idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.10.2006 16:07

Ansteckung durch Prionproteine - Authentische Infektiosität experimentell erzeugter Partikel

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Prionproteine können schwere neuronale Degenerationserkrankungen auslösen, wenn sie eine bestimmte dreidimensionale Struktur einnehmen. Nach vorherrschender Theorie sind diese Partikel infektiös, weil sie harmlose Prionproteine - die eine andere Struktur haben - dazu bringen, sich ebenfalls in die gefährliche Form zu falten. Proteine als alleinige Krankheitserreger waren ein bis dahin unbekanntes Konzept in der Biologie. Zweifel an dieser These tauchten wieder auf, als sich künstlich hergestellte, fehlgefaltete Prionproteine im Experiment als wenig infektiös erwiesen. Ein Forscherteam um Professor Hans Kretzschmar vom Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) widerlegt dies jetzt aber in den "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)". Die Wissenschaftler schufen auf bestimmtem Trägermaterial missgefaltete Prionproteine, die sich im Versuch als ebenso infektiös erwiesen wie aus erkrankten Gehirnen gewonnene Prionen. Beide Varianten konnten harmlose Prionproteine zur Fehlfaltung anregen und bei gesunden Tieren Prionerkrankungen auslösen.

    Proteine können nur dann ihre Funktionen erfüllen, wenn sie sich in ihre jeweils spezifische Form gefaltet haben. Wie wichtig die korrekte dreidimensionale Struktur, und wie gefährlich eine falsche Faltung sein kann, zeigen die Prionproteine. Sie kommen natürlicherweise in ganz bestimmter Form im menschlichen und tierischen Organismus vor. Unter bestimmten Umständen aber nehmen sie eine andere Struktur ein und werden dadurch infektiös, schaffen also aus harmlosen Prionen neue ansteckende Partikel. Durch diesen Vorgang können schwere Leiden entstehen, wie etwa die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen oder BSE bei Rindern. Diesen Leiden ist gemein, dass die Infektion über Prionen und damit ausschließlich über Proteine vermittelt wird - was bislang ausschließlich von Prionerkrankungen bekannt ist. Seit kurzem ist es auch möglich, die fehlgefalteten und damit gefährlichen Prionen im Experiment zu erzeugen, anstatt sie nur aus den Gehirnen verstorbener Patienten oder aus Tieren zu gewinnen. Die Ausbeute dabei war aber so gering, dass es kaum möglich war, eine Infektion - also die Umfaltung harmloser Prionen - auszulösen. Die Wissenschaftler der vorliegenden Studie nutzten nun ein relativ neues, von Professor Claudio Soto, University of Texas, entwickeltes Verfahren, die "protein misfolding cyclic amplification (PMCA)" zur Erzeugung fehlgefalteter Prionen - mit durchschlagendem Erfolg. Bei diesem Verfahren genügen selbst kleine Mengen gefährlicher Prionen, um ungleich größere Mengen harmloser Prionen umzuwandeln.

    Dies war zum einen ein methodischer Durchbruch, weil auf vergleichsweise einfache Weise missgefaltete Prionproteine geschaffen werden können. "Es ist uns aber auch gelungen, gefährliche Prionproteine experimentell zu erzeugen, die sich in nichts von denen aus erkranktem Gewebe unterscheiden", so Kretzschmar. "Bisher gab es immer eine Diskrepanz zwischen der Menge an Protein und der Infektiosität. Wir haben jetzt gezeigt, dass man diese Diskrepanz aufheben kann, wenn es gelingt, die neu gebildeten Prionpartikel an den Trägerstoff Nitrozellulose gebunden im Gehirn zu behalten. Diese Diskrepanz hatte in der Tat Zweifel an der 'protein-only'-Hypothese hervorgerufen, wonach Prionproteine alleine ansteckend sind. Vermutlich sind die in der PMCA hergestellten infektiösen Partikel sehr klein und werden zum Teil aus dem Gehirn ausgeschwemmt. Unsere Interpretation ist, dass die in der PMCA hergestellten Prionen wirkliche, echte Prionen sind, aber etwas kleiner als die 'natürlichen' Prionproteine. Unsere Prionen zeigen jetzt aber die typischen Charakteristika und die ganz spezifische biologische Infektiosität. So können sie auch bei gesunden Tieren die entsprechenden Erkrankungen auslösen, Die neue Methode ist insgesamt ein wichtiges Werkzeug zur genauen Analyse der Struktur und molekularen Mechanismen der Proteine." (suwe)

    Publikation:

    "Cell-free formation of misfolded prion protein with authentic prion infectivity", Petra Weber, Armin Giese, Niklas Piening, Gerda Mitteregger, Achim Thomzig, Michael Beekes, and Hans A. Kretzschmar, PNAS, XX. Oktober 2006

    Ansprechpartner:

    Prof. Hans A. Kretzschmar
    Zentrum für Neuropathologie und Prionforschung der LMU
    Tel.: 089 / 2180-78000
    Fax: 089 / 2180-78036
    E-Mail: Hans.Kretzschmar@med.uni-muenchen.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).