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13.02.2000 13:47

FMRI wird nichtinvasive Darstellung kortikaler Kolumnen im Gehirn ermoeglichen

Debbie Weiss Publications and Media Relations Department
Weizmann Institut

Das Forschungsergebnis von Wissenschaftlern aus Minnesota, das sich auf Erkenntnisse stuetzt, die Forscher des Weizmann Instituts durch neuartige Techniken zur optischen Bildgebung gewonnen haben, sollte eine Luecke zwischen Neurophysiologie und Psychologie schliessen, indem es detaillierte Einblicke in Vorgaenge der sinnliche Wahrnehmung und hoeherer kognitiver Funktionen liefert.

In der naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Neuroscience (24.1.00) erschienen zwei Artikel ueber Forschungsergebnisse, die auf fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) und optischen Bildgebungsverfahren basieren. Auf dem Gebiet der Hirnforschung und der Behandlung neurologischer Stoerungen koennten sie zu bedeutenden Fortschritten fuehren. Diese Leistung ist das Ergebnis paralleler Forschungsbemuehungen von Wissenschaftlern der Universitaet Minnesota, USA und des Weizmann Instituts.

Weltweit suchen Gehirnforscher nach Moeglichkeiten zur genauen Kartografierung (Mapping) von Nervenzellgruppen (nerve cell clusters) in Aktion - d.h. 'sprechend' mit ihresgleichen durch elektrische Impulse, waehrend sie sensorische Informationen verarbeiten oder kognitive Funktionen ausfuehren.

Jedes Cluster, das aus Tausenden von Nervenzellen fuer einen bestimmten Verarbeitungsschritt besteht, wird als 'kortikale Kolumne' bezeichnet. Kortikale Kolumnen sind die 'Mikroprozessoren' des Gehirns. Nach Ansicht der Hirnforscher ist die genaue Kartografierung von kortikalen Kolumnen Voraussetzung fuer das Verstaendnis der erstaunlichen Leistungen des menschlichen Gehirns.

Bisher war dies Forschern jedoch nicht moeglich. Sie mussten auf verschiedene indirekte Methoden wie Positronenemissionstomografie (PET), optische Bildgebung und fMRI zurueckgreifen.

Mapping mit Gehirnvenen

Diese Methoden stuetzen sich auf eine ueber hundert Jahre zurueckliegende Entdeckung Lord Sherringtons ueber den Zusammenhang zwischen elektrischer Aktivitaet des Gehirns und Veraenderung der Durchblutung. Bei PET beispielsweise wird eine radioaktive Substanz in den Blutkreislauf injiziert und oertliche Veraenderungen des Blutflusses gemessen, die durch die elektrische Aktivitaet im Gehirn hervorgerufen werden. Bei fMRI verfolgen Wissenschaftler Veraenderungen des Spiegels haemoglobingebundenen Sauerstoffs im Blutkreislauf, die zustande kommen, da das Haemoglobin Sauerstoff an aktive Nervenzellen liefert.

FMRI ist gaenzlich nichtinvasiv - ein entscheidender Vorteil gegenueber PET, bei der radioaktive Marker in die Blutbahn injiziert werden muessen. Daher kann fMRI zur Untersuchung desselben Gehirns ueber einen Zeitraum von mehreren Jahren verwendet werden, was Forscher moeglicherweise in die Lage versetzt, die Manifestiationen von Gedaechtnis, Alterungsvorgaengen oder der Wiedererlangung von Gehirnfunktionen nach einem Trauma oder Schlaganfall zu kartografieren und zu verfolgen. Bis vor Kurzem war der Genauigkeitgrad dieser Techniken jedoch ziemlich eingeschraenkt. Sie konnten einen aktiven Bereich im menschlichen Gehirn mit einen Genauigkeitsgrad von 1-3 mm (fMRI) bzw. 3-7 mm (PET) darstellen - die grundlegenden Verarbeitungseinheiten des Gehirns, die 0,5 mm breiten 'Mikroprozessoren', wurden dabei nicht einzeln dargestellt.

Karten von den Mikroprozessoren im Gehirn

In den vergangenen fuenfzehn Jahren entwickelte Prof. Amiram Grinvald von der neurobiologischen Abteilung des Weizmann Instituts eine neue Methode der optischen Bildgebung zur Kartografierung des Gehirns. Sie stuetzt sich auf die Verfolgung von Farbveraenderungen im Blut, das Sauerstoff an aktive Mikroprozessoren liefert. Mit Hilfe dieser Technik konnte Grinvald exakt den Zeitpunkt und den Ort feststellen, an dem Nervenzellen Sauerstoff aus der blutreichen Mikrozirkulation verbrauchen. Die hohe Aufloesung der optischen Bildgebung erlaubte ihm eine vollstaendige Kartografierung einzelner kortikaler Kolumnen - der Mikroprozessoren des Gehirns. Darunter befanden sich Mikroprozessoren, die an der visuellen Wahrnehmung von Form, Farbe und Bewegung beteiligt sind. Die optische Bildgebung legte auch den Grundstein fuer die Entwicklung der fMRI, die sich fuer noninvasive Gehirnforschung am Menschen und klinische Anwendungen besser eignet. Anfaenglich hofften Wissenschaftler, dass die Anwendung von fMRI denselben Genauigkeitsgrad erreichen wuerde wie die optischen Verfahren. In der Tat messen beide Methoden einen beachtlichen 'Aktivitaetsgipfel', der rund 6 Sekunden nach dem Beginn der elektrischen Aktivitaet einsetzt.

