idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
09.02.2000 14:24

RUB-Studie zur Sprache der Fernsehnachrichten

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Nicht nur die Fernsehprogramme gleichen sich mittlerweile, die Ähnlichkeit geht sogar bis in die kleinsten Details hinein. Selbst die Sprache der Nachrichtensendungen hat sich auf ein ähnliches Niveau eingependelt, wie die Bochumer Germanistin Ina Schlicker M.A. in ihrer Magisterarbeit "Zwischen Oralität und Literalität. Die Sprache der Fernsehnachtrichten" zeigt.

    Bochum, 09.02.2000
    Nr. 39

    Von ARD-Vorlesung bis RTL-Plauderei
    Zwischen mündlicher und schriftlicher Redeweise
    RUB-Studie zur Sprache der Fernsehnachrichten

    Geahnt haben wir es eigentlich schon immer : Privatsender und Öffentlich-Rechtliche werden sich immer ähnlicher. Die Bochumer Germanistin Ina Schlicker M.A. hat jetzt wissenschaftlich den Beweis erbracht: Nicht nur die Programme gleichen sich mittlerweile, die Ähnlichkeit geht sogar bis in die kleinsten Details hinein. Selbst die Sprache der Nachrichtensendungen hat sich auf ein ähnliches Niveau eingependelt, wie der Vergleich in ihrer Magisterarbeit "Zwischen Oralität und Literalität. Die Sprache der Fernsehnachtrichten" , die am Lehrstuhl für germanistische Linguistik der RUB (Prof. Dr. Dietrich Hartmann) entstanden ist, ergab. Für ihre Arbeit wurde Ina Schlicker mit einem der "Preise an Studierende 1999" der RUB für die beste wissenschaftliche Abschlussarbeit im Fach Germanistik ausgezeichnet.

    Vom Urzeitfernsehen bis zur Zapp-Kultur

    Am Anfang war die ARD und einige Jahre später das ZDF. Die Zuschauer kannten noch Sendeschluss und Testbild, und ans Zappen dachte noch niemand. Ab Mitte der 80er Jahre machten die privaten Fernsehsender den Öffentlich-Rechtlichen ernstzunehmende Konkurrenz: Sie machten alles anders und hatten auch noch Erfolg damit. Zuschauermassen und Werbekunden besonders im Unterhaltungssektor sprachen für sich. Vorläufig blieben die Informationssendungen die Domäne der Öffentlich-Rechtlichen. Da man den jeweils anderen den Erfolg natürlich neidete, wurde kopiert, was das Zeug hielt: Talkshows, Soap Operas und Boulevard-Magazine hielten nun auch bei den Öffentlich-Rechtlichen Einzug, die Nachrichtensendungen der Privaten wurden nach öffentlichem Vorbild seriöser. Durch diese wechselseitige Beeinflussung wurden sich die Programme immer ähnlicher - besonders die Sprache ist für diesen Prozess ein gutes Barometer.

    Kommunikation in der Einbahnstraße

    Für ihren Vergleich suchte sich Ina Schlicker die Sprache der Nachrichten aus, weil es mit ihr eine besondere Bewandtnis hat: Sie werden zwar schriftlich konzipiert, aber dem Zuschauer mündlich vorgetragen. Das Publikum kann weder zurückblättern wie in einem Buch noch rückfragen wie in einem Gespräch. Diese Einbahnstraße der Kommunikation hat Folgen: Eine Studie des Allensbacher Instituts aus dem Jahr 1963 zeigte, dass sich der durchschnittliche Zuschauer nur an etwa 20 Prozent der Inhalte erinnern konnte, weil die Texte schlicht zu kompliziert waren. Einfacher wird ein Text, je näher er den eigenen Sprachstrukturen ist, d.h. je "mündlicher" er ist. Ina Schlicker entwickelte ein Kategorienschema, mit dem sie Nachrichtentexte aus den ARD-Tagesthemen und RTL Aktuell in eine Skala mit den Endpunkten "schriftlich" und "mündlich" einordnen konnte. Kennzeichen für mündlichen Text sind z. B. kurze, oft unvollständige Sätze, Wiederholungen und umgangssprachliche Wörter. Lange, verschachtelte Sätze, Fremd- und Fachwörter und mehrgliedrige Wörter, z. B. Bruttosozialprodukt, sind Zeichen für Schriftsprache.

    Plaudern wirkt unseriös

    Die Nachrichten der ARD von 1960 waren noch nicht sehr zuschauerfreundlich, und auch bei der Einführung des Privatfernsehens hatte sich daran noch nicht viel geändert: 1983/84 hatte der längste öffentlich-rechtliche Satz noch 64 Wörter, wobei ein durchschnittlicher mündlicher Satz höchstens 14 Wörter hat - noch war hier der Text sehr schriftlich. Ganz im Gegensatz zu den Privaten: Hier herrschte extreme Mündlichkeit vor, der längste Satz hatte 32 Wörter, der durchschnittliche 13. Bei aller Verständlichkeit mussten die Privaten dennoch zurückstecken, denn allzu lockerer Plauderton in den Nachrichten wirkt unseriös. Im Kampf um Glaubwürdigkeit auf der einen und Verständlichkeit auf der anderen Seite machten beide Seiten Abstriche - so dass sie heute kaum noch zu unterscheiden sind.

    Weitere Informationen

    Ina Schlicker M.A., Biermannsweg 18, 44799 Bochum, Tel. 0234/476649


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).