Jedes fünfte Kind im Vorschulalter und über die Hälfte der Kinder am Ende der Grundschulzeit kennen Kopfschmerzen. Im Durchschnitt fallen Kinder mit regelmäßigen Kopfschmerzen wenigstens einen Tag pro Monat in der Schule aus. Familiäre Belastungen, unkontrollierte Selbstmedikation und Chronifizierung bringen ein erhöhtes Risiko für Schmerzmittelübergebrauch bei Kindern mit sich. "Chronische Kopfschmerzen müssen deshalb auch schon im Kindesalter frühzeitig und grundlegend behandelt werden", betont Prof. Dr. Stefan Evers, Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft DMKG, beim Deutschen Schmerzkongress, den die DMGK gemeinsam mit der DGSS in Berlin veranstaltet. Die Gesellschaft hat dazu Empfehlungen herausgegeben, die neben der medikamentösen Therapie auch nicht-medikamentöse und vorbeugende Maßnahmen gegen Kopfschmerz bei Kindern umfasst.
Berlin, Deutscher Schmerzkongress, 11. bis 14. Oktober 2006
Kopfschmerzen im Kindes- und Jugendalter
Spezialisten empfehlen Vorbeugung und Therapie ohne Medikamente
Jedes fünfte Kind im Vorschulalter und über die Hälfte der Kinder am Ende der Grundschulzeit kennen Kopfschmerzen. Im Durchschnitt fallen Kinder mit regelmäßigen Kopfschmerzen wenigstens einen Tag pro Monat in der Schule aus. Familiäre Belastungen, unkontrollierte Selbstmedikation und Chronifizierung bringen ein erhöhtes Risiko für Schmerzmittelübergebrauch bei Kindern mit sich. "Chronische Kopfschmerzen müssen deshalb auch schon im Kindesalter frühzeitig und grundlegend behandelt werden", betont Prof. Dr. Stefan Evers, Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft DMKG, beim Deutschen Schmerzkongress, den die DMGK gemeinsam mit der DGSS in Berlin veranstaltet. Die Gesellschaft hat dazu Empfehlungen herausgegeben, die neben der medikamentösen Therapie auch nicht-medikamentöse und vorbeugende Maßnahmen gegen Kopfschmerz bei Kindern umfasst.
Therapie einer akuten Migräneattacke
"Bei leichten Verläufen von Migräne bei Kindern sollte man sich abwartend verhalten", rät Prof. Evers. Häufig helfen schon reizabschirmende Maßnahmen wie Hinlegen in einem abgedunkelten und akustisch gedämpften Raum. Unterstützend wirkt sich oft ein kalter Lappen auf der Stirn aus. Auch kann lokales Einmassieren von Pfefferminzöl an Schläfe, Scheitel und Nacken helfen, leichte bis mittelstarke Kopfschmerzen effektiv zu lindern. Hilft das alles nicht ausreichend, empfiehlt die Fachgesellschaft eine medikamentöse Akuttherapie, an erster Stelle mit Ibuprofen (10 mg/kg Körpergewicht) und Paracetamol (15 mg/kg Körpergewicht). Für schwere und durch diese Medikamente nicht beherrschbare Attacken wird Sumatriptan als Nasenspray empfohlen. Unterstützend kann zur Behandlung der Übelkeit Domperidon gegeben werden, Metoclopramid darf Kindern bis 12 Jahren nicht verabreicht werden.
Prophylaxe mit und ohne Medikamente
Wenn ein Kind mehr als drei Migräneattacken im Monat erleidet, häufig in der Schule fehlt, jeweils länger als zwei Tage oder unter sehr starken Schmerzen leidet, ist eine prophylaktische Behandlung sinnvoll. "Man sollte Medikamente abends geben und langsam aufdosieren", so Prof. Evers. "Die Wirksamkeit kann man erst nach einigen Wochen beurteilen." Die einzigen nachgewiesen wirksamen Substanzen sind Flunarizin, Propranolol und Pizotifen, wobei die Medikamente mit erheblichen Nebenwirkungen einhergehen können. Deswegen sind sich die Kopfschmerzexperten einig, dass nicht-medikamentöse prophylaktische Maßnahmen, insbesondere verhaltensmedizinische Verfahren, die bei Kindern eine sehr hohe Erfolgsrate aufweisen, zu bevorzugen sind. Die erfolgreichen verhaltensmedizinischen Verfahren bei kindlichen Kopfschmerzen lassen sich drei Hauptgruppen zuordnen: Entspannungsverfahren wie die progressive Muskelrelaxation nach Jacobson und Phantasiereisen, mit Einschränkungen auch das Autogene Training; Biofeedback-Verfahren wie Hauterwärmungstraining, Vasokonstriktionstraining, EMG-Feedback und Neurofeedback; und Verhaltensmedizinische sog. "Multikomponentenprogramme". Letztere zielen auf das Erlernen von Stress- und Schmerzbewältigung. Diese Programme berücksichtigen neben dem Erlernen von Techniken auch die Elternarbeit und die Edukation.
Spannungskopfschmerz: Studien fehlen noch
Für den Spannungskopfschmerz liegen keine placebokontrollierten Studien im Kindesalter vor. Im Analogieschluss empfiehlt die DMKG ebenfalls den Einsatz von Ibuprofen und von Paracetamol. Der Einsatz von Schmerzmitteln sollte sich - wie auch bei der Migräne - auf maximal zehn Tage im Monat beschränken, um die Entstehung eines Medikamentenkopfschmerzes zu vermeiden.
Die Häufigkeit von Kopfschmerz steigt
Zwischen 3,7 und 10,6 Prozent der Kinder bis 12 Jahre haben einen Migräneanfall erlebt - es gibt Hinweise darauf, dass die Häufigkeit in den letzten 30 Jahre gestiegen ist. Wer in der Kindheit eine Migräne entwickelt, muss mit über 60-prozentiger Wahrscheinlichkeit damit rechnen, auch nach der Pubertät regelmäßig unter Migräne zu leiden. Für Spannungskopfschmerz schwanken die Daten aus epidemiologischen Studien zwischen 10% und 73% bis zum 12. Lebensjahr. Das Geschlechtsverhältnis ist in beiden Fällen ausgeglichen. Migräne und Spannungskopfschmerz werden im Kindesalter nach denselben Kriterien diagnostiziert wie bei Erwachsenen; im Kindesalter kann eine Migräneattacke jedoch kürzer sein. Kinder haben zudem häufiger als Erwachsene eine Aura vor den Kopfschmerzen. Typisch ist es auch, dass Kinder im Verlauf einer Migräneattacke einschlafen und nach kurzer Zeit weitgehend beschwerdefrei wieder erwachen. Häufig stehen bei Kindern begleitende Magen-Darm-Beschwerden im Vordergrund. Beim Spannungskopfschmerz fehlen vegetative Symptome. Außerdem können auch Kinder schon einen Kopfschmerz durch den Übergebrauch von Medikamenten bekommen. Hierbei handelt es sich um einen (fast) täglichen Kopfschmerz, der dadurch unterhalten wird, dass an mehr als zehn bis 15 Tagen pro Monat Schmerzmittel oder Migränemedikamente eingenommen werden.
Ansprechpartner
Prof. Dr. med. Dr. phil. Stefan Evers, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Münster, Albert-Schweitzer-Str. 33, 48129 Münster, Tel. 0251/8348196, Fax 0251/8348181, E-Mail everss@uni-muenster.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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