Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler hat mit Hilfe von Modellrechnungen mehr über den 10.000 Quadratkilometer großen See unter dem mächtigen Eisschild der Ostantarktis und die Wechselwirkungen zwischen dem See und dem darüber liegenden Eis herausgefunden. Ihre Studie wurde am 10.02.00 in Nature veröffentlicht.
Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler hat Licht in das Dunkel um die Entstehung des Wostok-Sees gebracht. Sie hat mit Hilfe von Modellrechnungen mehr über den 10.000 Quadratkilometer großen See unter dem mächtigen Eisschild der Ostantarktis und die Wechselwirkungen zwischen dem See und dem darüber liegenden Eis herausgefunden. Die Existenz des Sees unter dem bis zu vier Kilometer dicken Inlandeis an der russischen Station Wostok wurde schon vor einigen Jahren nachgewiesen. Der jetzt vorliegenden Studie, die am 10. Februar in der Zeitschrift Nature erscheint, liegen Daten der Topographie und der Oberflächengeschwindigkeit des Satelliten ERS-1 und der Vermessung der Eisdicke und interner Reflektoren mit einem Eisradar zugrunde. Ein numerisches Modell der Übergangszone zwischen Eisschild und Schelfeis, das Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven entwickelt haben, wurde an die Bedingungen im Eisschild über dem Wostok-See angepasst und erlaubt eine realistische Annäherung an die tatsächliche Eisdynamik über dem See und die Wechselwirkungen zwischen See und Eispanzer.
Die Modellrechnungen und Vergleiche mit den internen Reflektoren der Radarmessungen haben ergeben, dass das Wasser des Wostok-Sees sich durch Schmelzprozesse an der Basis des Inlandeises ständig neu bildet, ohne dass dafür ein erhöhter Erdwärmestrom notwendig ist. Bei den Schmelzprozessen an der Basis des Eises werden die im Eis enthaltenen Stoffe wie beispielsweise Staub aus der Atmosphäre oder über die Atmosphäre eingetragene Mikroorganismen frei und sammeln sich im See an. Da das heute an der Basis abschmelzende Eis mindestens 500.000 Jahre alt ist, enthält der See Informationen aus längst vergangenen Zeiträumen. Die "jüngsten" im See freigesetzten Informationen sind 500.000 Jahre alt und seit ihrer "Gefangennahme im Eis" von der Umwelt isoliert.
Weiterhin gelangte die Studie zu der Erkenntnis, dass das frische Schmelzwasser im See einen konvektiven Prozess antreibt und so das Seewasser durchmischt. Dabei kommt es auch zum Wiedergefrieren von Wasser an der Eisunterseite, so dass sich die Wassermenge im See im Gleichgewicht befindet. Diese von der Modellrechnung postulierte Schicht wiedergefrorenen Eises wurde auch tatsächlich in den untersten 150 Metern der Wostok-Eisbohrung gefunden. Das bedeutet zum einen, dass das schmelzende Eis seine Informationen im See bzw. in dessen Sedimenten hinterlässt, zum anderen, dass die Schicht wiedergefrorenen Schmelzwassers unter dem Eisschild die Seeregion mit dem darüberliegenden fließenden Inlandeis wieder verlässt.
Der Wostok-See ist bis zu 500 Meter tief und für die Wissenschaft besonders deswegen interessant, da dort unter extremen Bedingungen - hoher Druck, Dunkelheit und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt - Leben existiert und im Wasser enthaltene Mikroorganismen seit Millionen von Jahren nahezu unverändert sein könnten. Die weitere interdisziplinäre Erforschung des Sees ist in internationaler Zusammenarbeit im Rahmen des internationalen Wissenschaftlichen Komitees für die Antarktisforschung (SCAR Scientific Committee on Antarctic Research) geplant.
"Water exchange between the subglacial Lake Vostok and the overlying ice sheet" von Martin J. Siegert, Universität Bristol; Ron Kwok, Jet Propulsion Lab, Caltech, Pasadena; Christoph Mayer, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, Bremerhaven und Bryn Hubbard, Universität von Wales, Aberystwyth
(Nature vom 10. Februar 2000)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geowissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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