerkrankungen mit Exosomen bei Kongress vorgestellt

Dipl.-Journalistin Antje Kassel Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Zentrum für Molekulare Orthopädie

    Orthopäden und Molekularbiologen aus Düsseldorf haben beim diesjährigen Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin eine neue biologische Stoffklasse zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten vorgestellt. Hierbei handelt es sich um so genannte Exosomen, die bei der Steuerung des Immunsystems eine wichtige Rolle spielen. Verschiedenen Publikationen und erste Erfahrungen in der Behandlung von Rheumapatienten belegen die entzündungs- und schmerzhemmende Wirkung der Exosomen.

    Berlin, 3.Oktober 2006. Orthopäden und Molekularbiologen aus Düsseldorf haben beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie eine neue biologische Stoffklasse zur Behandlung von Autoimmunkrankheiten, wie Rheumatoide Arthritis, vorgestellt. Hierbei handelt es sich um so genannte Exosomen, die bei der Steuerung des Immunsystems eine wichtige Rolle spielen. "Durch Exosomen lernt das Immunsystem, eigene Zellen als eigen und fremde Zellen als fremd zu erkennen", sagte Prof. Dr. med. Peter Wehling, Leiter des Arbeitskreises Gentherapie und Molekulare Orthopädie, am Dienstag beim Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin. Bei vielen Immunkrankheiten ist diese Funktion gestört, was zur Folge hat, dass die Zellen sich selbst zerstören und der Körper erkrankt.

    Exosomen - Klein, aber oho
    "Exosomen sind winzig kleine Zellpartikel, die unter anderem von den weißen Blutkörperchen produziert werden", erklärte der Molekularbiologe Dr. Julio Reinecke von der Düsseldorfer Arbeitsgruppe. Ihre Größe geben die Wissenschaftler mit 65-100 Nanometer an. - Exosomen sind also etwa 1000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Ihr klinisches Potenzial könne jedoch nicht groß genug eingeschätzt werden, weil ein neu entdeckter Mechanismus der Immunitätsregelung genutzt werde, so der Biologe. Deshalb haben Exosomen eine stark entzündungs- und schmerzhemmende Wirkung, was über verschiedenen Publikationen hinaus erste Erfahrungen in der Behandlung von Rheumapatienten belegen.

    "Die Entdeckung der Exosomen war eher zufällig", berichtete Reinecke beim Treffen des Arbeitskreises Gentherapie und Molekulare Orthopädie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC). Bei einer Gentherapiestudie der Düsseldorfer Forscher zusammen mit der Harvard-Universität stellte sich heraus, dass kleine Partikel über das Lymphsystem zwischen den entzündeten Gelenken hin- und herreisten und überraschende Wirkungen zeigten. Wurde in ein Gelenk injiziert, ging es dem Gelenk auf der anderen Körperseite ebenfalls besser. Dieses Phänomen passte nicht in das Verständnis über die Entstehung von Rheuma und anderen Immunerkrankungen.

    Bei weiteren ausführlichen Forschungen entdeckte die Gruppe die Exosomen und isolierte eine spezielle Form dieser Nanopartikel aus weißen Blutkörperchen. Tierversuche mit Mäusen belegten die hohe Sicherheit und Wirksamkeit der körpereigenen Partikel in der Behandlung von Rheuma.

    Klinische Ergebnisse bei 66 Rheumapatienten positiv
    Bei Gelenkrheuma, der chronischen Entzündung der Gelenke, liegt eine schwere Störung des Immunsystems vor: Die Immunzellen greifen die eigenen Gelenkzellen an und zerstören somit das Gelenk - insbesondere den Gelenkknorpel. Prof. Dr. med. Peter Wehling vom Zentrum für Molekulare Orthopädie (Düsseldorf) behandelte inzwischen 66, überwiegend austherapierte Rheumapatienten verschiedenen Alters mit Exosomen.
    Es handelte sich um Patienten, bei denen mit klassischen Basistherapien (z.B. Kortison, Methotrexat) und Operationen kein zufrieden stellendes Ergebnis erreicht werden konnte.

    Die Patienten erhielten eine einmalige Injektion der Exosomen in das rheumatische Gelenk. "Wir haben bei zwei Drittel der Patienten rasche und deutliche Besserungen beobachtet", sagte Wehling, der die Patienten über längere Zeit beobachtet hatte. Die Linderung hielt durchschnittlich drei bis sechs Monate an. Es zeigten sich eine deutliche Verbesserung des Gelenkschmerzes, der Gelenkschwellung sowie ein Rückgang der Entzündungswerte (z.B. CRP) und eine Normalisierung der Blutsenkung. Traten erneut Beschwerden auf, konnte die Behandlung mit dem gleichen positiven Effekt wiederholt werden.

    "In der klinischen Anwendung hat sich somit die Rheumatherapie mit Exosomen als machbar und sicher erwiesen. In bestimmten Fällen kann sie als sehr wirksame Therapie eingesetzt werden", fasste Wehling die Ergebnisse zusammen. Insbesondere wenn die Basistherapie nicht ausreiche, könne die Exosomen-Therapie die Behandlungsmethoden ergänzen. Zukünftig könnten Exosomen auch zur Behandlung anderer Immunerkrankungen, wie Multiple Sklerose, Neurodermitis und Allergien, eingesetzt werden. Weitere Forschungen und klinische Studien zum besseren Verständnis der Exosomen und ihrer Funktion innerhalb des Immunsystems sind von der Düsseldorfer Gruppe geplant.

    Zahlen und Fakten
    In Deutschland leiden 800.000 Menschen an Gelenkrheuma, der so genannten Rheumatoiden Arthritis. Es handelt sich um ein chronisches Leiden, das in Schüben verläuft und oft zur Arbeitsunfähigkeit bzw. Frührente führt. Schon Kinder und Jugendliche sind von der Autoimmunkrankheit betroffen: Etwa 12.000 - 15.000 junge Menschen leiden unter chronischer Gelenkentzündung. Die Ursachen der landläufig als "Rheuma" bezeichneten Erkrankung sind noch nicht bekannt, so dass die Behandlung der Symptome mit entzündungshemmenden Schmerzmitteln, Kortison und so genannten Biologicals im Vordergrund steht.

    Literatur
    Kim SH, Bianco N, Menon R, Lechman ER, Shufesky WJ, Morelli AE, Robbins PD: Exosomes derived from genetically modified DC expressing FasL are anti-inflammatory and immunosuppressive, Molecular Therapy, 2006 Feb;13(2):289-300. Epub 2005 Nov 7

    Couzin, Jennifer, The Ins and Outs of Exosomes, Science, 24.06.2005, Vol. 308, 1862-1863

    Kim SH, Lechman ER, Bianco N, Menon R, Keravala A, Nash J, Mi Z, Watkins SC, Gambotto A, Robbins PD: Exosomes derived from IL-10-treated dendritic cells can suppress inflammation and collagen-induced arthritis. The Journal of Immunology, 2005 May 15;174(10):6440-8

    Evans CH, Ghivizzani SC, Herndon JH, Wasko MC, Reinecke J, Wehling P, Robbins PD: Clinical trials in the gene therapy of arthritis. Clinical orthopaedics and related research, 2000 Oct; (379 Suppl):S300-7.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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