Erste Ergebnisse eines Jenaer-Bielefelder Projekts zur Leistungsbewertung an Schulen
Jena (04.02.00) Wenn, wie heute in Thüringen, Zeugnisse ausgeteilt werden, dann liegen Freude und Leid dicht beeinander, denn die Noten entscheiden maßgeblich über die weitere schulische und die berufliche Zukunft der Kinder. Doch der Wert von Zensuren und Zeugnissen ist umstritten. "Noten werden als Form der Leistungsrückmeldung jedoch von den meisten Schülern und Lehrern akzeptiert", hat Prof. Dr. Will Lütgert von der Friedrich-Schiller-Universität Jena ermittelt. Der Schulpädagoge hat in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit seinem Bielefelder Kollegen Prof. Dr. Klaus-Jürgen Tillmann in einem gemeinsamen Forschungsprojekt die Praxis der Leistungsbewertung am Beispiel allgemeinbildender Schulen Hamburgs untersucht.
Aus dem jetzt vorliegenden ersten Zwischenbericht, dessen Ergebnisse sicherlich nicht regional begrenzt zu betrachten sind, geht klar hervor, dass Qualität und Akzeptanz jeglicher Form schulischer Leistungsbewertung untrennbar mit dem pädagogischen Klima einer Schule verbunden sind. "Jenseits der Grundschule wird dieses Klima vorwiegend durch eine fachlich orientierte Unterrichtskultur geprägt", erläutert Prof. Lütgert.
Werden die Noten zwar weitgehend akzeptiert, so zeigt sich allerdings unter den Lehrenden und den Eltern eine nicht zu kleine Minderheit, die Berichtszeugnisse bevorzugt. Verbalbeurteilungen, so lauten die Argumente, spiegeln die Mehrdimensionalität schulischen Lernens besser wider als Notenzeugnisse, und sie können Hinweise geben, wie mögliche Defizite des Lernens zu überwinden sind.
"Wider Erwarten zeigen sich Schülerinnen und Schüler von der Praxis der Notengebung relativ unbeeindruckt", war Lütgerts Mitarbeiterin Dr. Silvia-Iris Beutel überrascht. "Diese Praxis ist für sie eine Selbstverständlichkeit". Sogar die weit verbreitete Einschätzung, schlechte Noten könnten Schulangst und Lernverweigerung hervorrufen, wird von den Jugendlichen nicht geteilt, haben die Erziehungswissenschaftler ermittelt. Trotzdem erhält auch bei ihnen die Zeugnisform "Noten mit Kommentaren" die größte Zustimmung, "vermutlich weil diese Form die Vorteile der Ziffern- und der Verbalbeurteilung miteinander zu verbinden scheint", sagt Dr. Beutel.
"Die vielfältige Praxis an Hamburger Schulen bestätigt, dass bereits heute zahlreiche Möglichkeiten zur Verbesserung der schulischen Leistungsbewertung bestehen", weiß Will Lütgert. Allerdings wird die Leistungsbewertung nicht allein dadurch verbessert, dass Notenzeugnisse durch Lernberichte ersetzt oder durch Kommentare ergänzt werden. Will man grundsätzliche Reformen, muss man mit diesem Teil pädagogischen Handelns professioneller und kritischer umgehen, fordert der Jenaer Erziehungswissenschaftler. "Benötigt werden vor allem die Entwicklung der diagnostischen Fähigkeiten von Lehrerinnen und Lehrern sowie einer schulischen Bewertungskultur", sagt Lütgert. Damit ist die kollegiale Verständigung über Leistungsstandards und über deren Anwendung gemeint. "Bisher wird die Leistungsbeurteilung an Schulen zu sehr als individuelle Aufgabe der Lehrenden gehandhabt, die in Zeugniskonferenzen nur formal zusammengeführt wird", eröffnet der Jenaer Forscher der Lehrerbildung und der Schulentwicklung ein weites Aufgabenfeld.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Will Lütgert/Dr. Silvia-Iris Beutel
Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Jena
Otto-Schott-Str. 41
07743 Jena
Tel.: 03641/945350 oder 945353
Fax: 03641/945352
E-Mail: sit@rz.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
E-Mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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