Leider konnten die fMRI-Systeme nicht das 'Anfangstal' aufspueren - ein negatives Signal, das frueher auftritt, und das bei optischen Bildgebungsverfahren deutlich sichtbar ist.

'Anfangstaeler' und 'Aktivitaetsgipfel'

So standen die Dinge bis vor Kurzem. Vor zwei Monaten jedoch veroeffentlichten Ivo Vanzetta und Amiram Grinvald vom Weizmann Institut in der Zeitschrift Science einen Artikel, in dem sie Vorschlaege zur erheblichen Verbesserung der Aufloesung des fMRI-Systems machten.

Ein Team von Wissenschaftlern der Universitaet Minnesota, unter der Leitung von Prof. Kamil Ugurbil, griff dieses 'Rezept' auf. Zunaechst fanden sie das fehlende 'Anfangstal' mit Hilfe der fMRI und konnten daher zeigen, dass beide Techniken dieselben Ereignisse im Blutkreislauf darstellen koennen, unter der Voraussetzung, dass die fMRI in einem starken Magnetfeld durchgefuehrt wird. (Genau wie bei der optischen Bildgebung gibt das 'Anfangstal' im Vergleich zum spaeteren 'Aktivitaetsgipfel' ein kleineres Signal ab. Daher hatten fMRI-Forscher ganz selbstverstaendlich bislang den staerkeren 'Aktivitaetsgipfel' zur Lokalisierung der elektrischen Aktivitaet genutzt.)

Die Forscher Dae-Shik Kim, Timothy Duong und Seong-Gi Kim aus Minnesota berichten jedoch heute in Nature Neuroscience, dass dieser 'Aktivitaetsgipfel' nicht zum Verfolgen der genauen Lokalisation elektrischer Aktivitaet mit fMRI genutzt werden kann. Das wichtigste Ergebnis ihres Berichts ist, dass der exakte Ort, an dem Nervenzellen Aktionspotentiale 'feuern', in der Tat mit dem Ort des 'Anfangstals' uebereinstimmt. Die Nutzung dieses kleinen Signals ermoeglichte die erste genaue Kartografierung der 'Orientierungskolumnen' - jenen Mikroprozessoren, die fuer die Formwahrnehmung in den fruehen Verarbeitungsbereichen des visuellen Kortex verantwortlich sind.

In der aktuellen Ausgabe von Nature Neuroscience erschien ein Artikel unter 'News and Views', verfasst von Amiram Grinvald, Hamutal Slovin und Ivo Vanzetta vom Weizmann Institut, in dem sie die Leistung und Ergebnisse des Teams aus Minnesota wuerdigen und analysieren sowie neue Daten aus der optischen Bildgebung vorstellen. Zusammengesehen legen diese Artikel den Schluss nahe, dass durch Verschiebung der Aufmerksamkeit auf das 'Anfangstal' nichtinvasive Kartografierung kortikaler Kolumnen durch fMRI auch in der Erforschung des menschlichen Gehirns moeglich wird.

Wissenschaftler sind der Auffassung, dass die enorme Verbesserung der Genauigkeit des fMRI die Forschung einen grossen Schritt weiter bringen wird und das Verstaendnis der fundamentalen Mechanismen, die der menschlichen Wahrnehmung und den hoeheren kognitiven Faehigkeiten zu Grunde liegen, verbessern werden. Darueber hinaus koennte die Methode eine wertvolle Rolle bei der Verbesserung von Fruehdiagnostik und eventuell auch bei der Verhinderung von verschiedenen neuropsychiatrischen Stoerungen spielen.

Farbabzuege der folgenden Abbildung sind auf Anfrage erhaeltlich. Zusaetzliche Bilder und Informationen ueber optische Bildgebung sind erhaeltlich unter: http://www.weizmann.ac.il/brain.grinvald

Prof. Grinvald ist Inhaber des Helen-und-Norman-Asher-Lehrstuhls fuer Gehirnforschung und Leiter des Murray-H.-und-Meyer-Grodetsky-Zentrums fuer die Erforschung hoeherer Gehirnfunktionen, sowie des Wolfson-Zentrums fuer angewandte wissenschaftliche Forschung in funktionaler Gehirn-Bildgebung am Weizmann Institut.

Diese Studie wurde gefoerdert von der Deutsch-Israelischen Stiftung fuer
wissenschaftliche Forschung und Entwicklung, der Horace W. Goldsmith
Foundation, New York, und durch Margret Enoch, New York.

Neue Wege zum Kampf gegen Krankheit, Hunger, zum Schutz der Umwelt und
zur Gewinnung alternativer Energiequellen sind wichtige Prioritaeten des
Weizmann Instituts. Pressemitteilungen des Weizmann Instituts sind im World
Wide Web hinterlegt: athttp://www.weizmann.ac.il oder
httep://www.eurekalert.org.


Bilder

Ergänzung vom 15.02.2000

Die URL der Website von Prof. Grinvald lautet:
http://www.weizmann.ac.il/brain/grinvald
(und nicht ...brain.grinvald)
Hier sind zusätzliche Bilder und Informationen
über optische Bildgebung erhältlich.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Informationstechnik, Maschinenbau
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


 

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