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15.02.2000 12:08

Studie zur Sozialpolitik und sozialen Lage in Deutschland: Der Sozialstaat - kein Auslaufmodell!

Ole Lünnemann Referat Hochschulkommunikation
Universität Dortmund

(! Achtung: Sperrfrist 16. Februar 2000, 12:00 Uhr, Termin Pressegespräch im Hotel Albrechtshof, Albrechtstr. 8, 10117 Berlin-Mitte !) Der Sozialstaat ist zum Gegenstand heftiger Kontroversen geworden, das Urteil vieler Kritiker ist hart: Zu teuer, ineffektiv, wachstumshemmend, bürokratisch, kontraproduktiv und nicht zuletzt unfinanzierbar. In der öffentlichen Diskussion ist deshalb vom "Unsozialstaat" die Rede, die sozialpolitischen Akteure werden als "Sozialstaatsmafia" bezeichnet. Ist der deutsche Sozialstaat ein Auslaufmodell? In einer soeben erschienenen umfangreichen Studie "Sozialpolitik und soziale Lage" kommen vier Wissenschaftler von der Universität Dortmund, den Fachhochschulen Köln und Niederrhein und vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung zu einem anderen Ergebnis.

Aufgrund umfangreicher empirischer Analysen und auf der Basis einer detaillierten Analyse aller wichtigen Zweige des sozialen Sicherungssystems ziehen die Autoren folgendes Fazit:

· Der Sozialstaat in Deutschland ist - auch im internationalen Vergleich - ein hochleistungsfähiges System sozialer Sicherung, das bei vielen sozialen Risiken und Notlagen einen wirkungsvollen Schutz der betroffenen BürgerInnen gewährleistet.
· Das finanzielle Volumen der Sozialleistungen, wie es in der "Sozialleistungsquote" zum Ausdruck kommt, signalisiert die hohe ökonomische Bedeutung des Sozialstaats. Das Sozialsystem wirkt selbst als produktiver Faktor positiv auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft zurück.
· Unbestreitbare Leistungsdefizite des Sozialleistungssystems sind zum einen das Ergebnis zahlreicher Einschnitte in das soziale Netz in den vergangenen Jahren. Zum anderen signalisieren sie jedoch auch, dass das soziale Sicherungssystem bislang nur unzureichend an die gewandelten sozialökonomischen Rahmenbedingungen angepasst wurde.
· Eine Bewahrung der Substanz des Sozialstaats kann nur durch eine gezielte Weiterentwicklung des gesamten Systems erreicht werden. Dazu bedarf es einer positiven Reformperspektive. Eine zentrale Aufgabe wird es sein, die gewandelten Erwerbsmuster und Lebensformen, die beispielsweise zu einer Erosion der tradierten Normalbiografie und des Normalarbeitsverhältnisses geführt haben, abzusichern.
· Ein ausgebauter Sozialstaat kann nicht zugleich ein "billiger" Staat ein. Der Vorschlag, die kollektiven Sicherungssysteme zugunsten privater Vorsorge zurückzufahren, führt lediglich zu einem Absenken des solidarisch ausgestalteten Sicherungsniveaus, während die privat finanzierte Zusatzsicherung nur sozial selektiv oder gar polarisierend wirksam wird.
· Die Frage nach einer verlässlichen Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherung ist von entscheidender Bedeutung für die Stabilität und Entwicklungsfähigkeit des Sozialstaates. Die Bereitschaft der Bevölkerung, die hohen Lasten eines ausgebauten Sozialsystems zu tragen, hängt auch davon ab, ob sie Vertrauen in seine Verlässlichkeit und Zukunftsfähigkeit haben. Wer die sozialen Sicherungssysteme systematisch auf "Magerdiät" setzt, dürfte dieses Vertrauen langfristig untergraben.

Mit der Vorlage der materialreichen und differenzierten Studie wollen die Autoren dazu beitragen, die zum Teil hochgradig ideologische Debatte über den Sozialstaat zu versachlichen. Dabei kommt es ihnen darauf an zu zeigen, dass Sozialpolitik - ganz im Gegensatz zum neoliberalen Ansatz - nicht nur als Last und Bürde für die Gesellschaft dargestellt werden kann, sondern dass die Leistungen und der Nutzen der Sozialpolitik für eine moderne Gesellschaft besonders zu betonen sind.

Die zweibändige Studie, die zugleich als grundlegendes Lehrbuch konzipiert ist, wird ergänzt durch eine eigene Website im Internet unter der Adresse www.sozialpolitik-lehrbuch.de, die aktuelle Informationen zur sozialpolitischen Entwicklung bietet, über neuere Fachliteratur informiert und zahlreiche Links auf wichtige sozialpolitische Institutionen, Organisationen und Verbände enthält.

Nähere Information:
Die Autoren sind unter der Email-Adresse
sozialpolitik-lehrbuch@gmx.de zu erreichen.

Bibliographischer Hinweis:
Prof. Dr. Gerhard Bäcker (Fachhochschule Niederrhein)
Dr. Reinhard Bispinck (WSI in der Hans-Böckler-Stiftung)
Prof. Dr. Klaus Hofemann (Fachhochschule Köln)
Prof. Dr. Gerhard Naegele (Universität Dortmund)
Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland

Band 1:
· Sozialpolitik und Sozialstaat
· Ökonomische Grundlagen
· Einkommen
· Arbeit und Arbeitsmarkt
· Arbeit und Gesundheitsschutz

Band 2:
· Gesundheit
· Familie und Kinder
· Alter
· Soziale Dienste

Band 1: 477 Seiten, Band 2: 407 Seiten, je 49,80 DM
Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000.


Weitere Informationen:

http://www.boeckler.de/wsi/npshowlt.cgi?id=199


Bilder

Ergänzung vom 15.02.2000

Anmerkung:
Die Information ist gemeinsam herausgegeben von der Universität Dortmund, den Fachhochschulen Köln und Niederrhein sowie dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut in der Hans-Böckler-Stiftung.


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

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