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04.02.2000 13:30

Heute in Science: Würzburger Biologen entdecken Kilometerzähler der Honigbienen

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Ein deutsch-australisches Forscherteam hat bei Honigbienen einen Kilometerzähler gefunden. Diese Entdeckung der Arbeitsgruppen um den Würzburger Bienenforscher Jürgen Tautz und den australischen Sinnesbiologen Mandyam Srinivasan wird in der am heutigen Freitag, 4. Februar, erschienenen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Science" vorgestellt. An der Universität Würzburg ist auch das Titelbild der aktuellen "Science"-Ausgabe entstanden: Es zeigt eine Biene beim Flug durch einen Tunnel.

    Mit der Entdeckung des Kilometerzählers haben die Wissenschaftler ein Rätsel gelöst, das dem Nobelpreisträger Karl von Frisch schon vor mehr als 50 Jahren Kopfzerbrechen bereitete: Von Frisch hatte entdeckt, dass Honigbienen, die eine bis zu mehrere Kilometer vom Bienenstock entfernte Futterquelle aufspüren, zum Stock zurück kehren und dort durch den so genannten Schwänzeltanz weitere Sammelbienen über die Futterquelle informieren. Der Tanz enthält auch Angaben über die Entfernung zwischen Stock und Futterplatz. Bis heute war aber unklar, wie die Bienen die geflogene Entfernung überhaupt messen können.

    Lange galt die Auffassung, dass es der "Treibstoffverbrauch" während des Fluges sei, den die Bienen als Maß für die zurück gelegte Strecke nutzen. Anfang der 90er Jahre brachte dann der aus München stammende Biologe Harald Esch den neuen Gedanken in die Diskussion ein, dass die Messung der Entfernung über das Sehen der im Flug vorbei ziehenden Landschaft erfolgen könnte. Aber alle bisherigen Versuche, eindeutig zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu unterscheiden, blieben erfolglos.

    Den Durchbruch hat laut Prof. Tautz nun eine Kombination aus zwei sehr unterschiedlichen Versuchsansätzen gebracht: M. Srinivasan und seine Mitarbeiter erforschen seit Jahren, wie exakt Honigbienen einen Futterplatz wieder finden können, der in einem engen Tunnel plaziert ist. Beim Flug durch den Tunnel sehen die Bienen ein Streifenmuster an den Wänden, das sie als Orientierungshilfe nutzen. J. Tautz erforscht mit seinen Mitarbeitern am Biozentrum der Universität Würzburg die nach wie vor mit vielen Rätseln behaftete Tanzsprache der Honigbienen. Zur Bearbeitung des Problems, wie die Bienen im Gelände die Informationen über den Flugweg sammeln, um diese später an ihre Stockgenossinnen weiter geben zu können, taten sich die Würzburger Biologen mit der australischen Gruppe zusammen.

    Das Experiment: Die Bienen fliegen durch einen sechs Meter langen Tunnel zu einer kleinen Schale mit Zuckerwasser. Die Wände des Tunnels sind mit einem unregelmäßigen Muster aus weißen und schwarzen Quadraten bedeckt. Die Bienen fliegen durch den Tunnel zurück in den Stock und berichten dort im Tanz über die Futterstelle. Überraschenderweise führen sie dabei solche Schwänzeltänze auf, die ausschließlich Futterstellen anzeigen, die weiter als 100 Meter entfernt liegen. Also müssen die "Tunnelfliegerinnen" glauben, sie wären weiter als 100 Meter geflogen. Da im Flug über freies Gelände die Länge der Schwänzelphase exakt mit der Flugstrecke wächst, konnten die Forscher die Bienen sogar "fragen", wie weit sie denn geflogen zu sein glaubten. Dabei zeigte sich, dass die Bienen den Sechs-Meter-Flug durch den gemusterten Tunnel für einen Flug über eine Distanz von 200 Metern gehalten hatten!

    Prof. Tautz: "Es ist das an den fliegenden Bienen vorbei ziehende Bild der Umgebung, der so genannte optische Fluss, den die Bienen als Kilometerzähler nutzen." Dies könne man zeigen, indem man die Wände des Tunnels mit Streifen bedeckt, die parallel zur Flugrichtung liegen. Dieses Muster erzeugt keinen optischen Fluss, und die Sammelbienen tanzen dann konsequenterweise keinen Schwänzel-, sondern einen Rundtanz. Mit einem solchen Tanz beschreiben die Bienen Futterquellen, die näher als 100 Meter am Stock liegen.

    Die Wissenschaftler fanden auch heraus, dass der optische Kilometerzähler von der Fluggeschwindigkeit unabhängig ist - genau wie der Kilometerzähler von Autos, der die Radumdrehung unabhängig von der Fahrgeschwindigkeit misst. Anders als bei Autos funktioniert der Kilometerzähler der Honigbienen aber nicht absolut, sondern auf die Umgebung bezogen: Fliegt eine Biene durch dichte Vegetation, so kommen durch die Nähe von Bäumen und Büschen starke Bildverschiebungen zu Stande. Bei einem Flug über freies Gelände gilt das Umgekehrte. Als Resultat zeigt der Kilometerzähler unterschiedlich lange Flugwege bei identisch langen Flugstrecken an - je nachdem, wie die Umgebung aussieht.

    Dies sei aber, so Prof. Tautz, kein Konstruktionsfehler, sondern eine höchst raffinierte Anpassung. Der scheinbare Fehler sei für die "Bienensprache" ohne Belang, da die Bienen, die nach den Angaben der Tänzerin ausfliegen, die Kilometerangabe ja im selben Biotop wie die Tänzerin abarbeiten, also genau den gleichen "Fehler" machen und somit zur gleichen Distanzangabe wie die Tänzerin gelangen. Außerdem arbeite ein Kilometerzähler, der sich der jeweiligen Komplexität der Landschaft anpasst, enorm ökonomisch: So werde im Gedächtnis der Bienen nie mehr Speicherplatz belegt als nötig.

    Hinweis für Redaktionen und Journalisten: Weitere Informationen erhalten Sie bei Prof. Dr. Jürgen Tautz, Biozentrum der Universität Würzburg, Am Hubland, D-97074 Würzburg, T (0931) 888-4319, Fax (0931) 888-4309, E-Mail:
    tautz@biozentrum.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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