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09.02.2000 13:44

Mit Designer-Katalysatoren zu Polyketonen

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Nach Bauplänen der Natur
    Mit Designer-Katalysatoren zu Polyketonen

    Künstliche Werkstoffe lassen sich aus unserem Leben nicht mehr wegdenken. Ob Bauteile von Autos oder elektronischen Geräten, Textilien oder Verpackungen, Implantatmaterialien für medizinische Anwendungen oder beliebige Gegenstände des täglichen Bedarfs - Kunststoffe sind überall. Zu den wichtigsten und vielseitigsten Materialklassen gehören die Polyolefine, polymerisierte Kohlenwasserstoffverbindungen wie z.B. Polyethylen und Polypropylen. Zu ihrer Herstellung werden seit einigen Jahren sogenannte Designer-Katalysatoren eingesetzt, Metallocene, organometallische Verbindungen der Elemente Zirkon und Hafnium.

    Die einzelnen Bausteine (Monomere), z.B. Ethen oder Propen, werden in einem Lösungsmittel zusammen mit dem Katalysator gelöst, der sodann nach einem vorgegebenen Muster die einzelnen Monomere derart aneinanderfügt, daß eine makromolekulare Polymerkette entsteht. Sie kann bis zu 200.000 Einheiten (Monomere) lang werden. Lagern sich die Ketten zusammen, entstehen Festkörper. Die Polyolefine sind bis weit über die Siedetemperatur von Wasser formbeständig und mithin ideal zum Einsatz im Haushalt geeignet. Sie schmelzen oberhalb von 160°C und können infolgedessen flüssig und damit besonders energiesparend und umweltfreundlich verarbeitet werden.

    An Grenzen stieß das Herstellungsverfahren insofern, als sich kleine polare Monomere, wie z.B. Kohlenmonoxid (CO), nicht in Polyolefinketten einbauen ließen. Der Grund: die starke Bindung des Kohlenmonoxids an den Katalysator, wodurch dieser für eine Anlagerung weiterer Monomere blockiert wird. Daß die mehr als fünfzigjährige Erfolgsgeschichte der Polyolefine dennoch eine innovative Fortsetzung gefunden hat, ist den Forschungsarbeiten von Prof. Dr. Bernhard Rieger, Leiter der Abteilung Anorganische Chemie II (Molekülchemie und Katalyse) der Universität Ulm, zu danken. Die von ihm und seiner Arbeitsgruppe entwickelten, auf Palladium als aktiver Komponente beruhenden Katalysatoren sind imstande, polare Monomere gemeinsam mit Ethen und Propen zu Polymerketten zusammenzufügen. So gelang es Rieger, die ersten hochmolekularen 1,4-Polyketone aus den Bausteinen Ethen, Propen und Kohlenmonoxid, das billig und technisch leicht verfügbar ist, herzustellen.

    Vielfältige Einsatzgebiete lassen sich denken für die aus den Polyketonen zu gewinnenden ultrafesten Fasern oder für die biokompatiblen Materialien, die das spezielle Interesse der Medizin auf sich ziehen. Ihre physikalischen Eigenschaften wie etwa hohe Gas- und Wasserdurchlässigkeit machen die Polyketone zu einem interessanten Material für den Kontakt mit biologisch aktivem Gewebe. Tests der Biokompatibilität bzw. zur Toxizität der Polymere waren durchgehend ermutigend: die Testzellen zeigten keinerlei Schädigungen.

    Durch Kombination unterschiedlicher Olefinbausteine können neue Materialeigenschaften mit großer Variabilität verwirklicht werden. Setzt man als Katalysatoren bestimmte Palladiumverbindungen ein, so lassen sich Alkeneinheit (Ethen bzw. Propen) und Kohlenmonoxidmolekül abwechselnd einbauen. Es entstehen Copolymere mit streng alternierender Abfolge von Olefin- und CO-Einheiten. Der Unterschied zwischen Ethen und Propen liegt in der Einbaugeschwindigkeit. Während Ethen/CO (ECO) vom Katalysator sehr schnell aufgenommen wird, verläuft die Propen/CO(PCO)-Copolymerisation vergleichsweise langsam. Diesen Effekt kann man in der Weise ausnützen, daß der Katalysator entweder nur Ethen/CO oder Propen/CO verarbeitet. So entstehen Polymerketten mit definierten Ethen/CO- und Propen/CO-Bereichen, sogenannte Blockcopolymere. Hier kommen nun die unterschiedlichen Materialeigenschaften zur Geltung. Während Propen/CO weich ist, zeigt Ethen/CO sehr hohe Kristallinität. Die Anordnung der Polymerketten erfolgt in der Weise, daß die Ethen/CO-reichen Kettensegmente kristalline Bereiche in einer amorphen Propen/CO-Matrix bilden. Man erhält ein physikalisch vernetztes Polymer. Das bedeutet: die einzelnen Polymerketten sind über Ethen/CO-Kirstallite verknüpft. Das resultierende Material ist löslich und durch Gummieigenschaften charakterisiert.

    Vergleichbare organische Substanzen mit ähnlichem Bauprinzip und hervorragenden mechanischen Eigenschaften sind aus der Natur bekannt, etwa die Fäden vieler Spinnenarten. Sie zählen zu den festesten bekannten Materialien, die sich aus organischen Molekülen aufbauen lassen. Bezogen auf ihr Gewicht übertreffen sie in der Reißfestigkeit die besten Stähle. Wenn man die Ulmer Ethen/Propen/CO-Verbundpolymere (PEPCO) mit dem Spinnfaden vergleicht, ergibt sich neben der physikalischen (Matrix/Kristallite) auch eine überraschende chemische Ähnlichkeit: die künstlichen Polymere ersetzen die Aminogruppen der Spinnfäden durch CH2-Einheiten und lassen sich somit bis hin zu den beteiligten Monomeren auf natürliche Polymere zurückführen. Die neuen, sehr elastischen und biokompatiblen Materialien sind vielfältig einsetzbar. Im Gegensatz zu Latex verursachen Polyketone keine Allergien. Aufgrund ihrer Löslichkeit sind sie Recycling-fähig - ein Stoff mit Zukunft. Wir werden sie künftig in vielfältigen Anwendungen wiederfinden.

    Prof. Rieger, dessen Entwicklungen inzwischen patentiert sind, arbeitet bei der technischen Verwertung mit den Firmen Procter & Gamble GmbH und BASF AG zusammen. Er wird am 14.2.2000 mit dem Kooperationspreis Wissenschaft/Wirtschaft 1999 (DM 15.000) ausgezeichnet.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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